Flüchtlingpolitik:Halbwegs handlungsfähig

A migrant child carries an umbrella at an improvised temporary shelter in a sports hall in Hanau

"Wir sind bis zur Schmerzgrenze kompromissbereit, auch in Fragen des Familiennachzugs", sagt SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann zu den Verhandlungen am Donnerstag.

(Foto: Kai Pfaffenbach/Reuters)

Die Koalition bringt ihr Gesetz zur schnelleren Ausweisung straffälliger Ausländer auf den Weg - und hängt beim Asylpaket II fest, weil die CSU einen Kompromiss an einen Beschluss über neue sichere Herkunftsländer koppelt.

Von Stefan Braun, Berlin

Im Schatten des Streits um den Kurs in der Flüchtlingspolitik wird die Bundesregierung am Mittwoch im Kabinett ein neues, verschärftes Ausweisungsrecht auf den Weg bringen. Und nur einen Tag später werden die Koalitionsspitzen auch in Gesprächen mit den Bundesländern versuchen, den Konflikt um das Asylpaket II zu beenden. Die Verabschiedung des verschärften Aufenthaltsrechts soll beweisen, dass die schwarz-rote Koalition bei allen Konflikten handlungsfähig geblieben ist. Die neuen Verhandlungen zum Asylpaket dagegen sind nötig geworden, weil die CSU einen Kompromiss beim Familiennachzug mit dem Beschluss über weitere sichere Herkunftsländer verbinden möchte.

Die Konsequenz: Sollten sich die Christsozialen mit Ministerpräsident Horst Seehofer durchsetzen, dann würde das zweite Asylpaket plötzlich im Bundesrat zustimmungspflichtig werden. Nicht wenige in der Koalition sehen das äußerst skeptisch, weil sie noch einmal lange Verzögerungen befürchten. Mancher in der Union dagegen hält es für einen cleveren Schachzug, weil man so den grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann wenige Wochen vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg zu einer für die Grünen schwierigen Entscheidung zwingen könnte.

Für die Zustimmung im Bundesrat braucht man wohl wieder Winfried Kretschmann

Leichter gefallen ist der Koalition die Einigung auf eine schnellere Ausweisung ausländischer Straftäter. Wenige Tage nach den schweren Gesetzesverstößen von Köln in der Silvesternacht hatten sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) im Grundsatz darauf verständigt. Jetzt liegt ein Gesetz vor. Straffällig gewordene Ausländer müssen damit rechnen, künftig deutlich schneller ausgewiesen und abgeschoben zu werden. Nach Definition der Bundesregierung, geändert im Aufenthaltsgesetz, soll schon dann ein "schwerwiegendes Ausweisungsinteresse" vorliegen, wenn ein Ausländer wegen einer oder mehrerer Straftaten rechtskräftig zu einer Jugend- oder Freiheitsstrafe verurteilt wurde - sofern er dabei mit Gewalt oder deren Androhung gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung oder das Eigentum anderer Menschen vorgegangen ist. Und das ist nicht alles: Auch eine Verurteilung wegen Widerstands gegen Polizeibeamte kann künftig zur Ausweisung führen - unabhängig davon, ob die Strafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Verschärft wird die Lage auch für Asylbewerber. Sie laufen bei vergleichbaren Straftaten Gefahr, ihre Anerkennung als Flüchtling zu verlieren.

Noch nicht einig ist die Koalition dagegen beim Asylpaket II. Und das, obwohl viele Fragen offenbar geklärt sind. So bleibt es dabei, dass Schwarz-Rot noch mehr als die bisher zwei vorhandenen "besonderen Aufnahmeeinrichtungen" schaffen möchte, in denen direkt nach Ankunft Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern untergebracht werden sollen. Da deren Perspektive auf Anerkennung als Flüchtling oder Asylbewerber als gering eingeschätzt wird, sollen sie künftig bis zum Abschluss ihres Verfahrens in diesen Einrichtungen bleiben und bei Ablehnung direkt von dort zurückgeschickt werden. Die ersten dieser Einrichtungen sind in Manching und Bamberg; weitere sollen folgen.

Ebenfalls verständigt hat man sich darauf, medizinische Atteste, die einer Abschiebung im Wege stehen, härter zu prüfen und die Kriterien, wann ein abgelehnter Asylbewerber nicht zurückgeschickt werden darf, zu lockern. Abschiebungen sollen also auch dadurch erleichtert werden. Noch nicht abschließend geklärt ist dagegen die Frage, wie groß der Eigenanteil eines Flüchtlings an den Integrationskursen sein soll. Unüberwindlich dürfte das Problem aber nicht sein. Vermutet wird, dass man sich auf einen Betrag zwischen zehn und fünfzehn Euro verständigt.

Knackpunkt bleibt der Streit um eine Beschneidung des Familiennachzugs für Familien von subsidiär Schutzbedürftigen. Ursprünglich hatten sich Horst Seehofer, Angela Merkel und Sigmar Gabriel darauf verständigt, für diesen Kreis den Familiennachzug für zwei Jahre auszusetzen. SPD-Chef Gabriel war aber davon ausgegangen, dass syrische Flüchtlinge nicht darunterfallen würden. Mit der Wiedereinführung der Einzelfallprüfung auch für Syrien, die das Innenministerium parallel zur Einigung der Parteivorsitzenden beschlossen hatte, war Gabriels Einschätzung Makulatur. Denn auch Syrer können den geringeren Schutzstatus erhalten, beispielsweise, wenn sie nicht direkt aus dem Bürgerkrieg kommen, sondern einige Zeit in einem Flüchtlingslager gelebt haben.

Ein Kompromiss könnte sein, für alle mit geringerem Schutz den Familiennachzug auszusetzen, im Gegenzug aber ein Kontingent für Familien syrischer Flüchtlinge festzulegen. Die Größe des Kontingents ist noch offen, die Chance auf eine Einigung nach SZ-Informationen aber vorhanden. Allerdings: Seit diese Variante im Raum steht, verlangt die CSU, ihr Ja zu einem Kontingent mit einem Beschluss über Marokko, Algerien und Tunesien als weitere sichere Herkunftsländer zu verbinden. Die Crux: Verquickt man beide Fragen, wird das gesamte Asylpaket II zustimmungspflichtig. Die Regierung bräuchte also die Zustimmung rot-grün regierter Länder. Aus diesem Grund hat die Koalition am Donnerstag neuen Gesprächsbedarf - auch mit Winfried Kretschmann.

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