Flüchtlinge verurteilen Übergriffe in Köln:"Die Deutschen haben uns ein neues Leben geschenkt"

Lesezeit: 2 min

Flüchtlinge aus Ägypten und Marokko sitzen Mitte Januar auf den Stufen des Kölner Doms. Auf dem Transparent entschuldigen sie sich für die Übergriffe in der Silvesternacht. (Foto: dpa)

Der Flüchtling Anas Alhamsho hat einen offenen Brief an die Kanzlerin geschrieben. Darin verurteilt er die Übergriffe der Silvesternacht.

Interview von Jan Bielicki

Vier Asylbewerber aus Duisburg und Mülheim und haben nach den Silvester-Attacken einen offenen Brief an die Kanzlerin geschrieben. Darin drücken sie ihr Entsetzen über die Taten aus. Nun versuchen sie, unter Flüchtlingen möglichst viele Unterschriften zu sammeln. Anas Alhamsho, 36, Apotheker aus Damaskus und als Flüchtling anerkannt, ist einer der Initiatoren.

SZ: Herr Alhamsho, in welcher Sprache sollen wir uns unterhalten?

Anas Alhamsho: Auf Deutsch. Sie können mir die Fragen auf Englisch stellen. Aber ich möchte auf Deutsch antworten.

Seit wann lernen Sie schon Deutsch?

Ich bin seit einem Jahr und zwei Monaten in Deutschland. Deutsch habe ich nur im Internet mit Youtube gelernt. Aber im Februar beginnt mein Integrationskurs.

Tatverdächtige in Köln
:Warum viele Marokkaner unter den Kölner Verdächtigen sind

Im Maghreb-Viertel in Düsseldorf leben seit Jahrzehnten Nordafrikaner. Inzwischen ist es aber auch Rückzugsort für Taschendiebe und Einbrecher.

Von Bernd Dörries, Karin Janker und Kristiana Ludwig

Wie sind Sie auf die Idee mit dem Brief an die Bundeskanzlerin gekommen?

Wir sind vier Männer, drei aus Syrien und einer aus Pakistan. Als das in Köln passiert ist, haben wir darüber diskutiert, was wir machen können. Es sollte ein Zeichen sein, dass wir das auch ganz schrecklich finden.

Wie war das denn, als Sie von den Attacken auf Frauen in Köln gehört haben?

Wir haben davon auf Facebook erfahren, die meisten Flüchtlinge bekommen ihre Informationen aus dem Internet. Wir haben gedacht: Was sind das für schlechte Leute! Warum machen diese Leute das? Das sind Kriminelle. Wir sind vor dem Krieg geflohen, und die Deutschen haben uns ein neues Leben geschenkt. Da muss man doch die Deutschen und deren Gesetze respektieren. Frauen angreifen - das ist ganz furchtbar, für die Muslime und für die Christen. Der Koran und die Bibel verbieten das, sie verlangen Respekt vor Frauen.

Haben Sie Angst, dass es nun mehr Hass auf Flüchtlinge geben wird?

Nein, die Deutschen sind clever. Manche glauben vielleicht, alle Flüchtlinge sind gleich. Aber die meisten sehen, dass das nicht stimmt. Die Deutschen, die ich kenne, haben uns immer geholfen.

Wie ist die Reaktion anderer Flüchtlinge ?

Alle wollen unterschreiben, ich selbst habe schon hundert Unterschriften gesammelt. Alle sind wütend auf diese Kriminellen. Schauen Sie: Ich habe mein Haus in Damaskus verloren, ich habe meine Apotheke verloren. Aber die Deutschen haben mir alles gegeben, Geld, eine Wohnung, eine neues Leben. Da müssen wir doch dankbar sein und alle gegen diese Verbrecher aufstehen.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel,

wir sind Flüchtlinge in Deutschland, geflohen vor Krieg und Terror, vor Bomben, politischer Verfolgung und sexuellen Übergriffen (z.B. des IS). Viele von uns haben gefährliche Fluchtwege hinter sich. Wir sind froh, endlich in Deutschland Schutz gefunden zu haben und sind dafür dem deutschen Volk und seiner Regierung sehr, sehr dankbar.

Vor diesem Hintergrund sind wir entsetzt über das, was sich in der Sylvesternacht in Köln und anderen Städten zugetragen hat. Wir verabscheuen die sexuellen Übergriffe und Diebstahldelikte mutmaßlich durch Migranten und Flüchtlinge und verurteilen sie auf das schärfste. Auch für uns ist die Würde des Menschen unantastbar, ob Mann oder Frau. Auch für uns gilt ein strenges Diebstahlverbot. Auch für uns ist es selbstverständlich, die Gesetze des Aufnahmelandes zu achten.

Tatverdächtige in Köln
:Warum viele Marokkaner unter den Kölner Verdächtigen sind

Im Maghreb-Viertel in Düsseldorf leben seit Jahrzehnten Nordafrikaner. Inzwischen ist es aber auch Rückzugsort für Taschendiebe und Einbrecher.

Von Bernd Dörries, Karin Janker und Kristiana Ludwig

Viele von uns sind gläubige Muslime und Christen und teilen die Werte unserer Glaubensbrüder und -schwestern in diesem Land. Wir treten dafür ein, die Würde und Ehre von Frauen zu schützen, wie es Koran und Bibel gebieten. Für uns gilt das strenge Diebstahlverbot in Koran und Bibel. Die Muslime unter uns verweisen darüber hinaus auf das strenge Alkoholverbot. Die zehn Gebote der Bibel (2. Mose 20,2-17) haben ihre Entsprechung im Koran Sure 17, 22-39.

Wir verpflichten uns im Rahmen unserer Möglichkeiten mitzuhelfen, dass sich Verbrechen wie die in Köln nicht wiederholen und die Gastfreundschaft der Deutschen missbraucht wird.

Mit freundlicher Hochachtung

Anas Alhamsho, Duisburg (aus Syrien)

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version standen die Namen aller Unterzeichner unter dem Brief. Wir haben sie entfernt, weil Drohanrufe eingegangen sind.

© SZ vom 14.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: