Flüchtlinge:Streit um gefälschte Pässe

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge weist den Vorwurf fehlerhafter Kontrollen zurück. Bayerns Innenminister Hermann sieht Gefahr von Sicherheitslücken.

Von Bernd Kastner

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) steht im Verdacht, Pässe von Asylsuchenden nicht sorgfältig genug zu prüfen. In Bayern und Mecklenburg-Vorpommern sind offenbar gefälschte Papiere von angeblichen Syrern aufgetaucht, die zuvor vom Bamf für echt erklärt worden waren. Dieses weist die Kritik zurück: Es lägen derzeit "keine konkreten Hinweise aus den Ländern" zu falschen Pässen vor. "Auch aus Bayern gab es dazu bisher keine konkreten Meldungen an das Bundesamt", teilte die Behörde mit.

Dem widerspricht man in München. Im März und April dieses Jahres habe die Ausländerbehörde in Garmisch-Partenkirchen mehrere gefälschte Dokumente bei Flüchtlingen festgestellt und diese zur Klärung an die Polizei geschickt. Dort seien 19 Pässe als tatsächlich gefälscht erkannt worden. Am 14. Juni habe das bayerische Innenministerium dies dem für das Bamf zuständigen Bundesinnenministerium geschrieben. Man habe via Berlin das Bamf zur Prüfung aufgefordert und auch mitgeteilt, dass man von einer hohen Dunkelziffer ausgehe, sagte ein Sprecher der Süddeutschen Zeitung. Unter den 19 Flüchtlingen sei auch eine Mutter mit zwei Kindern gewesen, die ihre gefälschten Pässe in der Nähe eines Flüchtlingslagers in der Türkei erworben habe. Im Umfeld dieser Lager gebe es offenbar professionelle Fälscherwerkstätten. In Deutschland würden Pässe, die vom Bamf für echt erklärt wurden, in der Regel nicht nochmals von Ausländerbehörden geprüft, das Vorgehen in Garmisch sei eine Ausnahme gewesen.

Balkanroute ein Jahr danach

Dokument ohne Wert? Das Deckblatt eines syrischen Passes liegt an der Grenze zu Mazedonien im Schlamm.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisierte das Bamf: "Ich kann nicht verstehen, warum das Bundesamt, das jeden Pass in Ruhe anschauen kann, diese gefälschten Pässe nicht erkannt hat." Der Minister warnte im Interview mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) vor Sicherheitsdefiziten, das Vorgehen sei "so nicht akzeptabel." In Berlin spielt man den Ball zurück: München habe nur "allgemein darüber unterrichtet", sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums, dass "verstärkt gefälschte Ausweispapiere von Asylsuchenden aufgetaucht sind". Konkrete Informationen zu bestimmten Fällen habe es nicht gegeben.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern misstraut man laut RBB-Recherchen dem Bamf, weshalb derzeit 3300 syrische Pässe separat geprüft würden. Dabei habe man 140 gefälschte Papiere gefunden. Vier davon habe das Bamf zuvor in Gutachten für echt erklärt; drei der gefälschten Pässe würden dem Umfeld der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zugeordnet.

In Brandenburg will Generalstaatsanwalt Erardo Rautenberg vom Bamf 18 000 Datensätze von Asylbewerbern haben, um sie zu überprüfen. Es handle sich um jene Flüchtlinge, die Ende 2015 nach Brandenburg gekommen seien, als viele Asylsuchende an der Grenze nicht kontrolliert wurden. Das Bamf verweigert die Herausgabe der Daten und begründet dies mit fehlender Verhältnismäßigkeit. Vor Gericht hatte der Generalstaatsanwalt bislang keinen Erfolg, seine Forderung durchzusetzen. "Seit den Anschlägen von Paris wissen wir, dass sich unter der Masse der Geflüchteten auch IS-Schläfer befinden können", sagte Rautenberg. Es gehe ihm nicht um einen Generalverdacht gegen Flüchtlinge, "sondern darum, diesen Verdacht von der Masse der Asylsuchenden abzuwenden".

Aktuelles Lexikon: Passfälscher

Wie einfach das mit dem falschen Pass ist, hat im vergangenen Sommer der niederländische Journalist Harald Doornbos gezeigt. Er rief einen der vielen Fälscher an, zahlte umgerechnet 750 Euro - und hatte binnen 40 Stunden einen syrischen Pass. Namen und Foto durfte er sich aussuchen, und Doornbos wählte, um dem ganzen die Krone aufzusetzen, ein Porträt des niederländischen Premierministers Mark Rutte. Der heißt in dem Dokument nun "Malek Ramadan". In Zeiten modernster Technik schien das Geschäft der Passfälscher zum Erliegen gekommen zu sein. Nun blüht es im Zuge der Flüchtlingskrise wieder auf, insbesondere in der Türkei. Mit einem syrischen Pass hat man große Chancen auf Asyl in Deutschland und anderen europäischen Ländern - wenn man es nach der Schließung der Balkanroute noch so weit schafft. Dies liegt zum einen daran, dass man sich mit einem glaubwürdigen Papier Asyl erschwindeln kann, zum anderen könnten auch mögliche Terroristen einreisen und unerkannt bleiben. In Deutschland wird nun diskutiert, ob Pässe zu schlampig geprüft werden. Die Figur des Passfälschers taucht in vielen Krimis und Geschichten auf. Es muss nicht immer der finstere Geselle in dunklen Werkstätten sein. In der Nazizeit retteten Passfälscher vielen Juden das Leben, einer von ihnen war der Berliner Cioma Schönhaus. Seine Geschichte soll kommendes Jahr ins Kino kommen. RPR

Der Streit könnte eine alte Debatte neu beleben. Vor einem Jahr hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière gesagt, etwa 30 Prozent der angeblichen Syrer kämen gar nicht aus Syrien - ohne dafür Belege zu haben. Nun wird ausgerechnet das zu seinem Bereich gehörende Bamf für mangelnde Kontrollen kritisiert. Dort betont man, dass geschultes Personal die Pässe prüfe, seit März seien von 53 000 rund 3300 beanstandet worden, der Anteil mutmaßlicher Fälschungen betrage etwa sechs Prozent. Sollten sich neue Erkenntnisse zu Manipulationen aufgrund konkreter Fälle geben, "werden wir dies aktiv angehen".

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