Flüchtlinge:So viel AfD steckt im CSU-Papier

Horst Seehofer

Horst Seehofer schlägt mit dem Papier den Kurs der AfD ein.

(Foto: AP)

Die Forderungen der CSU zur Flüchtlingspolitik bestehen aus zwei Ebenen. Nur eine dünne Schicht trennt die christsoziale Oberfläche von der Gedankenwelt der Rechtspopulisten.

Analyse von Bernd Kastner

"Klarer Kurs bei der Zuwanderung - Humanität, Ordnung, Begrenzung". Überraschend ist der Titel nicht über einer Vorlage zur Klausur des CSU-Vorstands. Doch er verrät einiges über die Strategie an der Spitze der Regionalpartei. Sie wirft ihre Angel in trübes Wasser.

Der Text besteht aus vier Seiten, 16 Kapitelchen - und zwei Schichten: Da ist die Oberfläche mit vielen Selbstverständlichkeiten. "Deutschland muss Deutschland bleiben", ist so eine Forderung. Oder dass der, der "bei uns das Grundrecht Asyl einfordert", sich "umgekehrt auch an unser Grundgesetz halten und unsere Werte akzeptieren" müsse. Wer würde dem widersprechen? Unter der Oberfläche aber liest man einen Subtext, und der erinnert sehr an eine Partei, vor der sich die Union und im Speziellen die CSU so sehr fürchtet. Der Subtext der CSU ist die Sprache der AfD. "Deutschland muss Deutschland bleiben" heißt, dass Deutschland in großer Gefahr sei, zum Fremdland zu werden. Dass die Asyl-"Forderer" sich nicht an "unser" Grundgesetz und "unsere" Werte hielten, dass Invasoren vor der Tür stehen.

Leitkultur sei "das Gegenteil von Multikulti" - aber wie definiert sich das?

Wie auf einem See im Winter trennen viele Feststellungen auf der Oberfläche, über die zu diskutieren wäre, nur eine Eisschicht vom tiefen, dunklen Wasser. Das Eis ist dünn und brüchig. Darunter finden auch Fremdenfeinde und Islamhasser ihren Lebensraum.

"In Deutschland gilt ausnahmslos deutsches Recht und nicht die Scharia", lautet eine andere Kapitelüberschrift. Auch das ist einerseits selbstverständlich und signalisiert doch: Passt auf, ihr Deutschen, diese Zuwanderer importieren die Scharia, und wenn die Kanzlerin so weitermacht, werden uns Deutschen bald die Hände abgehackt, wenn wir falsch parken.

Dünn ist die Trennschicht auch zwischen Flüchtling und Zuwanderer. Beide Begriffe definieren eine andere Gruppe, für die spezielle Gesetze und Regeln gelten. Beide Begriffe aber würfelt die CSU durcheinander. Da fordert sie in einem Absatz die Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr, im nächsten ist von einem nötigen "Einwanderungsbegrenzungsgesetz" die Rede: "In Zukunft muss gelten: Vorrang für Zuwanderer aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis." Versteht die CSU "Zuwanderer" als Oberbegriff, unter dem sie Flüchtlinge subsumiert? Dann wäre ihre Forderung der Versuch eines Rechtsbruchs, denn das Recht auf Asyl und Schutz gilt unabhängig von Religion und Kulturkreis. Versteht sie "den Zuwanderer" als "alle Migranten minus Flüchtlinge", fragt man sich immer noch, wie die Bevorzugung von Menschen "aus unserem christlich-abendländischen Kulturkreis" in der Praxis funktionieren soll. Was ist dann ein syrischer Christ? Darf er schnell rein, weil er an denselben Gott glaubt wie ein ordentliches CSU-Mitglied? Oder muss er sich hinten anstellen, weil er nicht aus dem Abendland kommt? Wichtiger ist vermutlich, dass selbst die Abendlandretter von Pegida mit den von der CSU ausgewählten Migranten leben könnten.

Ja, es stimmt: "Bayern hat bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise mit seiner großzügigen und unbürokratischen Hilfe sowie den vielen ehrenamtlichen Helfern eine einzigartige Visitenkarte der Humanität abgegeben." Doch die CSU ist nicht einfach bloß stolz auf das Engagement bayerischer Bürger, sie kündigt an, Bayern bleibe "weiter der Taktgeber Deutschlands" bei diesem Thema.

Zieh dich noch wärmer an, liebe Angela Merkel!

Bayern ist das Größte, lautet die Botschaft, und Bayern ist CSU. Zieh dich noch wärmer an, liebe Angela Merkel! Hält man das CSU-Papier gegen das Licht, erkennt man ein Wasserzeichen: Mia san mia! "Die Leitkultur gehört in die Verfassung." Das wünscht sich die Seehofer-Partei schon länger, wobei sie offenbar bislang nur an die bayerische Verfassung denkt, nicht ans bundesdeutsche Grundgesetz. Doch der Gehalt dieser Leitkultur bleibt weiter so trüb wie das Wasser unter der Oberfläche des CSU-Papiers. Der Verweis auf "die bei uns geltende Werteordnung christlicher Prägung, unsere Sitten und Traditionen" klärt nichts, ebenso wenig, dass Leitkultur "das Gegenteil von Multikulti" sei. Wie bitte definiert sich das alles? Egal. Dem potenziellen AfD-Wähler soll bei diesen Begriffen vermutlich ein Kopftuch und eine Lederhose vor dem geistigen Auge erscheinen, auf dass die Wahl nicht schwerfalle: Lederhose. Also CSU.

Die CSU-Forderung nach Verbot von Burka und Niqab klingt nur konsequent: "Die Burka ist eine Uniform des Islamismus, ein maximales Integrationshindernis und ein in unserer Kultur nicht zu akzeptierendes Zeichen der Unterdrückung der Frau." Nimmt man dies ernst und verbindet es mit der Leitkultur à la CSU, stellt sich die Frage: Müsste sich eine christlich-soziale Partei nicht um diese unterdrückten Frauen kümmern, die Opfer des Islam sind? Die CSU aber empfiehlt bloß: "Wer auf Burka und Niqab nicht verzichten möchte, sollte sich ein anderes Land aussuchen." Stört Unterdrückung nicht mehr, wenn sie aus dem eigenen Blickfeld ist?

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