Flüchtlinge:Schnelle Abfertigung

Albanian and Kosovo refugees enter an airplane to Tirana and Prishtina at Munich airport

Asylbewerber aus Albanien und dem Kosovo besteigen am Münchner Flughafen eine Maschine, die sie zurück in ihre Herkunftsländer bringt.

(Foto: REUTERS)
  • Das Präsidium des Deutschen Landkreistages hat die Bundesregierung dazu aufgerufen, den weiteren Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen.
  • Frank-Jürgen Weise, der neue Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) beklagte, dass es keinen guten Überblick darüber, wie viele Menschen derzeit nach Deutschland kämen.
  • Bundesinnenminister de Maizière befürwortet die Idee, Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern direkt nach ihrer Ankunft abzufange und für die gesamte Dauer ihres Verfahrens in geschlossenen Flüchtlingsunterkünften unterzubringen und schnellstmöglich zurückzuschicken.

Von Stefan Braun, Berlin

Die Bewältigung der Flüchtlingskrise stellt Kommunen und Landkreise offenbar vor immer schwierigere Aufgaben. Aus diesem Grund rief das Präsidium des Deutschen Landkreistages die Bundesregierung nun dazu auf, den weiteren Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen. Der Präsident des Landkreistages, Reinhard Sager, erklärte am Mittwoch, noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg sei Deutschland mit einer so hohen Zahl von Flüchtlingen konfrontiert worden. Deshalb würden die Sorgen immer größer, so Sager. Die vorübergehende Einführung von Grenzkontrollen sei zwar ein wichtiges und dringend erforderliches Signal gewesen, um Flüchtlingen und der EU zu zeigen, dass Deutschland "nicht alle Flüchtlinge aufnehmen kann". Es zeige sich aber, dass das nicht ausgereicht habe. "Der Zuzug muss jetzt wirksam begrenzt werden", verlangte der Präsident des Landkreistages.

Wie sehr auch die Bundesregierung mit den Bedingungen kämpft, zeigte am Mittwoch der Auftritt von Frank-Jürgen Weise, dem neuen Leiter des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Weise beklagte in Nürnberg, dass die Flüchtlingssituation in Deutschland sehr unübersichtlich sei. Bislang gebe es keinen guten Überblick darüber, wie viele Menschen derzeit nach Deutschland kämen, wie sie verteilt und wo sie wie ihre Asylanträge stellen würden. Nach aktuellen Schätzungen seien inzwischen gut 290 000 Menschen in Deutschland, die noch nicht registriert worden seien, erklärte Weise, der erst vor wenigen Tagen zum neuen Chef des Bamf ernannt worden war.

Angesichts der Tatsache, dass derzeit rund 10 000 Menschen täglich nach Deutschland kommen, dürfte auch die Schätzung des Bundesinnenministeriums für das Gesamtjahr kaum mehr aufrecht zu erhalten sein. Mitte August hatte Innenminister Thomas de Maizière erklärt, die Bundesregierung gehe für 2015 von insgesamt rund 800 000 Flüchtlingen aus. Mittlerweile reichen die Schätzungen intern schon an die eine Million heran. Allein in den ersten beiden Septemberwochen waren gut 170 000 Menschen gekommen, das sind in ungefähr so viele wie im gesamten Jahr 2014.

Angesichts dieser Zahlen werden die Forderungen immer lauter, abgelehnte Asylbewerber schneller als bisher wieder nach Hause zu schicken. Dabei gehen die Schätzungen darüber, wie viele abgelehnte Asylbewerber es gibt, weit auseinander. Während der Landkreistag am Mittwoch von rund 50 000 sprach, gehen andere Quellen von zwei- bis dreimal so vielen Flüchtlingen aus, deren Antrag und Widerspruch vor Gericht abgelehnt wurde. Allerdings kann es auch in diesem Fall gute Gründe geben, diese Menschen nicht zurückzuschicken, unter anderem weil ihnen dort trotzdem Gefahr droht oder ihr Heimatland es ablehnt, sie wieder aufzunehmen.

Pro Asyl kritisiert das so genannte Flughafenverfahren

Trotz der erst am Dienstag vom Bundeskabinett beschlossenen Verschärfungen beim Asylrecht geht die Debatte um weitere Maßnahmen zur besseren Registrierung von Flüchtlingen und zur schnelleren Rückführung abgelehnter Asylbewerber weiter. Bundesinnenminister de Maizière befürwortete am Mittwoch die Idee, das so genannte Flughafenverfahren auf neu zu schaffende Asylzentren an den Grenzen zu übertragen. Damit verbindet der CDU-Politiker offenbar die Hoffnung, Flüchtlinge künftig schon unmittelbar nach ihrer Einreise in solchen Zentren zu sammeln und offensichtlich unbegründete Asylanträge in einem schnellen Verfahren abzulehnen. De Maizière sagte im Inforadio Berlin-Brandenburg, er sehe gute Möglichkeiten, den Mechanismus auch an Deutschlands Außengrenzen anzuwenden.

Das 1993 eingeführte Verfahren trägt den Namen Flughafenverfahren, weil es bislang nur an Flughäfen angewandt wird. Es dient den Behörden vor allem dazu, die Verfahren zu beschleunigen, indem Flüchtlinge, die aus einem sicheren Herkunftsland, einem sicheren Drittstaat oder ohne gültige Papiere nach Deutschland kommen, möglichst schnell wieder zurückgeschickt werden. Sie werden am Flughafen direkt nach ihrer Ankunft abgefangen und für die gesamte Dauer ihres Verfahrens in geschlossenen Flüchtlingsunterkünften auf dem Flughafen untergebracht. Kritiker wie Pro Asyl lehnen das Verfahren strikt ab, weil sie die Rechte der Asylbewerber massiv beschnitten sehen. De Maizière erklärte nun: "Wenn wir jede umstrittene Maßnahme fallen lassen, weil sie umstritten ist, kommen wir nicht voran."

Kritisch betrachtet wird der neue Vorstoß allerdings nicht nur von Flüchtlingsorganisationen. Auch in den eigenen Reihen gibt es Zweifel, ob die Idee wirklich sinnvoll ist. Selbst Innenpolitiker der Unionsfraktion verweisen auf Deutschlands offene Grenzen und befürchten, dass die Flüchtlinge immer Mittel und Wege finden würden, um derartige Transitzonen zu umgehen.

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