Flüchtlinge:Österreich kann Flüchtlinge per Notverordnung abweisen

Austrian border in Spielfeld

Österreichische Soldaten in Spielfeld, in der Nähe der Grenze zu Slowenien.

(Foto: dpa)
  • Österreichs Parlament hat das Asylrecht verschärft.
  • Wenn der "Notstand" in Kraft gesetzt wird, kann das Land künftig fast alle Flüchtlinge schon an der Grenze abweisen.
  • Die Regierung argumentiert, dass die Funktionsfähigkeit des Staates beeinträchtigt werden könne, wenn erneut so viele Flüchtlinge ins Land kommen wie 2015.
  • Grüne und Neos sprechen von einer "rechtlich abenteuerlichen Konstruktion".

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Das österreichische Parlament hat am Mittwoch eine Verschärfung des Asylrechts beschlossen. Dadurch soll künftig nur noch wenigen Flüchtlingen, die als besonders gefährdet gelten, das Recht auf ein Asylverfahren in Österreich zugestanden werden.

Alle anderen Anträge sollen schon an der Grenze abgelehnt werden können; den Flüchtlingen, die nicht nachweisen können, dass sie von Folter bedroht sind oder ihre Familie in Österreich haben, würde dann die Einreise verweigert. Voraussetzung dafür wäre aber, dass die Regierung eine Gefährdung der inneren Sicherheit und der öffentlichen Ordnung - und damit einen Notstand - feststellt.

Diese sogenannte Notstandsverordnung soll, wenn sie verhängt wird, erst einmal für sechs Monate gelten, aber insgesamt drei Mal verlängert werden können. Parallel dazu stand im Nationalrat auch eine Befristung des Asylrechts, das "Asyl auf Zeit", sowie die Beschränkung des Rechts auf Familienzusammenführung auf der Tagesordnung.

Neben den Abgeordneten der rot-schwarzen Regierungskoalition, welche die Vorlage befürwortet hatte, stimmte auch das Team Stronach mit Ja. Nur vier Abgeordnete der SPÖ stellten sich mit einem Nein gegen das bei den Sozialdemokraten umstrittene Gesetz.

Wie die Regierung das Gesetz begründet

Die Koalitionspartner SPÖ und ÖVP argumentieren, es handele sich um eine "Notwehrmaßnahme", da das Land nicht noch einmal, wie 2015, etwa 90 000 Flüchtlinge aufnehmen könne. Angesichts der auch für dieses Jahr zu erwartenden Flüchtlingszahlen sei ein Notstand dadurch gegeben, dass bei einer weiteren Aufnahme von Flüchtlingen Arbeitsmarkt, Bildungssystem und Wohnungsmarkt überlastet seien.

Die "Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der staatlichen Einrichtungen und öffentlichen Dienste" sei "sehr wahrscheinlich". Auch die EU-Kommission habe in der Migrationskrise eine "Gefahr für die öffentliche Ordnung" erkannt, daher sehe man sich im Recht, radikale nationale Maßnahmen zu beschließen.

Grüne und Neos kündigen Verfassungsklage an

Grüne und die liberale Partei Neos bezeichnen die geplante Notstandsverordnung als Verstoß gegen die Genfer Flüchtlingskonvention. Sie kündigten Verfassungsklage an. Im Kern bedeute die Berufung auf einen "herbeigeredeten Notstand" die "Abschaffung des Rechts auf Asyl in Österreich". Die Bundesregierung erledige mit dieser "rechtlich abenteuerlichen Konstruktion" das "Geschäft der FPÖ".

Den Rechtspopulisten wiederum geht das Gesetz nicht weit genug, sie bezeichnen es als "Placebo", mit dem man die aktuelle "Völkerwanderung" nicht bekämpfen könne.

Das Gesetz, das die Regierung in sehr kurzer Zeit durch Ausschüsse und Anhörungen gepeitscht hat, soll den Druck von SPÖ und ÖVP nehmen, die sich angesichts des schlechten Ergebnisses ihrer Kandidaten bei der Bundespräsidentenwahl dem Vorwurf ausgesetzt sehen, sie täten nicht genug, um Flüchtlinge von Österreich fernzuhalten. Kritiker von der katholischen Kirche über Pro Asyl bis zu den Vereinten Nationen halten das Vorgehen aber für völkerrechtswidrig.

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