Flüchtlinge:Merkels heikler Auftritt bei der CSU

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Beim CSU-Parteitag am Wochenende könnte es zum Streit auf offener Bühne kommen: Angela Merkel und Horst Seehofer. (Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Der CSU-Parteivorstand fordert eine feste Obergrenze für Bürgerkriegsflüchtlinge.
  • Auf dem Parteitag der CSU am Wochenende dürfte dieser Forderung zugestimmt werden.
  • Im Anschluss daran soll die Kanzlerin reden - obwohl sie entschieden gegen eine solche Obergrenze ist. Das bringt sie in eine Zwickmühle.

Von Cerstin Gammelin und Daniela Kuhr, München/Belek

Die CSU unternimmt einen neuen Vorstoß, um eine restriktive Flüchtlingspolitik durchzusetzen. Der Parteivorstand beschloss am Montag einen entsprechenden Leitantrag für den Parteitag am Wochenende, an dem auch Bundeskanzlerin Angela Merkel als Gast teilnehmen wird. In dem Antrag verlangt die CSU, für Deutschland und insgesamt die EU feste Obergrenzen für die Zahl der Bürgerkriegsflüchtlinge zu definieren. Bereits "für nächstes Jahr" solle die Bundesrepublik "ein Kontingent entsprechend seiner leistbaren Kapazitäten festlegen", heißt es dort. Das Land könne "die Flüchtlingsströme der Welt nicht allein schultern". Die CSU besteht zudem auf der Kontrolle aller Einreisenden an den Grenzen. Den Familiennachzug wollen die Christsozialen "im größtmöglichen Umfang aussetzen". Zahlen für mögliche Obergrenzen nennt der Leitantrag allerdings nicht. Dass die rund 1000 Delegierten den Antrag annehmen, gilt als sicher.

Die CDU-Chefin setzt lieber auf EU-weite Kontingente und Verhandlungen mit der Türkei

Damit spitzt sich die Auseinandersetzung innerhalb der Unionsparteien um die richtige Flüchtlingspolitik weiter zu. Merkel lehnt eine von Deutschland festgelegte Obergrenze für Flüchtlinge bislang ab. Das Grundgesetz kenne für Asylbewerber eine solche Grenze nicht, argumentiert die CDU-Chefin. Am Rand des G-20-Gipfeltreffens im türkischen Belek machte sie deutlich, dass aus ihrer Sicht Deutschland nicht einseitig eine Obergrenze beschließen kann. Stattdessen sollten die Europäische Union und die Türkei Kontingente festlegen und den Schutz der Außengrenzen wieder sichern. "Wenn wir vorankommen wollen, müssen wir die illegale Migration möglichst beenden", sagte Merkel. Mit der Türkei müsse darüber gesprochen werden, welche Zahl von Flüchtlingen man aufnehmen "und dann europaweit verteilen" könne, sagte die Kanzlerin; "da liegt sicher noch eine große Zahl von Diskussionen innerhalb der Europäischen Union vor uns".

Am Freitag könnte der Familienstreit in der Union auf offener Bühne stattfinden

Merkel forcierte bei dem G20-Treffen in Belek deshalb ihre Bemühungen, mit der Türkei ein Flüchtlingsabkommen zu vereinbaren. Die Verhandlungen über das türkische Flüchtlingsabkommen seien gut vorangekommen, hieß es aus EU-Kreisen. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker wollte am Montagnachmittag den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan treffen. Vorgesehen ist, dass am 29. November ein EU-Türkei-Gipfel in Brüssel stattfinden soll. Bei diesem Treffen soll ein Finanztopf für Flüchtlinge in der Türkei vereinbart und mit drei Milliarden Euro ausgestattet werden. Das Geld soll bereits vom 1. Januar 2016 an eingesetzt werden können, um die Lebensbedingungen von Flüchtlingen in der Türkei zu verbessern.

Die dafür erforderlichen Schritte sind bereits recht konkret gefasst: Die Türkei soll zum Beispiel ihren Arbeitsmarkt für Flüchtlinge öffnen und ein Gesetz verabschieden, das es ihnen erlaubt, eine Arbeit aufzunehmen. Die Türkei soll sich außerdem verpflichten, Flüchtlinge an der Grenze abzufangen und ins Land zurückzuholen sowie die bestehenden Rücknahmeabkommen mit Griechenland, Rumänien und Bulgarien zu erfüllen. Im Gegenzug will sich die EU bereit erklären, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zu forcieren. Unter anderem sind Gespräche über die Themenfelder Energie, Wirtschaft und Grundwerte geplant. Angela Merkel kündigte zudem an, dass Deutschland die G-20-Präsidentschaft im Jahr 2017 übernehmen wird. Wo und wann das Treffen der Staats- und Regierungschefs stattfinden soll, ist allerdings noch nicht beschlossen.

Doch erst einmal muss die Kanzlerin den heiklen Auftritt bei der CSU am Freitag hinter sich bringen. Ihre Gastrede steht erst nach der Abstimmung über den Leitantrag auf dem Programm - kritisiert sie die CSU zu scharf, findet der Familienstreit in der Union auf offener Bühne vor unfreundlichem Publikum statt, meidet sie Kritik, wird CSU-Chef Horst Seehofer dies als Zustimmung zu seiner Linie werten.

© SZ vom 17.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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