Flüchtlinge:Lasten und Listen

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Wie Flüchtlinge aus Bayern auf die Bundesländer verteilt werden (Foto: SZ-Grafik)

Nicht alle Bundesländer nehmen so viele Flüchtlinge auf, wie sie laut Königsteiner Schlüssel sollten. Die Hauptlast trägt Bayern - diesen Schluss lässt eine bislang geheime Liste der Bundesregierung zu.

Von Stefan Braun, Berlin/München

Eigentlich sprechen Zahlen eine klare Sprache. Eins plus eins macht zwei - daran lässt sich nicht rütteln. Da gibt es nichts zwischen den Zeilen. Bei den aktuellen Flüchtlingszahlen ist das anders. Denn aktuell kann niemand mit Gewissheit sagen, wie viele Menschen in diesem Jahr schon als Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Deshalb ist auch nicht klar, ob sich die Bundesländer die Lasten der Aufnahme wirklich fair teilen.

Seitdem Anfang September täglich mehr als 10 000 Menschen kamen, ist die Verteilung in der Not ohne Registrierung durchgeführt worden. Erste Frage war in dieser Phase nicht: Wer bist du? Erste Frage war: Wo haben wir für diese Familie oder jenen Flüchtling noch ein Dach über dem Kopf? Zu weiterer Verwirrung haben viele Flüchtlinge selbst beigetragen. Manche Züge sind mit 500 Flüchtlingen in Bayern gestartet, aber am Ende nur noch mit 200 in Hannover oder Dortmund angekommen, weil die Menschen den Zug anhielten, um selbständig dorthin zu gelangen, wo sie hinwollten.

Ergebnis ist, dass man zwar weiß, wie viele Menschen bis August in Deutschland einen Asylantrag stellten (gut 300 000). Klar ist außerdem, dass 570 000 bis Ende September erstmals registriert wurden. Doch weil zwischen 100 000 und 200 000 Menschen noch nicht mal erfasst sind, bleibt alles unpräzise. Zu guter Letzt mangelt es nach wie vor am Datenaustausch zwischen Bund und Ländern. Die Folge: Niemand kann sagen, ob manche Flüchtlinge zweimal registriert wurden.

Damit ist auch die Frage, ob die Lasten zwischen den Bundesländern fair verteilt sind, nicht abschließend zu klären. Einen Anhaltspunkt immerhin bietet eine aktuelle und bislang geheime Liste der Bundesregierung. Sie listet auf, wie viele Flüchtlinge zwischen dem 5. September und dem 8. Oktober in Bayern ankamen - und wie viele davon auf welches Bundesland weiterverteilt wurden (siehe Grafik). Die Liste zeigt, dass Bayern die Hauptlast trägt und andere Länder teilweise erheblich unter ihrem Soll liegen. Von den 210 000 Menschen, die in dem Zeitraum kamen, hat Bayern 71 000 aufgenommen. Das sind mehr als doppelt so viele, wie das Land nach dem Königsteiner Schlüssel nehmen müsste. Er regelt seit 1949 die Lastenverteilung zwischen den Ländern. Weit unter ihren Pflichten liegen Niedersachsen und Baden-Württemberg. Niedersachsen allein müsste knapp 20 000 aufnehmen, tatsächlich waren es 11 000. In Baden-Württemberg müssten es 25 000 sein, tatsächlich sind es gut 17 000. Auch wenn die Zahlen nur einen Ausschnitt zeigen - dass sie in Bayern für Verdruss sorgen, sollte niemanden überraschen.

© SZ vom 10.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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