Flüchtlinge:Jenseits von Dublin

Lesezeit: 2 min

Ankunft in Sizilien: Nach EU-Plänen sollen Asylverfahren kürzer und straffer werden. (Foto: Antonio Parrinello/Reuters)

Die EU-Kommission schlägt härtere und schnellere Asylverfahren vor - Kritik kommt aus dem Parlament.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Die EU geht einen Schritt weiter in Richtung auf ein gemeinsames Asylsystem. Die EU-Kommission präsentierte am Mittwoch in Brüssel Vorschläge, wie Standards und Verfahren im Asylbereich künftig europaweit vereinheitlicht werden sollten. Ein zentrales Ziel ist, Missbrauch zu bekämpfen. So sollen Asylbewerber davon abgehalten werden, sich die für sie günstigsten Bedingungen in einem europäischen Land auszusuchen. Ihnen werden einige zusätzliche Rechte gewährt, vor allem aber mehr Pflichten auferlegt. Die Vorschläge stellen den zweiten und letzten Teil eines größeren Reformpakets dar, mit dem die EU unter anderem auf die akute Flüchtlingskrise reagiert. Im Mai hatte die Kommission ihre Ideen für eine Änderung des Dublin-Systems zur Erstaufnahme von Flüchtlingen skizziert.

Nirgends würden Asylbewerber besser als in Europa behandelt, sagte EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos. Aber es gebe eben nur Mindeststandards und starke Abweichungen von Land zu Land, was einerseits ungerecht sei, vor allem aber die "sekundäre Migration" befördere, die Suche nach besseren Chancen. "Deshalb wollen wir nicht nur minimale, sondern feste, faire Standards setzen", sagte Avramopoulos. Seine Behörde schlägt vor, die bestehenden Richtlinien zu den Asylverfahren und zur Anerkennung von Flüchtlingen durch Verordnungen zu ersetzen. Während Richtlinien lediglich Vorgaben machen, die die nationalen Gesetzgeber nicht eins zu eins umsetzen müssen, sind Verordnungen unmittelbar geltendes, für alle gleiches Recht.

Die Asylverfahren sollen gekürzt und gestrafft werden. Die Erstentscheidung über einen Antrag soll weiterhin nach höchstens sechs Monaten fallen, doch gelten deutlich kürzere Fristen, wenn Anträge unbegründet oder unzulässig sind. Während des gesamten Verfahrens, statt erst nach einem Einspruch, sollen Asylbewerber kostenlosen Rechtsbeistand erhalten. Unbegleiteten Minderjährigen soll gleich nach Antragstellung ein Vormund zugewiesen werden. Wer nicht kooperiert, die Identität verschleiert oder das Land verlässt, wird hart bestraft: Sein Antrag gilt als "implizit zurückgezogen" und wird im "beschleunigten Verfahren" behandelt. Die national unterschiedlichen Listen sicherer Herkunfts- oder Drittstaaten, die eine leichtere Zurückweisung von Anträgen ermöglichen, sollen innerhalb von fünf Jahren durch europäische Listen ersetzt werden.

Auch die Regeln zur Frage, welche Personen wie lange Schutz in der EU genießen, will die Kommission vereinheitlichen. Schutz soll nur so lange wie nötig gewährt werden. Der Status wird regelmäßig überprüft; ändert sich die Lage im Herkunftsland, kann das Recht entzogen werden. Ein anerkannter Asylbewerber, der sich unerlaubt entfernt, muss länger als fünf Jahre auf eine langfristige Aufenthaltserlaubnis warten. Die Aufnahmebedingungen will die Kommission nicht harmonisieren, hier macht sie nur Vorschläge. So sollen Asylbewerber sechs statt neun Monate nach Einreichung ihres Antrags Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten; ist der Antrag "wahrscheinlich begründet", soll es nur drei Monate dauern.

Der Plan der Kommission geht nun ins Europaparlament und in den Rat der Mitgliedstaaten, wo über die ausgehandelte Version schließlich mit qualifizierter Mehrheit entschieden wird. EU-Abgeordnete kritisierten die Pläne. "Abschreckung und Sanktionen sollen zur Leitlinie des gemeinsamen europäischen Asylsystems werden", erklärte Ska Keller (Grüne). Sekundärmigration mit Hilfe von Strafen verhindern zu wollen werde kaum helfen, so Birgit Sippel (SPD): "Wir riskieren, Schutzbedürftige ihrer Grundrechte zu berauben."

Stärker vereinheitlichen will die Kommission auch die Überführung von Schutzbedürftigen aus den Krisenregionen direkt nach Europa. Statt von "Umsiedlung" spricht sie nun von "Neuansiedlung". Dazu soll künftig ein jährlicher Plan erstellt werden, basierend auf freiwilligen Zusagen der Mitgliedstaaten. Im Rahmen des Deals mit der Türkei wurden bisher 802 syrische Flüchtlinge nach Europa gebracht. Bei der Umverteilung von Flüchtlingen gibt es einen kleinen Fortschritt. Bisher wurden 3056 Flüchtlinge von Griechenland und Italien in andere EU-Staaten gebracht. Allerdings stockt ausgerechnet die Umverteilung aus Italien, wo jetzt viel mehr Flüchtlinge ankommen.

© SZ vom 14.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: