Flüchtlinge:Fünf für Seehofer

Der böse Streit in der Koalition um die Flüchtlingspolitik mag fürs Erste beigelegt sein. Doch die Probleme wurden keineswegs gelöst. Das Klima in Deutschland bleibt vergiftet - und ein gefährliches Vorurteil wurde bestätigt.

Von Ferdos Forudastan

Man muss Horst Seehofer fast dankbar sein. Der Bundesinnenminister und CSU-Chef hat wertvolle Hilfe dabei geleistet, den vorerst letzten Akt im Asylstreit politisch einzuordnen. Dass Seehofer gerade mal gut zwölf Stunden nach der Einigung von Schwarz-Rot damit droht, den Streit über die Migration fortzusetzen, zeigt, worum es ihm vor allem geht: Darum, sich zu profilieren. Genauer: Darum, die CSU als Partei zu profilieren, die im Konkurrenzkampf mit der AfD und angesichts der nahenden Landtagswahl in Bayern immer wieder auf die Abwehr möglichst vieler Flüchtlinge setzen wird.

Die Abwehr von Flüchtlingen prägt auch den Geist des Kompromisses zwischen CDU, CSU und SPD. Ja, Asylsuchenden, die bereits in einem anderem Land Schutz beantragt haben, braucht Deutschland kein weiteres Verfahren zu gewähren. Aber diese Menschen 48 Stunden lang festzusetzen, ist fragwürdig. Fragwürdig ist, dass sie in dieser Zeit praktisch keine Rechtsmittel einlegen könnten. Fragwürdig ist, dass die Regierungsparteien für diese Regelung an der Grenze gelegene Unterkünfte auf deutschem Boden zum Niemandsland erklären wollen. Und auch Flüchtlinge, die anderswo in der EU nur registriert sind, hätten - und das in den umstrittenen sogenannten Ankerzentren - wohl einen Rechtsschutz zu erwarten, der diesen Namen kaum verdient.

Gewiss, was aus den Plänen praktisch folgt, ist unklar. So gibt es keine Anzeichen dafür, dass etwa Italien die Rücknahme von Flüchtlingen verspricht, die Deutschland loswerden will. Wien, das mitspielen muss, wenn hiesige Behörden Asylsuchende an der Grenze zu Österreich zurückweisen wollen, zeigt sich bisher unwillig. Und selbst wenn es irgendwann Abkommen mit diesen Ländern gibt: Etliche Flüchtlinge würden dann wohl über eine andere Grenze als die bayerische zu kommen versuchen.

Schon richtig, für das Klima zwischen den EU-Partnern ist es besser, dass die Koalitionäre auf Absprachen mit europäischen Nachbarn setzen, anstatt, wie die CSU es vorhatte, einseitig zu handeln. Einen ordentlichen Flüchtlingsschutz bedeutet diese von Deutschland geplante Zusammenarbeit aber noch nicht. Kein Zweifel, es wird helfen, ein wenig Druck aus der Flüchtlingsdebatte zu nehmen, dass die Koalitionäre sich auf Drängen der SPD zügig an ein Einwanderungsgesetz machen wollen. Aber auch so ein Regelwerk für den Zuzug von Fachkräften darf keine Rechtfertigung dafür sein, das Recht auf Asyl weiter zu beschneiden.

Der hässliche Streit zwischen CDU und CSU mag fürs Erste beigelegt sein. Was "fürs Erste" bedeutet, ist aber ungewiss. Gewiss dagegen ist, dass die vergangenen Wochen massiven Schaden angerichtet haben: Wegen etwa fünf Flüchtlingen am Tag - so groß ist die Gruppe, um die es bei den geplanten Zurückweisungen im Transitverfahren geht - haben vor allem die Christsozialen die Koalition an den Rand des Abgrunds getrieben. Die CSU hat die Kanzlerin vor sich hergeschubst, sie innerparteilich geschwächt, ihr Ansehen in Europa beschädigt. Der Streit hat den Blick darauf verstellt, dass die Zahl der Asylsuchenden massiv zurückgegangen ist. Und er hat das gefährliche Vorurteil bestätigt, dass Flüchtlinge Deutschlands größtes Problem seien.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: