Flüchtlinge fliehen aus Lager:"Freiheit, helfen Sie uns!"

Sie suchten Freiheit, Glück und Wohlstand - und fanden widrige Verhältnisse: Hunderte Afrikaner sind nun aus dem Flüchtlingslager Lampedusa geflohen.

Ihre Reise führte sie durch zahlreiche Länder, mehrere tausend Kilometer durch Wüste und Trockenheit. Am Ende ihrer Reise sind die vielen Flüchtlinge im Norden des afrikanischen Kontinents angekommen - der gelobte Kontinent Europa fast schon in Sichtweite. Viele dieser Menschen versuchen dann, über das Mittelmeer nach Spanien oder Italien zu gelangen - ein großer Teil davon wird von Behörden aufgefunden und in sogenannte Flüchtlingslager gebracht.

Flüchtlinge fliehen aus Lager: Flüchtlinge im Auffanglager Lampedusa: "Die Spannungen sind groß."

Flüchtlinge im Auffanglager Lampedusa: "Die Spannungen sind groß."

(Foto: Foto: Reuters)

Eines dieser Lager ist auf der Mittelmeerinsel Lampedusa, die etwa 200 Kilometer südlich von Sizilien liegt. Sie ist mittlerweile zum Hauptauflaufpunkt für Bootsflüchtlinge aus Afrika geworden - und dort sind nun rund 700 Menschen ausgebrochen, um gegen die neuen beschleunigen Abschiebeverfahren der italienischen Regierung zu demonstrieren. Sie strömten am Samstag zum Bürgermeisteramt und riefen "Freiheit, helfen Sie uns!", wie Bürgermeister Bernardino De Rubeis berichtete.

Die Flüchtlinge überwanden nach den Worten des Bürgermeisters die Zäune um das Auffanglager und marschierten in einem Protestzug zum Rathaus. "Die Spannungen sind groß", sagte Bürgermeister De Rubeis. Italiens Regierungschef Silvio Berlusconi forderte die Bevölkerung auf, ruhig zu bleiben. Die Lage sei unter Kontrolle, sagte Berlusconi. Die Flüchtlinge könnten keinen Schaden anrichten, da sie bei stürmischer See nirgendwo hin könnten.

Verängstigt sehen die Inselbewohner aber gar nicht aus - im Gegenteil. Sie solidarisierten sich sogar mit den Flüchtlingen. Einige von ihnen applaudierten und schlossen sich dem Protestzug an, berichtete der Bürgermeister. Am Freitag hatten 3000 der insgesamt 6000 Bewohner von Lampedusa gegen ein neu eröffnetes Identifikations- und Abschiebungszentrum auf der Insel demonstriert. Während die Bootsflüchtlinge bisher nach nur wenigen Tagen von Lampedusa auf das Festland gebracht wurden, hatte Italiens Innenminister Roberto Maroni angesichts der massiven Flüchtlingsströme direkte Rücktransporte von der Insel in die Herkunftsländer angekündigt.

Polizei hält sich zurück

Das Flüchtlingslager ist seit Tagen hoffnungslos überfüllt. Obwohl es nur für 850 Menschen ausgelegt ist, waren dort in den vergangenen Tagen zeitweise mehr als 1800 Menschen untergebracht. Am Samstag waren es noch 1300. Nach Angaben des UN-Flüchtlingswerks UNHCR müssen hunderte Flüchtlinge in dem Lager unter Plastikplanen im Freien schlafen.

Im vergangenen Jahr trafen dort nach Angaben des italienischen Innenministeriums knapp 31.700 Flüchtlinge ein und damit 75 Prozent mehr als im Vorjahr. Die zum Großteil aus Afrika stammenden Flüchtlinge fahren meist in nicht hochseetauglichen Booten über das Mittelmeer, um in die Europäische Union zu gelangen. Dabei kamen 2008 nach Schätzungen der Hilfsorganistion Fortress mindestens 1500 Menschen ums Leben.

Gegen Mittag kehrten die Demonstranten von Lampedusa, nachdem sie sich zunächst geweigert hatten, in das Flüchtlingszentrum zurück. Die Polizei beobachtete den Protestzug und hielt sich zurück.

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