Flüchtlinge:Ein Igel namens Europa

Die EU-Staaten rollen sich aus Angst vor den Flüchtlingen ein.

Von Stefan Kornelius

Es mangelt ja keineswegs an apokalyptischen Szenarien, was alles mit Europa passieren könnte, wenn der Flüchtlingszustrom weitergeht. Der EU-Ratspräsident sieht die Reisefreiheit kollabieren, der nächste den Binnenmarkt, die Bundeskanzlerin sprach düster von einer Kriegsgefahr auf dem Balkan. Wolfgang Schäubles Lawine gehört da fast noch zu den gemäßigten Bildgleichnissen.

Die Staaten Europas behelfen sich in ihrer Not selbst, wo die EU als Gemeinschaft nicht hilft. Viktor Orbán handelt nach dieser Logik für sein Ungarn, die Slowenen rollen auf dieser Basis Stacheldraht aus, und die Spanier fangen vor der marokkanischen Küste jedes verdächtige Boot ab, um es zurück an die Stände Afrikas zu eskortieren.

Nun also hat Schweden als Musterland der europäischen Großherzigkeit Grenzkontrollen eingeführt. Das bedeutet noch lange nicht, dass Schweden auch Flüchtlinge zurückweist. Entscheidend ist aber die Richtung dieser Dynamik. Europa rollt sich zusammen. Rings um Deutschland entstehen Fluchtbehinderungsbarrieren. Es wird nicht mehr lange dauern, bis es wieder zu hässlichen Szenen an diesen Barrieren kommt. Anders als vor drei Monaten wird der humanitäre Impuls dann nicht mehr so stark pochen. Es stünde in der Macht der EU, diese Radikalisierung zu verhindern. Das Treffen in Valetta aber hat gezeigt, dass die Gemeinschaft diese Macht nicht entfaltet.

© SZ vom 13.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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