Flüchtlinge:Das Ende der Papierakten

BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge

Künftig öfter am Computer: Eine Bamf-Mitarbeiterin sitzt im Jahr 2015 noch vor vollen Aktenregalen.

(Foto: Pedersen/dpa)

Asylverfahren sollen endlich schneller und effizienter werden: Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge arbeitet daher in einem IT-Labor an der Digitalisierung.

Von Thomas Öchsner, Berlin

Die Zentrale des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge in Nürnberg (Bamf) ist ein monumentaler Nazi-Bau, den einst die Waffen-SS nutzte. Draußen wachen Pförtner darüber, dass kein ungebetener Besucher hereinkommt. Drinnen reiht sich in den langen, dunklen Fluren Zimmer an Zimmer. Es gibt schönere Orte zum Arbeiten. Doch mitten in dieser Riesenbehörde gibt es eine Art Enklave, das IT-Labor, dessen Arbeitsatmosphäre an ein Start-up erinnert. Jugendliche der Nürnberger Graffiti-Akademie haben die Wände besprüht, eine bunte Collage mit Friedenszeichen, roten Herzchen, Figuren, die sich die Hand geben. Mitarbeiter mit Laptops auf den Knien reden über Projekte. Ein Kicker-Tisch fehlt auch nicht.

"Wir haben hier exzellente Bedingungen für kluge Köpfe geschaffen", sagt Markus Richter, Abteilungsleiter Infrastruktur und Informationstechnologie im Bundesamt. Richter leitet ein Team von 40 Mitarbeitern, das man in einer solchen Behörde nicht gerade vermutet hätte. Nachdem 2015 und 2016 immer mehr Flüchtlinge in Deutschland Rettung suchten, war klar: Mit den Asylverfahren kann man im Bamf nicht so wie bisher weitermachen, alles muss schneller und einfacher gehen. Seitdem arbeitet Richters Team an der "Digitalisierungsagenda 2020". Das Bamf soll, so steht es in der eigenen Werbebroschüre, eine agile und moderne Behörde werden, "die schnell und flexibel auf sich ändernde Anforderungen reagieren kann".

Klingt gut, aber verbirgt sich dahinter mehr als Marketing? Gerade war das Bamf ja in Misskredit geraten durch den terrorverdächtigen Bundeswehrsoldaten Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgeben konnte. Und ist das Bundesamt nicht die Behörde der Aktenberge, die sich immer noch schwertut, Altfälle schneller abzubauen? IT-Experte Richter sagt dazu ganz lapidar: Klar, die Altfälle gebe es. "Aber Papierakten, die sich auf Schreibtischen stapeln, gibt es hier nicht mehr."

Die elektronische Akte ist bereits Standard, auch in den Außenstellen des Amtes. Asyl-Akten werden eingescannt, die Papierunterlagen nach einer 14-tägigen Sicherungsfrist vernichtet, mit Ausnahme von Pässen oder Ausweisen. Inzwischen läuft auch der Großteil des Versands an die Verwaltungsgerichte auf dem papierlosen Weg. 44 von 48 Gerichten nutzen das Verfahren, das nun auch umgekehrt läuft: Die Mehrheit der Verwaltungsgerichte schickt die Post ebenfalls elektronisch ans Bamf.

"Unser System ist sogar so intelligent, dass die Einsendungen der Verwaltungsgerichte automatisch an die zuständigen Mitarbeiter gehen. Dafür muss keiner mehr stundenlang hin- und herklicken, um die Post elektronisch zu verteilen", sagt Richter. Auch andere Behörden wie die kommunalen Träger, die Leistungen für Asylbewerber auszahlen, kommunizieren mit dem Bundesamt zunehmend elektronisch, etwa auch bei Anträgen für Integrationskurse. Das senke die Wartezeiten und die Gefahr von Missbrauch, heißt es im Bamf.

Richters Team arbeitet inzwischen an mehr als 30 IT-Projekten. Schon 2016 ist das Bamf hier deutlich vorangekommen. Die Stammdaten von Asylbewerbern werden in einem Kerndatensystem erfasst. In den Außenstellen lassen sich per Fingerabdruck vorhandene Daten eines Antragstellers in Sekundenschnelle finden.

Erprobt werden derzeit neue Systeme für die Analyse ausländischer Namensschreibweisen. Mit einer Software lässt sich der gesprochene Dialekt von Asylbewerbern geografisch so verorten, dass sich zumindest die Herkunftsregion des Asylbewerbers besser einordnen lässt. Eingespeist sind bereits 22 Sprachen beziehungsweise Dialekte, darunter vier arabische. Die Entwickler testen außerdem Systeme, mit denen sich Handydaten wie Fotos oder Spracheinstellungen auswerten lassen. So lässt sich prüfen, ob Asylsuchende ihre Identität richtig angegeben haben.

"Wir haben für das Bundesamt eine komplett neue Welt erschaffen", sagt Richter. Andere Behörden in Deutschland hätten schon angefragt, wie sie vom Bamf lernen könnten.

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