Flüchtlinge:Berlin mahnt Juncker zur Eile

Der Brüsseler Gipfel beschließt, 100 000 Plätze für Flüchtlinge auf der Balkanroute zu schaffen. Der deutsche Entwicklungsminister Müller (CSU) fordert von der EU, sie müsse nun rasch handeln.

Von Thomas Kirchner und Stefan Braun, Berlin/Brüssel

Nach den Beschlüssen des Balkan-Flüchtlingsgipfels in Brüssel, an dem Kanzlerin Angela Merkel teilgenommen hatte, mahnt die Bundesregierung zur Eile. Der deutsche Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte, die Entscheidungen vom Abend zuvor dürften nicht lange nur auf dem Papier stehen. Sie müssten nun sehr schnell umgesetzt werden. Nur dann würden sie in der angespannten Lage die erhoffte Linderung bewirken, sagte Müller im Südwestrundfunk. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei gefordert, die Koordinierung beim Bau der angekündigten 100 000 Aufnahmeplätze entlang der sogenannten Balkanroute zu übernehmen. Müller warnte, dem jetzt gesteckten Ziel dürfe nicht das gleiche Schicksal widerfahren wie dem Plan, in der EU 120 000 Flüchtlinge zu verteilen. Davon seien bis heute 900 verteilt worden.

Zurückhaltend äußerte sich auch Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). Er räumte ein, dass es sich nur um einen ersten Schritt zur Bewältigung der Krise handele. Allerdings sei dieser unerlässlich gewesen, um wieder Ordnung in die Flüchtlingsströme zu bringen. Ähnlich hatte sich zuvor die Kanzlerin über das Ergebnis des Treffens geäußert. Dieses sei nur ein "Baustein" zur Lösung der Krise, dem weitere folgen müssten.

Acht EU-Länder sowie Serbien, Mazedonien und Albanien hatten sich in der Nacht zum Montag auf einen 17-Punkte-Plan verständigt, mit dem den notleidenden Flüchtlingen auf dem Balkan kurzfristig geholfen und aus dem Chaos eine besser kontrollierte Aktion werden soll. Entlang der Route von Griechenland bis Österreich sollen 100 000 Plätze für Flüchtlinge entstehen. 50 000 Plätze will Griechenland schaffen, davon 30 000 bis zum Jahresende. Wo die restlichen 50 000 entstehen sollen, ist noch offen. Die Länder sagten außerdem zu, Flüchtlinge möglichst nicht mehr ohne vorherige Benachrichtigung des Nachbarstaates weiterzuleiten und ihnen angesichts des bevorstehenden Winters genügend Unterkünfte und Nahrung zur Verfügung zu stellen. In Slowenien, das mit dem Ansturm auf seine Grenze überfordert ist, sollen 400 Polizisten aushelfen. Der Einigung war eine kontroverse Aussprache vorausgegangen, bei der sich die Staaten gegenseitig für die Missstände auf dem Balkan die Schuld gaben. Die EU-Kommission betonte als Gastgeberin des Treffens, es sei wichtig, dass sich alle endlich an einen Tisch gesetzt hätten.

Unterdessen verschärft sich die Lage an den niederbayerischen Grenzübergängen weiter. Rund 15 000 Flüchtlinge passierten am Wochenende in Bayern die Grenzen. In der Nacht zum Sonntag mussten erstmals mehrere Hundert Menschen die Nacht im Freien verbringen, etwa auf der Innbrücke bei Simbach. Vor allem die Behörden in Österreich wurden von der Entwicklung offenbar überrascht. Es gab keine Zelte und auch so gut wie keine Decken und Verpflegung. Zeitweise kamen Mitarbeiter des Malteser-Hilfsdienstes aus Deutschland, um Wartende zu versorgen.

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