Flüchtlinge auf der Balkanroute:"Es ist hart, aber ich schaffe das"

Sie haben es von ihrer Heimat bis nach Serbien geschafft und ziehen weiter: Was Menschen auf der Flucht erlebt haben, wohin sie wollen und wovon sie träumen.

Von Elisa Britzelmeier, Preševo

7 Bilder

Presevo

Quelle: Elisa Britzelmeier

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Wir Syrer wissen: Die Deutschen mögen uns! Deshalb ist Deutschland mein Ziel. Ich habe Freunde, die schon dort sind, die haben mir viel erzählt. Bevor man sich auf den Weg macht, erkundigt man sich. Über Skandinavien habe ich auch nachgedacht, aber es kostet unglaublich viel, nach Norwegen zu kommen, und die Schweden mögen uns Syrer nicht so. Ich hoffe sehr, dass es klappt mit Deutschland. Dort würde ich erst einmal die Sprache lernen. Man hat mir gesagt, dass das in acht oder neun Monaten zu schaffen ist. Bisher kann ich auf deutsch nur zählen: eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs ... und irgendwie so weiter.

In Syrien habe ich drei Jahre lang Business Administration studiert. Dann kamen die Flugzeuge und bombardierten meine Uni. Meine Noten können hoffentlich online übertragen werden - dann könnte ich bald meinen Abschluss machen. Sie haben gesagt, dass es in Deutschland relativ schnell geht mit einem Asylantrag. Das wäre super. Anderswo soll es mehr als ein Jahr dauern, und was mach ich denn da, soll ich in der Zeit etwa nur rumsitzen? Ich will was tun, ich will Sprachen lernen, ich will was erreichen. In der Türkei, wo ich ein Jahr lang war, durfte ich nicht arbeiten. Aber ich sollte viel Geld zahlen, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen. Wie soll das denn gehen, wenn ich nicht arbeiten darf? Es ist ein Teufelskreis. Also bin ich weiter, über Griechenland. Jetzt bin ich mit einer Gruppe von neun Leuten unterwegs, die ich in Mazedonien kennengelernt habe. Jeder findet Freunde auf dem Weg. Gerade haben wir uns in Serbien registriert, gleich geht es weiter nach Kroatien. Entschuldigung, ich muss los, hier kommt mein Bus.

Nizar, 25, aus Rakka, Syrien

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Quelle: Elisa Britzelmeier

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Zuerst hatte ich ja noch Glück. Ich habe in Aleppo Communications Engineering studiert, also alles Technische darüber, wie Satelliten, Antennen, Radar und so weiter funktionieren. Eigentlich muss man in Syrien ab 18 zur Armee, aber wenn man studiert, geht es später. Ich habe vor fast zwei Jahren meinen Abschluss gemacht, da war ich 24. Dann war es vorbei mit der Schonung, dann hätte ich zum Kämpfen gemusst. Entweder für Assad oder für die Freie Syrische Armee. Ich will aber nicht kämpfen. Ich will niemanden töten, ich mag kein Blut, ich halte das alles für falsch.

Also bin ich nach Ägypten. Dort war es nicht schlecht, aber spätestens seit Präsident al-Sisi an der Macht ist, fühlt man sich als Syrer alles andere als willkommen. Zurück konnte ich auch nicht. Stattdessen bin ich nach Istanbul gegangen, dort habe ich eineinhalb Jahre lang in der Textilindustrie gearbeitet. Eine ziemlich dämliche Arbeit, das ist nicht meins, aber ich brauchte das Geld. Alles lief schwarz, es war ein echter Ausbeuterladen. Wir haben 13 Stunden am Tag gearbeitet, frei hatten wir nur am Sonntag, und das alles für 400 Dollar im Monat. Dann habe ich mich wieder auf den Weg gemacht, über Griechenland und Mazedonien bis Serbien. Ich würde gerne nach Norwegen. Ich habe mich erkundigt, Oslo soll eine sehr gute Universität haben. Gerne würde ich da meinen Master machen. Ich war einer der besten an meiner Uni in Aleppo. Jetzt versuchen wir gerade, rauszufinden, ob wir besser mit dem Bus oder mit dem Zug nach Kroatien weiterfahren. Es ist hart, aber ich schaffe das. Wir können gern ein Foto machen, aber so sehe ich sonst nicht aus - ich bin gerade echt müde, sorry.

Saad al Ebrahim, 26, aus Aleppo, Syrien

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Quelle: Elisa Britzelmeier

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Wir sind als Familie unterwegs. Das bin ich, 19 Jahre alt, meine große Schwester mit ihrem Baby, meine kleine Schwester, mein Bruder, Mama und Papa. Ich würde gerne nach Dortmund. Dort habe ich schon einen Freund, dem gefällt es da. In Aleppo habe ich Chemie studiert, nur ein Jahr, dann ging es nicht mehr wegen des Krieges. In Deutschland würde ich gerne weiter studieren, Chemie finde ich wirklich sehr spannend.

Wir sind jetzt schon eine ganze Weile unterwegs, ich weiß gerade gar nicht mehr, wie lange. Von Syrien sind wir nach Antalya, in die Türkei. Dort stiegen wir in ein Boot nach Griechenland. Es war ein sehr kleines Boot und wir waren sehr viele Menschen. Manche sind ins Meer gefallen, so voll war es. Wir sind auf die griechische Insel Rhodos gefahren. Dann ging es für uns weiter nach Athen. Von Griechenland bis hier nach Serbien haben wir eine Woche gebraucht. In Griechenland war die Polizei gut zu uns, aber in Mazedonien war es furchtbar. Die haben uns angebrüllt. Der Zug, mit dem wir hier angekommen sind, war auch furchtbar. Es war sehr, sehr eng, ich konnte mich kaum bewegen.

Mayar Hajjo, 19, aus Aleppo, Syrien

Presevo

Quelle: Elisa Britzelmeier

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Bitte, ich möchte kein Foto von mir, aber ich habe eine Frage: Was denken die Leute in Deutschland über Flüchtlinge? Was denken sie über uns Syrer? Sind wir da nicht schon viel zu viele? Und die Afghanen? Ich mache mir Sorgen. Darum weiß ich auch noch nicht genau, wo es hingehen soll für mich. Vielleicht nach Schweden oder Norwegen. Gerade sind wir hier durch das Registrierungscamp durch, es hat nur eine Stunde gedauert, bis die Papiere fertig waren. Sie scheinen ganz gut organisiert zu sein in Serbien. Bei anderen Registrierungsstellen weiß man gar nicht, was passiert und wo man hin soll, man läuft sinnlos von einer Ecke zur anderen. Aber ich glaube, wir hatten hier in Preševo auch Glück. An anderen Tagen muss man ganz schön lang warten, habe ich gehört. Sie sagen, jetzt ist nur so wenig los, weil die Fährkapitäne in Griechenland streiken.

Gestern waren wir noch in Mazedonien. Wir sind in den Zug gestiegen, die Türen gingen zu, und dann saßen wir da erst mal drei Stunden. Niemand konnte rein oder raus und der Zug fuhr einfach nicht ab! Wir waren vielleicht 100 Leute in einem Waggon mit 15 Sitzplätzen. Und kalt war es auch, ich glaube, ich habe eine Erkältung davon bekommen. Jetzt müssen wir uns erst mal ausruhen.

Mohamed, heißt eigentlich anders, 25, aus Damaskus, Syrien

Presevo

Quelle: Elisa Britzelmeier

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Unsere Geschichte ist keine leichte. Ich komme aus Syrien, und ich habe meine Heimat nicht nur wegen des Krieges verlassen, sondern auch wegen meines Sohnes. Mohammad Nour ist elf Jahre alt und schwer krank. Er hat Neurofibromatose, eine Krankheit, die zu einer verzögerten geistigen Entwicklung und zu Hirntumoren führt. Er hört schlecht und sein Gleichgewichtssinn entwickelt sich nicht richtig. Hier, auf dem Attest steht, dass dringend ein chirurgischer Eingriff nötig wäre. Aber in Syrien ist das so gut wie unmöglich. Ich hoffe, dass ich in Europa bessere Ärzte für ihn finde.

Wir stehen hier schon eine Weile an, um uns in Serbien registrieren zu lassen, ich habe gehört, es kann mehrere Stunden dauern. Das ist in Ordnung, solange es dann weitergeht. Aber ob bald alles leichter wird, weiß ich nicht. Denn meine Frau ist noch in Syrien, bei meiner Mutter.

Hossein Abdul Karim, 45, aus Aleppo, Syrien

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Quelle: Elisa Britzelmeier

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Wenn ich mich fotografieren lasse, gibt das nur Probleme, bitte nicht. Ich habe gerade erfahren, dass ich wahrscheinlich noch ein paar Stunden lang auf meine Registrierung hier in Serbien warten muss. Die Schlange vor mir ist lang, die hinter mir auch, gerade wird es dunkel. Hoffentlich fahren noch Busse Richtung Kroatien, wenn ich durch bin.

Ich komme aus Daikundi in Afghanistan und bin ein Hazara. Wir sind eine Bevölkerungsgruppe, die von den anderen Afghanen immer unterdrückt wird. Ich bin Schiit, die meisten Afghanen sind dagegen Sunniten. Ich habe Angst. Die Taliban haben viele von uns getötet, die hätten auch mich getötet, wäre ich nicht weg. Ich bin mit meiner Mutter nach Iran geflohen. Aber auch da waren sie nicht gut zu uns. Die Iraner sind zwar auch überwiegend Schiiten, aber die schauen auf Hazara wie mich runter. Fünf Jahre lang habe ich gearbeitet, für einen iranischen Bauern, und ich habe 50 Dollar im Monat bekommen. Es tut mir leid, dass mein Englisch nicht besonders gut ist. Ich wäre in Iran gern in die Schule gegangen, aber das kostet zu viel. Meine Mutter ist noch dort, ohne Arbeit. Kein Land hilft mir. Auch hier muss ich leise sprechen, weil ich das Gefühl habe, dass die Syrer was gegen jeden haben, der aus Afghanistan kommt. Gerne würde ich nach Deutschland. Ich liebe Bayern München! Aber Frau Merkel hat gesagt, dass die Afghanen zurück in ihre Heimat müssen. Ich kann nicht zurück in meine Heimat. Das macht mich wütend und traurig. Wenn es mit Deutschland nicht klappt, probiere ich es in Schweden. Jetzt hängt alles von Frau Merkel ab.

Mohamad Amiri, 21, aus Daikundi, Afghanistan

Presevo

Quelle: Elisa Britzelmeier

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Ich bin 17 Jahre alt und komme aus Damaskus. Meine Eltern sind in Syrien. Wäre ich dort geblieben, müsste ich bald zur Armee. Im März werde ich 18. Aber ich hasse Krieg. Ich will keine Waffe tragen, egal auf welcher Seite, nicht bei Assad und nicht bei den Rebellen. Also bin ich los, in den Libanon. Dort war ich zwei Monate lang. Dann konnte ich ein Flugzeug in die Türkei nehmen.

Ich war allein unterwegs, bis ich dort Tarek getroffen habe. Tarek ist 30 und kommt auch aus Syrien, aus Latakia, das ist am Mittelmeer und sieht auf Fotos sehr schön aus. Er war schon mit zwanzig Leuten unterwegs, und sie haben mich gefragt, ob ich mich ihnen anschließe. Er organisiert und dolmetscht immer alles. Wir sagen zum Spaß immer schon, dass wir "Tarek's group" sind. Zusammen haben wir es bis hier nach Preševo geschafft. Ich würde gerne nach Holland. Da soll es sicher sein und alles gut funktionieren. Erst mal will ich die Sprache lernen und dann studieren. Was, weiß ich noch nicht. Hauptsache, im Frieden.

Adnan, heißt eigentlich anders, 17, aus Damaskus

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