Flucht nach Europa:Athen schickt 202 Flüchtlinge in die Türkei zurück

Erstmals wird der Pakt zwischen der Europäischen Union und der türkischen Regierung konkret: Im Gegenzug für die Rücknahme der Flüchtlinge kommen 32 Syrer nach Deutschland.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Das Flüchtlingsabkommen zwischen der Europäischen Union und der Türkei wird vereinbarungsgemäß umgesetzt. Griechenland begann am Montag damit, Migranten in die Türkei zurückzuschicken. Unter großen Sicherheitsvorkehrungen wurden am Morgen 202 Menschen auf den Inseln Lesbos und Chios zum türkischen Hafen Dikili eingeschifft. "Die Rückführungsoperation ist ordnungsgemäß durchgeführt worden", lobte in Brüssel ein Sprecher der EU-Kommission. Anders als befürchtet, sei es nicht zu Unruhen gekommen. Ebenfalls im Rahmen des Abkommens trafen 32 syrische Flüchtlinge aus der Türkei in Deutschland ein.

In dem Abkommen hatte sich Ankara am 18. März verpflichtet, alle Migranten, die seit dem 20. März von der Türkei kommend auf den griechischen Inseln eintreffen, zurückzunehmen. Im Gegenzug verpflichtete sich die EU, für jeden auf diese Weise zurückgeschickten Syrer einen Syrer auf legalem Wege direkt aus der Türkei aufzunehmen. Hierfür sagte die EU bis zu 72 000 Plätzen zu. Kritik an dem Abkommen wies die EU-Kommission am Montag erneut zurück. "Das Ziel ist es, gefährliche, unorganisierte, chaotische und irreguläre Migrationsströme im Einklang mit EU- und internationalem Recht zu ersetzen durch sichere, legale und humanitäre Pfade nach Europa für jene, die Anspruch auf internationalen Schutz haben", sagte der Sprecher.

Bei den am Montag zurückgeschickten Menschen handelt es sich nach Angaben der griechischen Regierung überwiegend um Pakistaner und Afghanen. Freiwillig seien auch zwei Syrer zurückgekehrt. Es handele sich um Menschen, die keinen Asylantrag gestellt haben. Griechenland hat zugesagt, vor der Rückführung alle Asylanträge mit Hilfe der EU individuell zu prüfen. Wegen der zunächst fehlenden Rechtsgrundlage verzögerte sich aber die Entsendung von 30 Richtern aus EU-Staaten nach Griechenland. Auch die Verstärkung der Grenzschutzagentur Frontex kommt langsamer als erhofft voran. Frontex hatte 1500 zusätzliche Beamte angefordert und hat nach Angaben der EU-Kommission bislang 702 Experten zugesagt bekommen. Vor Abschluss des Türkei-Deals waren bereits 674 Frontex-Beamte vor Ort. Griechenland hat seit dem 20. März 4000 Flüchtlinge auf den Inseln in Gewahrsam genommen. Insgesamt sollen in Griechenland 50 000 Migranten festsitzen.

In zwei Linienmaschinen aus Istanbul landeten am Montag sechs syrische Familien am Flughafen Hannover. Die 32 Frauen, Männer und Kinder waren vom Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) als besonders hilfsbedürftig ausgewählt worden. Sie wurden zunächst ins Lager Friedland bei Göttingen gebracht und sollten danach in Niedersachsen verteilt werden. Elf syrische Flüchtlinge wurden aus der Türkei nach Finnland gebracht. Am Dienstag sollte eine Gruppe von Syrern in die Niederlande geflogen werden.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am Montag telefonisch mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu über die Umsetzung der Flüchtlingsvereinbarung. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach in Berlin von einem "wichtigen Tag". Es gehe um den "Auftakt eines Prozesses, der unter voller Wahrung der Europa- wie auch völkerrechtlichen Vorgaben ablaufen wird", betonte er.

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