Flucht nach Deutschland:Exodus der Jungen

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Immer noch verlassen Tausende Afghanistan mit dem Ziel Deutschland. Doch es sind oft gar nicht die besonders Schutzbedürftigen.

Von Roland Preuss, München

Wie geht es den Afghanen? Wie entwickelt sich ihr Land? Eine Antwort auf diese Fragen geben die Zahlen der Flüchtlinge aus Afghanistan in den vergangenen Monaten und Jahren; sie sind ein guter Gradmesser für Chaos und Gewalt, aber auch für die Hoffnungen der Menschen, die sie mit der Abwanderung verbinden. Und die Flüchtlinge sind die Folgen, die im Alltag in Deutschland am stärksten zu spüren sind. Nach den Nachbarländern zählt Deutschland zu den beliebtesten Zielen. Den Höhepunkt registrierten die Behörden vergangenen November, als im sogenannten Easy-System fast 45 000 Afghanen als Neuankömmlinge erfasst wurden. Diesen März waren es immer noch gut 32 000. Zum Vergleich: Im ganzen Jahr 2014 hatten gerade einmal knapp 9700 Afghanen in der Bundesrepublik Asyl beantragt. Die Easy-Zahlen sind zwar mit Vorsicht zu genießen, denn es werden Flüchtlinge mitunter doppelt gezählt, manche auch gar nicht, doch sie sind eine gute Näherung. Klar ist: Es kommen viel mehr Afghanen als noch vor wenigen Jahren.

1500 Afghanen konnten mit einer Prämie zur Rückkehr bewegt werden

Nach der Vereinbarung der EU mit der Türkei von Mitte März, alle in Griechenland ankommenden Flüchtlinge zurückzuschicken, schaffen es viel weniger Afghanen nach Deutschland, im April registrierte man noch gut 2000. Aber das ist immer noch deutlich mehr als Anfang 2015. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) müht sich schon seit Monaten, Afghanen von der Flucht abzuhalten. Anfang Februar hat er Afghanistan besucht, hat die Menschen via Fernsehinterview davor gewarnt, falschen Versprechen von Schleppern zu glauben, hat betont, dass es in Afghanistan auch sichere Gebiete gebe, Regionen, in die man abschieben könne. Und das werde Deutschland auch tun. Bislang allerdings kommen weiter Tausende. Oft aus nachvollziehbaren Gründen: Wer wegen der Zuständigkeit nicht in einen anderen EU-Staat zurückgeschickt wurde, der erhielt meist irgendeine Art von Schutz, zu fast 80 Prozent im vergangenen Jahr. Abgeschoben wird nach wie vor kaum. Von Januar bis März dieses Jahres waren es laut Innenministerium gerade einmal neun Afghanen. Bund und Länder setzen vielmehr auf Rückkehrprämien, etwa 1500 Afghanen ließen sich so zur Rückkehr bewegen.

Die Hintergründe hatte ein vertraulicher Bericht des Auswärtigen Amtes bereits vergangenen Herbst beleuchtet: Der Bürgerkrieg fordere mehr zivile Opfer als in den vergangenen Jahren, heißt es dort, die kurzzeitige Besetzung der Stadt Kundus durch Taliban habe die Zahl der Flüchtlinge erhöht und die Unsicherheit wachsen lassen. Viele seien ohne Perspektive, die Arbeitslosenquote liege bei 40 Prozent. Es sind allerdings oft nicht die besonders Schutzbedürftigen, die sich nach Europa aufmachen, schreibt das Auswärtige Amt: "Gerade junge verhältnismäßig gut ausgebildete und moderat wohlhabende Männer" wollten gehen.

© SZ vom 31.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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