Fischers halbe Memoiren:Alte Töne auf neuen Seiten

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Der ehemalige Bundesaußenminister Joschka Fischer hat in Berlin seine Memoiren vorgestellt, dort fehlt aber die Hälfte. Deshalb soll ein zweiter Band erscheinen - irgendwann.

Nico Fried

Die rot-grünen Jahre hatten einen Sound, den man nicht vergessen wird. Die erdig-röhrende Stimme von Gerhard Schröder. Und das leicht aufgekratzte Krächzen von Joschka Fischer. Letzteres scheppert jetzt schon durch die Lautsprecher, während der frühere Außenminister noch von Fotografen umlagert, ja bedrängt wird: "Den Tisch dürft ihr nicht abbauen", warnt Fischer in dieser unnachahmlichen Tonlage.

Ex-Außenminister Joschka Fischer versteckt sich in Berlin hinter seinen Memoiren (Foto: Foto: ddp)

Der Polit-Rentner ist gekommen, um sein Buch vorzustellen: "Die rot-grünen Jahre: Deutsche Außenpolitik - vom Kosovo bis zum 11.September". Moment mal, fehlt da nicht die Hälfte? Stimmt. Die Fülle der eigenen Erlebnisse hat Fischer derart überwältigt, dass er zum Schreiben viel länger brauchte als erwartet. "Ich habe das unterschätzt", sagt der Autor - ein Satz, den man gerne mal in seiner aktiven Zeit von ihm gehört hätte.

Aber auch mit dieser Schwäche weiß Fischer gewinnbringend umzugehen: Geschickt streut er in seine Ausführungen ein paar Happen, die schon jetzt Appetit auf den zweiten Band machen, der auch noch erscheinen soll. Irgendwann.

Der Ort dieser Pressekonferenz ist die Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Von einer gewissen symbolischen Bedeutung ist vor allem die Lage des Gebäudes, genau zwischen dem Auswärtigen Amt, wo Fischer Politik machte, und einem Restaurant am Gendarmenmarkt, wo er Journalisten zwischendurch belehrte, dass sie diese Politik nicht verstünden. Jetzt spricht er über jene Zeit - und viele der Journalisten sind auch wieder da. "Ich hätte nie gedacht, mich mal so zu freuen, Sie wiederzusehen", sagt Fischer.

Es folgt eine Reise zurück in Zeiten der deutschen Außenpolitik, die ein bisschen an die Sitzung bei einem Hypnotiseur erinnert. Längst vergessene Ereignisse tauchen wieder auf: Die Agenda-Verhandlungen von 1999, die nichts mit Schröders Reformpolitik zu tun hatten, sondern die knallharten Verhandlungen der jungen rot-grünen Regierung über die Finanzen der Europäischen Union bezeichneten. Das deutsch-französische Treffen in Blaesheim nach dem Zerwürfnis auf dem EU-Gipfel in Nizza. Hubert Védrine, der Pariser Außenminister, der Fischer mal als Flötenspieler beschrieb, um ihn als Rattenfänger darzustellen. Ach ja, lange her alles.

Der Kosovo-Konflikt, der ist noch im Bewusstsein. Ein Einschnitt, der sich abzeichnete, noch bevor die neu gewählte Regierung überhaupt im Amt war. Mit der Kontinuität in der Außenpolitik, die sich die Koalition auf die Fahnen geschrieben hatte, war es damals schnell zu Ende. Als Erstes musste sie einen Krieg führen.

Fischer nutzt den Rückblick nochmal zu einer Abrechnung mit Oskar Lafontaine, der gerne den Eindruck erweckt, gegen diesen Krieg gewesen zu sein. "Er war der mächtigste Mann in der SPD", sagt Fischer. "Er hätte die Bremse ziehen können." Aber ihm sei nicht erinnerlich, dass Lafontaine jemals einen Einwand erhoben habe. Sehr wohl aber wisse er noch, dass der SPD-Chef eines Tages einfach weg gewesen sei.

Da war Gerhard Schröder schon aus anderem Holz. "Natürlich hatten wir unsere Dispute", sagt Fischer. "Aber er hat Großes geleistet." Europa sei vorangekommen, weil der Kanzler in entscheidenden Momenten über seinen Schatten gesprungen sei. Wenn es darauf ankam, sei Schröder stets "gestanden wie ein Fels in der Brandung". Nun gut, über Russland und China sei man unterschiedlicher Meinung gewesen. Aber - sehr bedauerlich - das steht dann erst im zweiten Band der Memoiren.

Bleiben noch die Grünen. Er habe gelesen, das Buch sei eine Abrechnung mit der Partei. Das sehe er nicht so. "Ich wollte nichts beschönigen und nichts weglassen." So weit aber geht er dann schon: Der Konflikt zwischen Illusion und Realität, die Auseinandersetzung mit dem "Schmutz der Macht" sei prägend für die Grünen gewesen. "Das hat mich wundgerieben." Deshalb müsse aber jetzt auch niemand fürchten, dass er noch einmal Einfluss nehmen wolle.

"Eine Rückkehr in die deutsche Politik wird's mit mir nicht geben", sagt Fischer kategorisch. Mit seiner Meinung aber werde er nicht hinterm Berg halten, in Kommentaren und Zeitungskolumnen. Selbst das freilich könnten manche bei den Grünen und anderswo durchaus als Drohung verstehen.

© SZ vom 5.10.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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