Firmenhistorie:Geschäfte einer Großfamilie

Die Modehauskette C & A wird seit sechs Generationen von den Brenninkmeijers geführt - mit ganz eigenen Regeln.

Von Tim Schanetzky

Der Bekleidungshandel ist ein ruppiges Geschäft. Das gilt nicht nur für die ausgefahrenen Ellenbogen der Kundschaft, sondern auch für die Methoden jener Händler, die sich auf Dauer auf dem umkämpften Markt behaupten - so wie die deutsch-niederländische Handelskette C & A, deren Geschichte der Regensburger Historiker Mark Spoerer in einem opulent ausgestatteten Buch untersucht hat. Bis ins späte 19. Jahrhundert galt die Regel: Je niedriger das Einkommen, desto seltener der Gang zum Schneider. Die Bevölkerungsmehrheit konnte sich nur gebrauchte Kleidung leisten. Konfektionäre wie C & A revolutionierten den Markt und demokratisierten die Mode: Massenproduktion führte zu sinkenden Preisen. Massenabsatz ermöglichte trotz geringer Gewinnspanne ein gutes Geschäft. Massenandrang schuf man mit Werbung und Sonderangeboten - mitunter auch mit unlauteren Mitteln, etwa mit Lockvogelangeboten, die C & A gerade in der Zwischenkriegszeit systematisch eingesetzt zu haben scheint. Wegen seiner robusten Methoden verlor das Unternehmen jedenfalls immer wieder vor Gericht, nahm dies aber ebenso in Kauf wie eine schlechte Presse.

Seit je agierte C & A als Außenseiter. Die Gründer Clemens und August Brenninkmeijer stammten aus Mettingen, einem Dorf im Tecklenburger Land. Von dort brachen sie anfangs als Hausierer in die Niederlande auf, um Stoffe und Textilien zu verkaufen - genauso wie die Gründer von Peek & Cloppenburg, Hettlage oder Boecker. Als sie dann 1841 ihren ersten Laden in Sneek eröffneten, gehörten die katholischen Westfalen im protestantischen Friesland zu einer Minderheit. Ihr Unternehmen entwickelte sich bald zur verschworenen Gemeinschaft. Seit der Jahrhundertwende besetzten männliche Brenninkmeijers die Schlüsselpositionen bei der Expansion in die Großstädte, zunächst in den Niederlanden, von 1911 an auch in Norddeutschland. Aggressiv am Markt, schottete sich die Familie nach außen ab und pflegte eine Unabhängigkeit, deren Basis wirtschaftlicher Erfolg war: Über Jahrzehnte erwirtschaftete C & A Eigenkapitalrenditen von rund zehn Prozent. Von den Banken hielt sich die Familie ebenso fern wie vom Kapitalmarkt. Und weil der Handel seinen Gewinn üblicherweise im Einkauf macht, ließ C & A in eigenen Fabriken produzieren. 1922 expandierte man nach England, wo das Unternehmen bald ebenso rasch wuchs wie auf dem Kontinent.

Harte Arbeit und eine streng katholische Lebensführung wurden verlangt

Bemerkenswert ist vor allem, wie es den Brenninkmeijers über sechs Generationen gelungen ist, nicht nur das Eigentum am Unternehmen, sondern auch seine Leitung bis heute fest in den Händen der Großfamilie zu halten. Früh schon entwickelte sie ein Regelwerk ("Unitas"), das die Erfordernisse von C & A vor Ansprüchen und Wünschen einzelner Familienangehöriger schützte. Um Erb-Auseinandersetzungen aus dem Unternehmen herauszuhalten, sollte Vermögen vererbt werden, jedoch kein Kapital. Wer als männlicher Nachkomme in das Unternehmen eintreten wollte, für den fand sich immer ein Platz. Beim Aufstieg jedoch sollten allein Talent und Leistung zählen. Dieser Bewährungsdruck galt im Geschäftlichen wie im Privaten: Eine streng katholische Lebensführung zählte ebenso dazu wie harte Arbeit - offenbar so hart, dass C & A-Manager der zweiten und dritten Generation im Schnitt kaum das 65. Lebensjahr erreichten.

Firmenhistorie: Konfektionäre wie C & A revolutionierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Markt und demokratisierten die Mode. Heute finden sich in vielen Fußgängerzonen der Republik ähnlich gestaltete Kaufhäuser.

Konfektionäre wie C & A revolutionierten zu Beginn des 20. Jahrhunderts den Markt und demokratisierten die Mode. Heute finden sich in vielen Fußgängerzonen der Republik ähnlich gestaltete Kaufhäuser.

(Foto: Robert Haas)

Als brave Katholiken spendeten die Brenninkmeijers stets zehn Prozent des Gewinns an kirchliche und karitative Einrichtungen. Auch katholische Parteien profitierten von der politischen Landschaftspflege, die freilich auch vor dem Hintergrund einer konsequenten Steuervermeidungspolitik zu sehen ist. Nach Hitlers Machtübernahme passte sich die Familie in Deutschland rasch an: Ein immer größerer Teil des Spendenaufkommens floss nun in die Kassen von Winterhilfe & Co., und Hermann Göring versuchte man mit persönlichen Geschenken für sich einzunehmen - mit Erfolg, denn Hitlers "Wirtschaftsdiktator" setzte sich bei der Versorgung mit Arbeitskräften ebenso für die Interessen von C & A ein wie im Konflikt mit einem verfeindeten Gauleiter.

Trotz des familiären Engagements in den Niederlanden und in Großbritannien unterschied sich C & A nicht vom Verhalten vieler anderer Unternehmen im Dritten Reich. Weil Gewinne nicht mehr ins Ausland transferiert werden durften, kaufte C & A systematisch Immobilien im Zuge der "Arisierung". Im Krieg zählte der Einzelhandel zu den großen Verlierern von Bewirtschaftung und Rüstung; vor allem die Produktionsbetriebe wurden jetzt für die Existenzsicherung des Unternehmens zentral. Wenig überraschend beschäftigten Tochtergesellschaften von C & A in Deutschland bald auch Zwangsarbeiter. Von katholischer Nächstenliebe blieben sie ebenso ausgenommen wie die Juden im Ghetto von Lodz, die unter mörderischen Bedingungen buchstäblich (und in fast allen Fällen vergeblich) um ihr Leben arbeiteten - auch für C & A.

Als nach 1945 Bilanz gezogen wurde, war das Gros der Kaufhäuser in Deutschland beschädigt oder zerstört, der C & A-Besitz in der Sowjetischen Besatzungszone enteignet. Auch in Großbritannien gab es Bombenschäden, aber vor allem die dort bald einsetzende Verstaatlichungspolitik verstärkte die in der Familie ohnehin grassierende Zukunftsangst. So wie sie nach dem Ersten Weltkrieg den Sprung über den Kanal gewagt hatten, versuchten die Brenninkmeijers jetzt in den USA Fuß zu fassen und nahmen dabei auch jahrelange Verluste in Kauf. Als dann das "Goldene Zeitalter" des Massenkonsums in Europa einsetzte, dienten Holdings auf den Niederländischen Antillen zwar auch der Steuerersparnis. Aber das dortige Beteiligungsgeflecht war zugleich ein Produkt des Kalten Krieges, wie die "Antibella" zeigt - eine Unterholding, die ein millionenstarkes Finanzpolster für den Kriegsfall bereithielt.

Firmenhistorie: Mark Spoerer: C&A. Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien 1911-1961, Verlag C.H. Beck, München 2016, 480 Seiten, 34,95 Euro.

Mark Spoerer: C&A. Ein Familienunternehmen in Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien 1911-1961, Verlag C.H. Beck, München 2016, 480 Seiten, 34,95 Euro.

Der spezielle Reiz von Mark Spoerers Buch liegt im gleichrangigen Blick auf C & A in Deutschland, Großbritannien und den Niederlanden. Dabei verzichtet er auf wissenschaftliche Modevokabeln wie "transnational" und "global", obwohl diese Attribute gewiss auch auf die Brenninkmeijers passten, spätestens seit der dritten Generation - doch Spoerers Blick auf das Unternehmen unterstreicht nachdrücklich die Bedeutung nationalstaatlicher Regulierungen und Prägungen.

Um diese Geschichte überhaupt auf dem knappen Raum von 400 Seiten erzählen zu können, stellt er das Unternehmen in den Mittelpunkt: Ihn interessiert, wie es um Umsatz, Rentabilität und Absatz stand, und wie die Eigentümer ihren Erfolg dauerhaft zu sichern versuchten. Das ist auch für Laien verständlich aufbereitet, führt letztlich aber zu einer Geschichte ohne Akteure: Gelegentlich treten zwar durchaus einzelne Brenninkmeijers namentlich hervor, aber die Erzählung würde wohl auch funktionieren, wenn diese Individuen vollständig in der Anonymität des Familienkollektivs verschwänden.

Man wird annehmen dürfen, dass diese Form der Darstellung genau das Selbstbild der Brenninkmeijers trifft.

Tim Schanetzky ist Privatdozent für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität Jena. Jüngst erschien von ihm "Regierungsunternehmer. Henry J. Kaiser, Friedrich Flick und die Staatskonjunkturen in den USA und Deutschland" (Wallstein).

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