Finnland:Geständnis ohne Bekenntnis

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Der Messerangreifer von Turku bestreitet ein terroristisches Motiv. Die Finnen diskutieren nun heftig über Einwanderung.

Von Silke Bigalke, Stockholm

Der Terror sei nach Finnland gekommen, hat Präsident Sauli Niinistö am Wochenende gesagt. Und auch wenn das Motiv des Täters weiter unklar ist, diskutieren die Finnen nun emotional über den ersten Terroranschlag in ihrem Land. Der Mann, der am Freitag in Turku zwei Menschen erstochen und acht weitere verletzt hat, hat inzwischen einen Namen und eine Geschichte: Es soll sich um den 18-jährigen Marokkaner Abderrahman Mechkah handeln, der in einem Asylbewerberheim lebte und dessen Asylantrag abgelehnt worden war. Bevor er nach Finnland kam, lebte er offenbar unter verschiedenen Namen illegal in mehreren deutschen Städten. Seinem Anwalt zufolge gesteht er die Tat, bestreitet jedoch ein terroristisches Motiv. Es hat sich bislang keine Organisation zu der Tat bekannt. Drei weitere Verdächtige aus Marokko, die in Verbindung mit dem Anschlag festgenommen wurden, sitzen weiter in Haft.

Finnland diskutiert nun heftig über Einwanderung

Finnische Politiker fordern nun, was überall in Europa nach ähnlichen Taten gefordert wurde: mehr Sicherheit, mehr Überwachung, schnellere Abschiebung für abgelehnte Asylbewerber. Der finnische Nachrichtendienst Supo hatte Anfang des Jahres einen Tipp erhalten, dass sich Abderrahman Mechkah radikalisiert habe. Es habe jedoch keine Hinweise auf einen geplanten Anschlag gegeben, sagte ein Supo-Sprecher. In Finnland werden laut Supo derzeit mehr als 300 Extremisten überwacht. Premierminister Juha Sipilä hofft, dass ein lange geplantes Sicherheitsgesetz vom Parlament beschlossen wird. Die Reform soll den Behörden mehr Möglichkeiten zur Überwachung geben. "Das Recht auf Leben ist wichtiger als das Recht auf Privatsphäre", sagte Sipilä nun.

Der Premier sprach auch über das finnische Asylrecht. Finnland wolle denjenigen helfen, die vor "wirklich schwierigen Bedingungen" fliehen. Wer nur unter Vorwand käme, müsse früher erkannt und schneller ausgewiesen werden. Nach Finnland kommen zahlenmäßig nicht besonders viele Flüchtlinge. Doch 2015 waren es mit mehr als 32 000 in einem Jahr so viele wie zuvor innerhalb einer ganzen Dekade. Vor allem in sozialen Medien wird seit Freitag hitzig über Einwanderung diskutiert. Hohe Wellen schlug der Bericht einer Journalistin über einen Afghanen, der Opfern nach dem Anschlag in Turku geholfen hatte. Eine selbsternannte Fake-News-Webseite beschuldigte sie, die Geschichte erfunden und finnische Helfer ignoriert zu haben. Der Chef der rechtspopulistischen Finnen-Partei, der Rechtsaußen-Politiker Jussi Halla-aho, verbreitete die Vorwürfe über Facebook. Die Journalistin erhielt Hunderte Hass- und Drohnachrichten.

© SZ vom 23.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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