Finnland:Ein Hoch auf uns

Bisher galten in dem skandinavischen Land strenge Regeln für den Alkoholverkauf in Bars und Läden - das soll sich nun aber ändern.

Von Silke Bigalke

Wer in einer finnischen Bar am Tresen ein Bier bestellt, darf seinem Freund streng genommen keines mitbringen. Eine Runde Schnaps zu bestellen, das geht in Finnland eigentlich gar nicht. Denn der Barkeeper soll theoretisch bei jedem einzelnen Kunden kontrollieren, wie es ihm geht, bevor er weiter ausschenkt. Den Drink mit Kreditkarte zu bezahlen, auch das ist nicht möglich, es sei denn, es ist eine ausländische. Der Grund: Die Finnen sollen Alkohol nicht auf Pump kaufen.

Kari Paaso sieht ein, dass diese Regeln antiquiert sind und eine Reform sein muss. In der Praxis seien sie ohnehin kaum mehr durchzusetzen. Paaso ist Direktor im finnischen Gesundheitsministerium und zuständig für Schadensprävention in Zusammenhang mit Drogen. Die Reform des Alkoholgesetzes, die Finnlands Regierung nun plant, macht ihm dennoch Sorgen. Sie erleichtert den Finnen, Alkohol zu kaufen. 2017 sollen die neuen Regeln in Kraft treten.

Supermärkte dürfen dann Bier und andere Getränke mit bis zu 5,5 Prozent verkaufen, bisher war bei 4,7 Prozent Schluss. Auf stärkere Getränke hat der staatliche Händler Alko weiterhin ein Monopol, das neue Gesetz erlaubt ihm längere Öffnungszeiten bis neun Uhr abends. Bars und Restaurants dürfen bis vier Uhr nachts ausschenken, auf Festivals muss der Bereich, in dem Bier verkauft wird, nicht mehr abgesperrt werden. "Wenn man den Alkohol-Markt liberalisiert, führt das unausweichlich zu mehr Konsum", warnt Kari Paaso.

Laut Weltgesundheitsorganisation trinken Finnen im Schnitt 11,9 Liter reinen Alkohol im Jahr. Das ist mehr als der europäische Schnitt von 10,2 Litern. Von 1919 bis 1932 war Alkohol in Finnland verboten, danach galten strenge Regeln für den Verkauf; die wurden aber nach und nach gelockert, zuletzt 1994 vor dem Beitritt Finnlands in die Europäische Union. "Die Diskussion über den Alkohol ist seit Jahren ziemlich angespannt", sagt Paaso. Händler und Hersteller hätten Druck ausgeübt. Doch auch viele Finnen wollten sich nicht mehr vom "Nanny-Staat" bevormunden lassen.

"Wir haben die Tradition, uns zu betrinken."

Tatsächlich trinken die Finnen laut Statistik des finnischen Instituts für Gesundheit und Wohlfahrt von Jahr zu Jahr weniger. Pia Mäkelä, die dort die Abteilung für Drogen und Alkohol leitet, erklärt das mit der schwachen finnischen Wirtschaft und höheren Steuern. "Wir wissen nicht, ob es zudem auch einen kulturellen Wandel gab", sagt sie. Vor allem bei Jugendlichen sei zu beobachten, dass sie weniger trinken als zuvor. "Die Frage ist: Was passiert, wenn die Zeiten wieder besser werden?"

Pia Mäkelä erwartet, dass die Reform eine Menge Alcopop-Produkte in die Läden bringt. Außerdem wird das starke Bier dort vermutlich preiswerter als beim Monopolisten Alko. Die Hoffnung, dass liberalere Gesetze die Finnen davon abhalten, mit der Fähre nach Estland zu fahren, um dort massenweise billigeren Alkohol zu kaufen, teilt sie nicht. "Sie haben dann eine größere Auswahl. Das schafft neue Nachfrage."

Brauchen die Finnen den "Nanny-Staat"? Kari Paaso aus dem Gesundheitsministerium sagt, dass sich Trink-Traditionen nur sehr langsam änderten. "Wir haben die Tradition, uns zu betrinken." Gleichzeitig kümmerten sich die nordischen Gesellschaften stärker um den Einzelnen, zahlten für seine Gesundheit, übernähmen Verantwortung für seine Fehler - und beanspruchten daher auch das Recht auf mehr Kontrolle.

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