Finnland:Das Atomwunder von Helsinki

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Hier soll er entstehen, der Reaktor Pyhäjoki. Allerdings nur, wenn mindestens 60 Prozent der Investoren aus der EU stammen. Doch da gibt es Zweifel.

(Foto: Markku Ruottinen/AFP)
  • Eine Liste mit Investoren für ein Atomkraftwerk in Finnland soll belegen, dass mindestens 60 Prozent der Anteile von EU-Investoren kommen.
  • Unter den EU-Investoren ist auch die kroatische Firma Migrit Solarna Energija, die sich mit 158,5 Millionen Euro beteiligen will. Im vergangenen Jahr machte sie aber gerade mal 18 000 Euro Gewinn.
  • Es gibt Hinweise, die nach Russland führen. Sollte es sich tatsächlich um russische Millionenhandeln, wäre das Atomprojekt gestorben.

Von Michael Bauchmüller

Wo genau das Wunder sitzt, ist schwer auszumachen. Der Briefkasten jedenfalls findet sich in einer Ausfallstraße von Zagreb, nahe einer Autowaschanlage. Glaubt man den Neuigkeiten der vergangenen Tage, dann sitzen hier, bei Migrit Solarna Energija, wahre Finanzartisten. Eine Wirtschaftsauskunftei zählte zuletzt zwei Mitarbeiter bei der Firma, das kroatische Handelsregister vermerkt für das vergangene Jahr einen bescheidenen Gewinn von 18 000 Euro. Und trotzdem will die Firma nun in den Bau eines neuen Atomkraftwerks in Finnland einsteigen. Mit 158,5 Millionen Euro, teilt Migrit Solarna Energija trocken mit.

Die kroatischen Millionen - wenn sie denn aus Kroatien kommen - tauchten erst vergangene Woche auf, in allerletzter Minute. Fristgerecht zum 30. Juni hatte das Atom-Konsortium Fennovoima die Baupläne für den Reaktor Pyhäjoki eingereicht, inklusive einer Liste der Investoren. Letztere sollte belegen, dass mindestens 60 Prozent der Anteile am Kernkraftwerk in den Händen von EU-Investoren liegen. Die knapp neun Prozent, die Migrit Solarna Energija nun hält, kamen da gerade recht. Nur: Handelt es sich dabei wirklich um Kapital aus der EU?

Die Frage ist hochsensibel. Ursprünglich hatte die deutsche Eon das Kraftwerk zusammen mit finnischen Firmen bauen wollen. Doch angesichts massiver Preissteigerungen zog sich Eon aus dem Projekt zurück. Stattdessen kaufte sich eine Tochter der russischen Rosatom ein; sie sicherte sich so den Auftrag für den Bau des Reaktors. Um dennoch die Kontrolle zu behalten, verhängte das finnische Parlament die 60-Prozent-Bedingung, einzuhalten bis zum 30. Juni. Jene Bedingung, die sich nur mit Unterstützung aus dem fernen Zagreb rechtzeitig erfüllen ließ.

Der einzige Solarpark der Firma könnte nur ein Dorf versorgen

Entsprechend groß sind die Rätsel, die das Atomwunder von Helsinki aufwirft. Völlig schleierhaft etwa bleibt, wie ein derart kleines Unternehmen derart viel Geld aufbringen kann. Oder warum eine Firma, die sich laut Handelsregister dem Bau von Anlagen "zur Energieerzeugung aus erneuerbaren Quellen" widmen will, sich plötzlich der Atomenergie verschreibt.

Alles ganz logisch, sagt Grigori Edel, einer der Gesellschafter der Mutterfirma Migrit Energy. Das Investment liege ganz auf der Linie der "Unternehmensstrategie". "Damit steigern wir unser Know-how in der Nuklear-Industrie", sagt Edel, "auch mit Blick auf mögliche Projekte in Kroatien". Schließlich sehe Migrit beste Geschäfte rund um klimafreundliche Energie. Der bislang einzige Solarpark des Unternehmens freilich ist so klein, dass er bestenfalls ein Dorf versorgt.

Schwerer als der Klimaschutz dürften da schon die Verbindungen wiegen - nach Moskau. Neben Edel gehört die Mutterfirma einem gewissen Maxim Soloshchanskij, der laut Firmenregister in London lebt. Nach Recherchen von Greenpeace in Finnland sind die beiden die Söhne zweier Vorstände der Moskauer Baufirma Inteco. Zu Inteco gehört demnach auch eine Immobilienfirma in Zagreb, Titan. Sie sitzt mit diversen weiteren Töchtern im gleichen Gebäude wie Migrit und hat zufälligerweise auch die gleiche Telefonnummer.

Von Helsinki über Zagreb nach Moskau

An der Baufirma Inteco wiederum ist seit 2011 auch die russische Sberbank beteiligt. Letztere schloss schon 2013 eine strategische Partnerschaft mit Rosatom ab, jenem Atomkonzern, der in Finnland den neuen Reaktor bauen will - zur Unterstützung der "globalen Expansion". Womit sich der Kreis schließen würde: von Helsinki über Zagreb nach Moskau.

Schon in der vergangenen Woche verlangte das finnische Wirtschaftsministerium von Fennovoima Unterlagen, um die Hintergründe des kroatischen Großinvestors klären zu können. Am Montag gingen sie bei dem Ministerium ein, allerdings streng geheim. Die "Klarstellung" enthalte "persönliche Daten" , heißt es bei Fennovoima; deswegen sei sie nicht öffentlich. Auch Migrit-Solar-Vize Jurica Kešina will sich auf Anfrage nicht näher äußern. Die Causa sei eben "sehr sensibel".

Wohl wahr. Sollte Helsinki die Millionen aus Kroatien als Millionen aus Russland einstufen, dann wäre das Projekt Pyhäjoki einstweilen gescheitert. Eine Fristverlängerung oder einen zweiten Anlauf sehen die Vorgaben bisher nicht vor. Ohnehin hatten sich zuletzt selbst finnische Firmen von dem Projekt verabschiedet. Und ausländische Geldgeber, wo immer sie auch sitzen mögen, können die Investition nur bedingt versilbern. Denn Dividenden will Fennovoima dereinst nur in Form von Strom ausschütten - zu verbrauchen im fernen Finnland.

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