Finanzkrise in Griechenland:Kammenos giftet - Schulz schlägt zurück

Greek Prime Minister Alexis Tsipras in brussels

Alexis Tsipras und der deutsch EU-Parlamentspräsident Martin Schulz am 13. März in Brüssel. Das Klima zwischen Deutschland und Griechenland hat sich deutlich eingetrübt.

(Foto: dpa)
  • Nach neuen verbalen Ausfällen gegen Berlin legt EU-Parlamentspräsident Martin Schulz dem Athener Regierungschef Alexis Tsipras den Rauswurf seines rechtspopulistischen Koalitionspartners nahe.
  • Der griechische Verteidigungsminister Kammenos hatte Finanzminister Schäuble attackiert - und ihm seine Verwicklung in die CDU-Parteispendenaffäre vorgeworfen.
  • Der griechische Finanzminister Varoufakis erntet derweil Spott und Kritik für seine Homestory in der französischen Illustrierten Paris Match.

Nach neuen verbalen Ausfällen gegen Berlin hat EU-Parlamentspräsident Martin Schulz dem Athener Regierungschef Alexis Tsipras den Rauswurf seines rechtspopulistischen Koalitionspartners nahegelegt. Anel-Parteichef Panos Kammenos, der zugleich Verteidigungsminister ist, hatte zuvor in der Bild-Zeitung Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) attackiert und in die Nähe von Korruption gerückt. Schulz betonte in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: "Ich halte die jetzige Koalition der Linkspartei mit diesen Rechtspopulisten für einen Fehler." Dies habe er auch Syriza-Parteichef Tsipras bei ihrem Treffen am Freitag in Brüssel deutlich gemacht. Über Kammenos fällte SPD-Politiker Schulz folgendes Urteil: "Der Elefant im Porzellanladen erscheint mir verglichen mit Herrn Kammenos wie ein feinziselierter Diplomat."

Kammenos wirft Schäuble Psycho-Krieg vor

Kammenos beschuldigte Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), mit einem psychologischen Krieg die Beziehungen beider Länder zu vergiften. Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem hatte Griechenland zuvor dazu angehalten, den Ton gegenüber Deutschland zu mäßigen.

"Ich verstehe nicht, warum Schäuble sich jeden Tag in neuen Statements gegen Griechenland wendet", sagte Kammenos der Bild-Zeitung. "Das ist wie ein psychologischer Krieg und er vergiftet damit die Beziehungen zwischen beiden Ländern." Kammenos hielt Schäuble auch dessen Verwicklung in die CDU-Parteispendenaffäre vor: "Wir Griechen erinnern uns genau, dass Herr Schäuble sein Amt als Parteivorsitzender aufgeben musste, weil er in einen Fall von Bestechung verwickelt war. Heute ist er trotzdem Finanzminister." Bei aller Kritik an der Korruption in Griechenland sei es ja nicht so, dass Deutschland oder Schäuble immer fehlerfrei gewesen wären. Schäuble war im Jahr 2000 als damaliger CDU-Chef zurücktreten, weil er 1994 eine Bar-Spende von damals 100 000 Mark (etwa 51 000 Euro) für seine Partei angenommen hatte, die nicht ordnungsgemäß verbucht worden war. Daneben bekräftigte Kammenos der Bild zufolge seine Drohung, Flüchtlinge nach Deutschland weiterzuschicken, sollte sein Land "aus der Euro-Zone gedrängt" werden.

Varoufakis schließt versehentliches Ausscheiden aus Eurozone aus

Andere Signale kamen von Finanzminister Yanis Varoufakis. Demnach will Giechenlands Regierung ihren europäischen Partnern im Schuldenstreit offenbar einen Schritt entgegenkommen. "Wir sind bereit, die Umsetzung einiger Wahlversprechen aufzuschieben, wenn dies notwendig ist, um bei unseren Partnern Vertrauen zu schaffen", sagte Varoufakis vor Wirtschaftsführern im italienischen Cernobbio. Ein unbeabsichtigtes Ausscheiden seines Landes aus der Eurozone schloss der Finanzminister aus. "Wir haben Vorkehrungen getroffen um sicherzustellen, dass es keinen Unfall gibt", betonte Varoufakis mit Blick auf Sorgen um eine mögliche Staatspleite. Schäuble (CDU) hatte am Freitag nicht ausgeschlossen, dass das Land ungeordnet aus dem Euro ausscheiden könnte ("Grexident"). Bei der Veranstaltung schloss Varoufakis aus, dass sich Athen von Moskau oder Peking aus der Schuldenkrise helfen lassen könnte, um die Bedingungen der Euro-Länder zu umschiffen.

Gerüchte um Varoufakis Entmachtung

Unterdessen machten Gerüchte die Runde, Varoufakis drohe die Entmachtung. Das berichtete die Bild aus Athen, ohne allerdings klare Indizien dafür vorzulegen. In Athen traf sich Tsipras mit seinem Finanzteam und berichtete von seinem Besuch in Brüssel. Zudem wurde der EU-Gipfel in der kommenden Woche vorbereitet. Varoufakis, der bei einer Konferenz in Italien weilte, nahm an der Sitzung nicht teil. Das bedeute jedoch nicht, dass er entmachtet sei, hieß es aus Kreisen der Regierung.

Varoufakis macht sich mit Homestory zum Gespött

Abseits des Zwists zwischen Kammenos und Schäuble erntet der griechische Finanzminister Yanis Varoufakis Spott und Kritik. Er hatte in der französischen Illustrierten Paris Match sein Leben auf Hochglanzbildern zur Schau stellen lassen. Darauf zu sehen: Varoufakis am Klavier, Varoufakis auf der Terrasse, Varoufakis mit Gattin am Abendbrottisch. Im Kurznachrichtendienst Twitter erhielt er dafür zahlreiche kritische Kommentare.

"Die humanitäre Krise in Athen", kommentierte Chris Giles vom britischen Wirtschaftsblatt Financial Times die Fotoreportage. Ähnlich ironisch fiel das Fazit von Simon Nixon von der US-Wirtschaftszeitung Wall Street Journal aus: "Krise, welche Krise?"

Warum "so kitschig"?

Beißender Spott kam von einem Twitter-Nutzer namens @MrJohnSarlis, der sich fragte, ob Varoufakis und seine Frau "die Aussicht von ihrer Terrasse zeigen, um sie zu vermieten". @lillyinfidel schrieb, ob die Foto-Reportage denn wirklich "so kitschig" habe sein müssen.

Andere Twitter-Nutzer erinnerten daran, dass der Wirtschaftswissenschaftler Varoufakis vor seiner Ernennung zum Finanzminister der linksgerichteten Syriza-Regierung sich selbst einmal als "gelegentlichen Marxisten" bezeichnet hatte.

Im scharfen Kontrast zu seiner Fotostrecke stehen dagegen Varoufakis' Äußerungen in Paris Match. "Ich misstraue dem Star-System", sagte er. "Dass ich nun Teil davon bin, ist für mich eine große Quelle der Besorgnis und der Unzufriedenheit." Er wolle sich aber nicht gegen dieses "Star-System" auflehnen, "denn es bekämpfen, heißt, es in Gang halten". Er könne "ihm nur den Sauerstoff entziehen", sinnierte der für seinen unkonventionellen Kleidungsstil bekannte Minister.

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