Finanzielle Hilfe für Aufständische in Syrien:"Da steigen die Preise für Kalaschnikows"

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Eine Gruppe von Staaten hat als "Freunde Syriens" den Aufständischen finanzielle Hilfe versprochen. Guido Steinberg, Terrorismusexperte im Bundeskanzleramt, erklärt im Gespräch, auf welchen Wegen das Geld nach Syrien gelangt, wie die Beschaffung von Waffen in der Region funktioniert und wer davon profitiert.

Cornelius Pollmer

SZ: Katar, Saudi-Arabien und andere Staaten haben als "Freunde Syriens" den Aufständischen finanzielle Hilfen zugesichert. Warum liefern sie nicht gleich Waffen?

Brennendes Haus in Homs. Für Waffenlieferungen in Länder wie Syrien gibt es "leider immer Wege", sagt Guido Steinberg. (Foto: dpa)

Guido Steinberg: Erstens wissen wir gar nicht, ob die Saudis und Kataris parallel nicht auch Waffen liefern. Zweitens ist es im syrischen Fall schlicht einfacher, Gruppen mit Geld zu versorgen als Waffen ins Land zu schmuggeln. Es ist einfacher, ein paar tausend Dollar mitzubringen als das Äquivalent in Kalaschnikows.

SZ: Wie gelangt solches Geld zu den Kämpfern?

Steinberg: Das ist von Fall zu Fall unterschiedlich und wird von den Geldgebern entschieden. Ich gehe davon aus, dass Katar seine Verbündeten wie die Muslimbrüderschaft und kleinere salafistische Gruppen versorgt. Das Geld kommt über Kontaktleute in den Nachbarländern Syriens.

SZ: Und dann?

Steinberg: Der syrische und libanesische Waffenmarkt gibt einiges her, aber die Frage ist: wie bekommt man panzerbrechende Waffen, Mörser et cetera ins Land? Wie Waffen größeren Kalibers in größerer Zahl ins Land eingespeist werden könnten, das sehe ich noch nicht. Die Erfahrung zeigt aber, dass es immer Wege gibt.

SZ: Welche?

Steinberg: Das hängt davon ab, wer den Schmuggel aktiv unterstützt. Bisher sah es immer so aus, als würde keiner der Nachbarstaaten massiv Waffen liefern. Wenn man davon ausgeht, dass die Türkei weiterhin keine Waffen liefert, gibt es vor allem zwei Wege, über Libanon und über Irak.

SZ: Wie sehen diese Wege aus?

Steinberg: Zwischen Libanon und Syrien gibt es eine seit Jahrzehnten etablierte Schmugglerszene, diese kümmert sich derzeit vor allem um Waffen. Aber das sind auch eher kleinere Mengen - zum einen, weil es im Libanon vergleichsweise wenig Waffen gibt, zum anderen weil die Hisbollah dagegen ist und weite Teile des Landes kontrolliert. Der Schmuggel aus Libanon ist also begrenzt.

SZ: Und aus Irak?

Steinberg: Auch da gibt es seit Jahren gut funktionierende Lieferwege. Und einen großen Unterschied: Der Irak ist voll mit Waffen, die keiner staatlichen Kontrolle unterliegen. Das hat mit dem Sturz von Hussein zu tun und mit dem Krieg der Jahre danach. Im Irak gibt es ein fast unerschöpfliches Potenzial an Waffen für den Guerillakampf.

SZ: Wie ist dort die Nachfrage aus Syrien zu spüren?

Steinberg: Im Norden des Irak, beispielsweise in Mossul, steigen die Preise - vor Monaten hat dort eine Kalaschnikow etwas mehr als zweihundert Dollar gekostet, und jetzt kostet sie mehr als 800. Die Waffen werden dann entlang des Euphrats geliefert, in dieser Gegend Syriens hat sich die Sicherheitslage bereits seit 2003 verschlechtert.

SZ: Entstehen durch die Kämpfe in Syrien auch neue Lieferwege?

Steinberg: Es gibt noch eine dritte Variante, die sich in den nächsten Monaten herausbilden könnte: Libyen. Dort gibt es Waffen und Kämpfer im Überfluss, und es gibt Berichte, dass libysche Freiwillige über die Türkei nach Syrien gereist sind. Der libysche Außenminister hat entsprechende Nachrichten erst kürzlich bestätigt.

SZ: Wer ist an solchen Lieferungen beteiligt, wer profitiert?

Steinberg: Nehmen wir den Irak als Beispiel: Dort profitieren natürlich zuerst die Verkäufer, danach die Schmuggler, die die Waffen zur Grenze bringen. Dort wird umgeladen, und Stammesangehörige übernehmen, mit denen die Schmuggler schon länger Geschäfte machen. Auf syrischer und irakischer Seite werden zudem die Grenztruppen eingeschüchtert oder bestochen.

SZ: Ist der Handel also professionell organisiert?

Steinberg: Teils läuft der Schmuggel über die organisierte Kriminalität. Die Methoden der Beschaffung sind sehr unterschiedlich, aber insgesamt wenig organisiert. Wenn man die Rebellen und ihre Probleme mit Waffen und Munition sieht, dann ist das ein Beleg dafür, dass der Handel eher nicht professionalisiert ist. Bisher fehlen vor allem Waffen westlicher Provenienz, höherer Qualität und größeren Kalibers. Sobald die eintreffen, ist davon auszugehen, dass Katar und Saudi-Arabien die Rebellen massiv unterstützen.

Dr. Guido Steinberg war von 2002 bis 2005 Referent im Referat Internationaler Terrorismus im Bundeskanzleramt. Heute arbeitet der Wissenschaftler in der Forschungsgruppe Naher / Mittlerer Osten und Afrika bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

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