Finanzen und Flüchtlinge:Wo die Freundschaft aufhört

Schäuble und Gabriel haben einander zu respektieren gelernt. Nun eskaliert ihr Streit ums Geld.

Von Nico Fried, Berlin

Es ist noch nicht einmal ein Jahr her, da bedeutete Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble ihre Eintracht noch etwas. Gemeinsam präsentierten sie am 18. März 2015 den Haushalt für 2016. Der Finanzminister von der CDU konnte verkünden, dass der ausgeglichene Haushalt, also die schwarze Null, Bestand haben werde, der Wirtschaftsminister von der SPD konnte trotzdem auf ein Investitionsprogramm von zehn Milliarden Euro bis 2018 verweisen. Zufrieden machten sich die Herren gegenseitig Komplimente.

Seit diesem Wochenende sieht das anders aus. Die SPD fordert nicht nur Milliarden für die Integration der Flüchtlinge. Mittlerweile will Gabriel auch ein Solidarpaket für die deutsche Bevölkerung. Er will so nach eigener Darstellung einer Stimmung entgegenwirken, der er in Gesprächen mit Bürgern begegnet: Für die Flüchtlinge ist Geld da, für uns nicht. Schäuble reagierte mit scharfer Kritik: "Wenn wir Flüchtlingen, Menschen, die in bitterer Not sind, nur noch helfen dürfen, wenn wir anderen, die nicht in so bitterer Not sind, das Gleiche geben oder mehr, dann ist das erbarmungswürdig."

Gabriel und Schäuble gehören zu jenem Kern des Kabinetts, der sich seit 2005 aus der ersten großen Koalition unter Merkel kennt. Das erleichterte der Regierung in der zweiten Runde den Start: Man konnte sich einschätzen. Gabriel galt der Union als Garant der SPD für den Koalitionsvertrag und Ansprechpartner in Konfliktfällen. So war es der SPD-Chef, der mit Innenminister Thomas de Maizière - auch ein Veteran des ersten Kabinetts - die Lösung zur Vorratsdatenspeicherung vermittelte. In der Union ist die Wertschätzung für den SPD-Chef bisweilen höher als in dessen eigenen Reihen. Von der Kanzlerin wird der Scherz kolportiert, Gabriel sei immer am besten, wenn er unter ihr Minister sein könne.

Finanzen und Flüchtlinge: Wolfgang Schäuble (links) und Sigmar Gabriel gehören zum Kern des Kabinetts, der sich seit 2005 aus der ersten großen Koalition unter Merkel kennt.

Wolfgang Schäuble (links) und Sigmar Gabriel gehören zum Kern des Kabinetts, der sich seit 2005 aus der ersten großen Koalition unter Merkel kennt.

(Foto: Markus Schreiber/AP)

Für Schäuble saß mit Gabriel ein Mann im Wirtschaftsministerium, mit dem er persönlich wie politisch mehr anfangen konnte als mit dem letzten Ressortchef, Philipp Rösler von der FDP. Gabriel, der eine zunächst widerstrebende SPD geschickt in die große Koalition geführt hat, ist für Schäuble ein Partner auf Augenhöhe. Der SPD-Chef wiederum hatte das Interesse, die SPD gegenüber dem Koalitionspartner, vor allem aber gegenüber dem Wähler als verlässlich zu präsentieren. Deshalb pochte er auf die Umsetzung der sozialdemokratischen Projekte, insbesondere des Mindestlohns.

Den ersten öffentlichen Zoff gab es zwischen Gabriel und Schäuble in der heißen Phase der Griechenland-Rettung im Sommer 2015. Der SPD-Chef warf dem Finanzminister vor, seinen Vorschlag für einen Grexit auf Zeit unter den EU-Kollegen absprachewidrig eingebracht zu haben. Gabriel war damals in der SPD unter Druck geraten, weil der Eindruck entstanden war, er trage diesen Vorschlag mit.

Zur schwarzen Null hat Gabriel ein politisches und ein taktisches Verhältnis. Als Regierungsmitglied trägt er sie mit. Als 2014 in der SPD angesichts schwächelnder Konjunkturaussichten Unmut über den Sparkurs aufkam, wetterte Gabriel in Parteigremien gegen diese Kritik - auch weil er die Verantwortung für den ausgeglichenen Haushalt der Union überlassen will: Wenn das Prestigeobjekt der Union nicht mehr zu halten wäre, soll Merkel das ihren Wählern mal schön selber erklären. Das dürfte auch der Grund sein, weshalb Gabriel einstweilen nur von den Haushaltsüberschüssen spricht, die auch an Deutsche verteilt werden sollen. Damit greift er die schwarze Null nicht an. Dass es Geld für Flüchtlinge und für Sozialprogramme nur mit neuen Schulden geben kann, soll die Union eingestehen.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: