Finanzskandal um Fischzucht:Es muss nicht immer Kaviar sein - auch nicht im Saarland

  • Die finanziell schwer angeschlagene ehemalige Stahlarbeiterstadt Völklingen wollte mit einer Edelfischzucht Geschäfte machen - auch ohne Tradition oder Erfahrung in der Fischzucht.
  • Nun sind die Stadtwerke pleite und brauchen einen Millionenkredit.
  • Die saarländische Linkspartei verlangt nun die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Auch Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) wird sich fragen lassen müssen, warum sie das Projekt nicht unterband.

Von Susanne Höll, Frankfurt

Es ist ein recht armes Land, das Saarland, hoch verschuldet. Seit Jahrzehnten müssen die Landesregierungen beim Bund betteln. Zwar gibt es inzwischen strikte Sparprogramme, doch beim Umgang mit öffentlichem Geld herrschen in und um Saarbrücken herum vergleichsweise seltsame Sitten: Im vergangenen Jahr wurde beispielsweise publik, dass SPD und CDU im Landtag aus ihren steuerfinanzierten Etats fraktionseigene Fußballmannschaften unterstützten. Die gibt es inzwischen zwar nicht mehr, doch dafür erregt nun eine andere Finanzaffäre die saarländischen Gemüter.

Die Sache begann 2007 in Völklingen. In der alten, von der Montankrise schwer gebeutelten Stahlarbeiterstadt hatte man einen Traum: Die dortigen Stadtwerker und Kommunalpolitiker fanden, Stadtwerke und Kommunalpolitik müssten einmal etwas ganz Neues auf die Beine stellen. Sie beschlossen, groß in die Meeresfischzucht einzusteigen. Völklingen, das muss man dazu wissen, hat etwa 40 000 Einwohner und liegt mindestens 500 Kilometer weit von jedwedem Meer entfernt. Die Stadt verfügte darum seinerzeit auch über keinerlei Fischzuchttradition. Das dämpfte die Begeisterung jedoch nicht. Kaviar von der Saar, lautete die Parole. Das Land, angeführt vom damaligen Ministerpräsidenten Peter Müller (CDU), war einigermaßen angetan.

Dann kam es, wie es kommen musste. Das Projekt geriet alsbald in finanzielle Not, die Stadt musste Millionenbürgschaften übernehmen, es gab jede Menge Ärger zwischen den Beteiligten. Der Einzug der Störe, Barsche und Doraden wurde immer wieder verschoben. Dann schwammen die Fische in Völklingen, aber der Ärger ebbte nicht ab: Der Geschäftsführer musste gehen, die Geldnot wuchs weiter, dann grassierte auch noch ein Virus unter den Tieren. Die Kaviarproduktion kam nicht in Gang, weil zu viele Störe männlich waren.

Kramp-Karrenbauer hätte das Fisch-Experiment untersagen können

Mittlerweile sind die Völklinger Stadtwerke pleite und brauchen einen Millionenkredit. Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) und ihre schwarz-rote Koalition müssen nun wohl einen weiteren Untersuchungsausschuss befürchten. Denn die saarländische Linkspartei, die das Völklinger Experiment von Anfang an kritisch beäugt hatte, hat erklärtermaßen nicht die Absicht, die Historie dieses ebenso seltsamen wie kostspieligen Falls auf sich beruhen zu lassen. Kramp-Karrenbauer, die bundesweit Respekt genießt, muss sich wohl auf einige unangenehme Fragen einrichten. Als Innenministerin hatte sie bis Ende 2007 auch die Aufsicht über kommunale Finanzen - wenn es ihr nötig erschienen wäre, hätte sie das Fisch-Experiment untersagen können.

Damals wie heute müssen Kommunen nach Auskunft der Landesregierung solche Projekte in Saarbrücken anzeigen, Genehmigungspflicht aber bestehe nicht. Die Landesregierung hätte aber dem Fisch-Plan sehr wohl ein Ende machen können. Das tat sie nicht, obgleich es im Kabinett Zweifel an dem Unterfangen gab.

Kramp-Karrenbauer und ihren Leuten ist die ganze Sache außerordentlich peinlich. Kein Wunder, der Ruf des Landes, das nur allzu gern sein Image als Heimat von Schwenkbraten und Schulden loswürde, ist angekratzt.

Um ihre Popularität muss die Regierungschefin, die 2017 eine Landtagswahl zu bestehen hat, aber vermutlich nicht bangen. Heinz Bierbaum, Geschäftsführer der Linksfraktion, sagt mit Blick auf die auch von der damaligen Kultusministerin Kramp-Karrenbauer zu verantwortende Kostenexplosion bei einem Bauprojekt: "Auch das hat ihrer Beliebtheit keinen Abbruch getan."

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