Feminismus-Debatte in Österreich:Töchter gegen Söhne

Andreas Gabalier

Von Österreichs Töchtern mag Volksmusik-Star Andreas Gabalier nicht singen - trotz "Lernhilfe" einer Ministerin.

(Foto: Getty Images)

Zank im Nachbarland: In Österreich debattieren Politiker, Wissenschaftler und Künstler über die Frauenquote und das Binnen-I. Die "Sprachpolizei" kämpft erbittert gegen den "Genderwahn". Ausgelöst hatte den Streit ein sturer Schlagersänger.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Um die Sache der Frauen steht es in Österreich, das lässt sich schwer verheimlichen, nicht sonderlich gut. Die ehemalige SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger jedenfalls, um deren politische und persönliche Zukunft es im aktuellen Geschlechterstreit auch geht, fasst die Misere so zusammen: "Der Antifeminismus nimmt zu."

Erst weigert sich Volksmusik-Superstar Andreas Gabalier beim Formel-1-Rennen in Spielberg, den neuen Text der Nationalhymne zu singen. Der war nach einem Parlamentsbeschluss zum Jahresbeginn 2012 geändert worden; nun besingen die Österreicher nicht nur die Heimat "großer Söhne", sondern neuerdings die Heimat "großer Töchter und Söhne". Das holpert silbentechnisch zwar ein bisschen, aber immerhin wird der weiblichen Bevölkerung nun Rechnung getragen.

Gabalier aber sang nur von den Söhnen - das habe er in der Schule so gelernt, sagte er wenig einsichtig, und er sehe keine Veranlassung, den Text nun plötzlich anders zu singen.

Zank ums Binnen-I

Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) postete daraufhin auf Facebook eine "kleine Lernhilfe" für den Musiker, berühmt für seinen Volkspop wie für seinen knackigen "Oarsch". Die Folge: ein frauenfeindlicher Shitstorm im Netz. Die netteren Posts klangen so: "Halt die Fresse", "Geh ham Gabi", "Heul doch". Die weniger netten wurden gelöscht.

Das alles geschah im Juni. Kurz darauf entbrannte an den Universitäten ein Streit um "gendersensible" Sprache. Kurz: um das "Binnen-I".

800 Unterschriften hatte ein Mitte Juli publizierter offener Brief, dessen Kernsatz so lautet: "Ein minimaler Prozentsatz kämpferischer Sprachfeministinnen darf nicht länger der nahezu 90-prozentigen Mehrheit der Staatsbürger ihren Willen aufzwingen." Das Schreiben unterzeichneten unter anderem der Philosoph Konrad Paul Liessmann, der Mathematiker Rudolf Taschner, Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder und der deutsche Journalist Bastian Sick.

Sie unterstützten damit den Entwurf "Önorm A 1080" des Normungsinstituts Austrian Standards, nach dem "das Binnen-I durch keine Rechtschreibregel gerechtfertigt und daher zu vermeiden" sei. Das hatte vehemente Proteste von Feministinnen hervorgerufen. Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste, verwahrte sich im Fernsehen gegen eine "Sprachpolizei". Frauen sprachlich nicht einbinden zu wollen sei ein Beweis dafür, dass jene auf der Siegerstraße sind, die sagen: "Schluss mit dem Feminismus".

Ministerin Heinisch-Hosek zeigt sich unbeeindruckt von dem offenen Brief: "Sprache schafft Wirklichkeit. Weibliche Formen unerwähnt zu lassen und Frauen auszublenden wäre ein falsches Zeichen." Das österreichische Nachrichtenmagazin Profil machte gleich mal eine komplett gegenderte Ausgabe und schrieb an gegen "Kulturkampf" und "Tugendterror".

Männlicher statt weiblicher Abgeordneter als Nachrücker

Dann ging der Streit in die dritte Runde. Auslöser diesmal ein sehr trauriger: der Tod der beliebten Parlamentspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ), übrigens einer bekennenden Feministin. Die Partei brauchte einen Nachrücker für die Abgeordnete - oder eine Nachrückerin. Darin lag der Kern des Problems. Nächster auf der Liste des Bundeslandes Oberösterreich, aus dem Prammer stammte, war der Alt-Gewerkschafter Walter Schopf (56), dritte die Ex-Abgeordnete Sonja Ablinger (48).

Das SPÖ-Statut ist eindeutig: Scheidet eine weibliche Abgeordnete aus, rückt eine weibliche Abgeordnete nach. Denn die Partei hat eine interne Frauenquote von 40 Prozent, die auch für den Nationalrat angestrebt wird. Derzeit liegt der Anteil weiblicher Sozialdemokratinnen bei gerade mal 31 Prozent.

Gewählt wurde als Nachrücker vom Landesvorstand der SPÖ Oberösterreich allerdings: der Mann. Das Argument: Die Listenfolge sei einzuhalten, das sehe die Wahlordnung des Nationalrats vor. Dem Votum schloss sich auch der Bundesvorstand an. Bedauernd, wie man sagte, denn man hätte die Quote gern erfüllt - aber über den Beschluss der Oberösterreicher könne man sich nicht hinwegsetzen.

Zahlungsboykott bei Mitgliedsbeiträgen

Nun wehren sich die Frauen und ihre Verbündeten. Die Sozialistische Jugend hat das Schiedsgericht der Partei angerufen. Der Bundesvorstand hat eine Arbeitsgruppe einberufen, die "neue Regeln zur Umsetzung der Quote" erarbeiten soll. Unsinn, sagt die Parteijugend, die brauche es nicht: Das SPÖ-Statut enthalte eine Muss-, keine Kann-Regelung, die nicht am "St.-Nimmerleinstag, sondern jetzt einzuhalten" sei. Die Frauen in der SPÖ Oberösterreich haben zusätzlich das Landeschiedsgericht angerufen, einige haben einen Zahlungsboykott bei ihren Mitgliedsbeiträgen angekündigt.

Und was denkt die unterlegene Kandidatin Sonja Ablinger? Böse Zungen hatten gemutmaßt, man habe sie nicht wieder im Parlament haben wollen, weil sie zweimal im Alleingang gegen die Fraktion gestimmt hatte. Sie gilt seither als "Parteirebellin". Ablinger sagt, man habe ihr angedeutet, dass "der Werner (gemeint ist Kanzler Werner Faymann, d. Red.) mich nicht mehr im Nationalrat haben will". Sie ist aber froh, dass ihr Fall die Debatte neu entzündet hat: "Wenn wir diesen Diskurs öffentlich führen, schärfen wir unsere Argumente. Schweigen wir, überlassen wir das Feld den Männern."

Apropos Männer: Die rechtspopulistische FPÖ, die einen Frauenanteil von gerade mal 18 Prozent im Parlament ausweist, hatte die Regierung aufgefordert, "dem Genderwahn den Geldhahn" abzudrehen und Gender-Lehrveranstaltungen aus allen Studienplänen der Unis streichen. So kann man Probleme natürlich auch lösen.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise, das Wiener Magazin Falter habe eine komplett gegenderte Ausgabe herausgegeben. Wir bitten dies zu entschuldigen.

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