Feinstaubbelastung:Ofen aus

In Stuttgart sollen Kontrolleure private Kamine überprüfen.

Von Josef Kelnberger

Man fühlt sich oft sehr einsam, nachts auf Stuttgarts kalten Straßen. Keine Menschenseele zu sehen, nur ein Flackern hinter geschlossenen Fenstern, und man fragt sich: Ist es das Leuchten von Flachbildschirmen? Oder gar das Lodern eines Kaminfeuers? Nur ein böses Vorurteil besagt, schwäbische Romantik bestehe darin, abends vorm Kamin das tagsüber verdiente Geld zu zählen. Aber zweifellos zieht es Stuttgarter bei Temperaturen, die Münchner noch auf ein Bier ins Freie locken, schon zurück in die heimische Behaglichkeit. Schreckliche Vorstellung deshalb, bald könnte der Kaminkontrolleur klingeln und befehlen: Ofen aus!

So schlimm wird es nicht kommen, aber doch lässt die Stadt wissen: Von sofort an wird überwacht, wie die Bürgerinnen und Bürger heizen. Seit Januar ist es verboten, "Komfortkamine" in Betrieb zu nehmen, sobald die Stadt Feinstaubalarm gibt. Stuttgart, deutsche Feinstaubhauptstadt, verfehlt die Grenzwerte seit Jahren. Und Kaminfeuer gilt nach dem Auto als wesentliche Quelle gesundheitsschädlicher Partikel. Doch anders als für Autofahrer, die an Alarmtagen freiwillig S-Bahn fahren sollen, gilt für Komfortkaminbesitzer der Zwang, zumindest auf dem Papier. Die undankbare Aufgabe, die Verordnung des Landes Baden-Württemberg zu kontrollieren, fällt der Stadt zu.

Als Komfort gelten die privaten Holzöfen, wenn sie nicht die einzige Heizquelle der Wohnung sind; etwa 20 000 gibt es davon in Stuttgart. Aus den Kehrbüchern der Schornsteinfeger hat man die Besitzer herausgefiltert. Und so werden fortan Zweierteams, bestückt von Ordnungs- und Umweltamt, an Alarmtagen ausrücken, einen strengen Blick auf den Schornstein werfen, bei den Besitzern klingeln - dann aber nicht sofort das Bußgeld in Höhe von 100 Euro verhängen.

Wie man Kaminvergehen rechtssicher beweisen kann, müsse man erst herausfinden, sagt Peter Pätzold, der grüne Umwelt-Bürgermeister. Den Zutritt zur Wohnung dürfen sich die Kontrolleure ja nicht erzwingen. Zunächst einmal sollen sie Info-Material verteilen und aufklären über das Verbot, das je nach amtlicher Feinstaubprognose zwischen Mitte Oktober und Mitte April in Kraft tritt. In der Feinstaubperiode 2016/2017 galt der Alarm an 85 Tagen. So viele kalte Tage ohne Schwedenofenfeuer, herzlos? Letztlich ist auch diese Verordnung ein Beleg für die, gelinde gesagt, pragmatische Luftreinhaltepolitik der grün geführten Regierung.

"Kniefall vor der Ofenindustrie", schimpfte die Deutsche Umwelthilfe, weil Öfen vom Baujahr 2015 an pauschal vom Verbot ausgenommen wurden. Auch moderne Öfen würden mehr Feinstaub ausstoßen, als von den Herstellern angegeben. Und letztlich komme es auch darauf an, wie geheizt wird. Ist das Holz trocken? Ist die Luftzufuhr richtig geregelt? Umweltaktivisten fordern deshalb strenge Ofenverbote, strenge Fahrverbote sowieso. Aber da zieht die Regierung partout nicht mit. Selbst die vor Gericht eingegangene Verpflichtung, an Alarmtagen den Verkehr am Feinstaub-Hotspot Neckartor vom 1. Januar 2018 an um 20 Prozent zu reduzieren, ignoriert das Land: nicht umsetzbar, heißt es. Man kann den Anwohnern nur empfehlen: Fenster zu und einen, natürlich emissionsfreien, Kamin anheizen.

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