FDP vor Dreikönigstreffen:Liberale wünschen Westerwelle-Wunder

Umfragedesaster, Mitgliederschwund und ein angezählter Parteichef: Die FDP ist am Boden. Die SZ hat führende Liberale gefragt, was sie von Frontmann Guido Westerwelle jetzt erwarten.

Oliver Das Gupta

Die gute Nachricht für Guido Westerwelle lautet: Namhafte FDP-Landespolitiker wollen ihn als Parteichef nicht stürzen. Die schlechte Nachricht: Die gute Nachricht kann am 6. Januar ihre Gültigkeit verlieren.

Dreikönigstreffen der FDP Westerwelle

Gewünschte "Ruck-Rede" für die darbenden Freidemokraten: Namhafte Liberale aus den Landesverbänden erwarten einen richtungsweisenden Auftritt von FDP-Chef Guido Westerwelle beim Dreikönigstreffen. Diese Aufnahme entstand im Januar 2010 auf der traditionellen Veranstaltung in Stuttgart.

(Foto: dpa)

An diesem Tag kommen die Liberalen traditionell zu ihrem Dreikönigstreffen zusammen, bei dem der Bundesvorsitzende die Erfolge des vergangenen Jahres resümiert und den Kurs für das kommende festzurrt. Triumphe gibt es in Stuttgart diesmal nicht zu verkünden, im Gegenteil: In der Regierung hat die Westerwelle-Truppe kein einziges liberales Kernthema durchgebracht, ein massiver Mitgliederschwund hat begonnen; die Verbliebenen blicken bang auf die Umfragewerte ihrer - im Moment - Drei-Prozent-Partei. Über allem thront Westerwelle, für den Stuttgart inzwischen wohl vor allem bedeutet: Die letzte realistische Chance, den Vorsitz zu behalten.

Trendwende, unbedingt: Auf diesen Nenner lässt sich die vorherrschende Erwartungshaltung der FDP-Landesverbände an Westerwelles Stuttgarter Auftritt bringen. Die Süddeutsche Zeitung hat mit namhaften Vertretern nahezu aller Landesverbände der FDP über die Misere gesprochen.

Landesparteichefs und Generalsekretäre, Parteivorstände und Regierungsmitglieder - sie alle hoffen auf einen Guido Westerwelle, der seine frustrierte Partei aufrichtet: Der Chef müsse für eine "Initialzündung" sorgen, die "neue Begeisterung entfacht", sagt etwa Michael Roolf, der FDP-Fraktionschef im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern.

Hoffnung auf eine Ruck-Rede

Ähnliche Töne sind von den anderen liberalen Landesgranden zu vernehmen: Er hoffe, dass Westerwelle in Stuttgart deutlich macht, dass die "FDP dringender denn je gebraucht wird", sagt Bremens FDP-Chef Oliver Möllenstädt. Ein anderer Landesvorsitzender sagt, Westerwelle und der waidwunden Partei helfe mittlerweile nurmehr eine "Ruck-Rede".

Gerry Kley, FDP-Vorstandsmitglied aus Sachsen-Anhalt, meint, "inhaltlich sollte eine Road-Map gezeichnet werden, wie man sich 2011 vorstellt." Man erwarte am 6. Januar ein "Signal der Geschlossenheit", sagt der Brandenburger FDP-Generalsekretär Gregor Beyer. "Dieses Signal zu setzen ist Aufgabe von Guido Westerwelle, aber auch von uns allen als Team. " Holger Zastrow, der FDP-Fraktionschef im sächsischen Landtag, erwartet von der Parteispitze eine "selbstkritische Analyse und eine strategische Neuausrichtung".

Die bayerische FDP-Landesvorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wünscht sich, dass von Stuttgart eine "Aufbruchstimmung" ausgeht. "Ich erwarte, dass Guido Westerwelle zu Dreikönig eine klare inhaltliche Ausrichtung vorgibt", sagt die Bundesjustizministerin. "Er muss zeigen, wie die Liberalen die Landtagswahlen bestehen sollen."

Richard Drautz gehört zu jenen FDP-Landesverbänden, in denen 2011 der Landtag gewählt wird. Der Weinbaumeister sitzt als Wirtschaftsstaatsekretär mit Kabinettsrang in der baden-württembergischen Landesregierung und erwartet vom Parteichef, dass er eigene Fehler eingesteht: "Westerwelles Rede sollte selbstkritisch sein", sagt Drautz, und sie solle "motivieren". Ähnlich hatte Lasse Becker, Chef der Jungen Liberalen (JuLis), im sueddeutsche.de-Interview seinen Wunschzettel für den Dreikönigstag formuliert.

Einen Auftritt, der das Eingeständnis von Fehleinschätzungen nicht ausspart, erwartet auch Jorgo Chatzimarkakis, Europaabgeordneter, Mitglied des FDP-Bundesvorstandes und bis vor kurzem Generalsekretär der saarländischen Liberalen. "Ich wünsche Guido Westerwelle die Rede seines Lebens", sagt Chatzimarkakis. "Zu dieser Rede gehört auch eine Portion Selbsterkenntnis." Es müsse eine authentische, realistische Selbsteinschätzung sein, damit er auch glaubhaft sei und den "aktuellen Zeitgeist" brechen könne.

Dieser "Zeitgeist" schlägt sich darin nieder, dass die großen Landesverbände der Liberalen binnen eines Jahres bis zu fünf Prozent ihrer Mitglieder verloren haben, während die Grünen ein sattes Plus von rund zehn Prozent verzeichnen. Der "Zeitgeist" sieht die grüne Konkurrenz bei 20 Prozent - und die als "Mövenpick-Partei" verspottete FDP in der außerparlamentarischen Opposition.

"Westerwelle ist unter Druck stark"

Unter der Fünf-Prozent-Hürde: Ein solches Schicksal haben die Liberalen auch in Mainz vor Augen. Herbert Mertin führt die FDP als Spitzenkandidat in die rheinland-pfälzische Landtagswahl im März. Der Freidemokrat, der auch der Landtagsfraktion vorsteht, hat vor einiger Zeit ausgesprochen, was viele auch Westerwelle zugeneigte FDP-Funktionäre im vertraulichen Gespräch einräumen: Der Parteichef wirke inzwischen wie ein "Klotz am Bein".

"Füße still halten"

Das ist nun zwei Wochen her. Heute sagt Mertin mit Blick auf den 6. Januar: "Stuttgart ist eine gute Gelegenheit, dass Guido Westerwelle einen Weg aufzeigt, wie die Partei und er selbst wieder in die Offensive kommen." Das sei auch das Ziel seiner Klotz-Kritik gewesen.

Eine Personaldebatte halten sämtliche führende Liberale in den Ländern für schädlich, zumindest, was die Zeit vor Dreikönig betrifft. Auch aus dem hessischen Landesverband unter Führung von Jörg-Uwe Hahn - aus dessen Kreis die Idee eines Sonderparteitags kam - ist zu vernehmen, dass man gut daran tue, "jetzt die Füße still zu halten". Über Personal werde beim ordentlichen Parteitag im Mai gesprochen, heisst es.

So wie die hanseatischen Freidemokraten formulieren es die meisten: Die Parteispitze sei mit Westerwelle und Generalsekretär Christian Lindner "gut aufgestellt", sagt Hamburgs FDP-Chef Rolf Salo. Wobei von den Landesgranden immer wieder die Talente Lindners gepriesen werden - und betont wird, wie gut seine Rede beim Stuttgarter Dreikönigstreffen 2010 war.

Zuletzt waren von angeblichen Überlegungen in der Partei berichtet worden, ein Führungsquartett um Lindner auf den Schild zu heben, das die Partei statt Westerwelle managen könnte. Die Wut auf solche Durchstechereien und Gerüchte ist in den Landesverbände groß: Gerry Kley ärgert sich über "Spiegelfechtereien" und über Medien, denen es Freude bereite, "einen Vorsitzenden sturmreif zu schießen". Der Sachse Zastrow nennt den Umgang mit Westerwelle "unanständig" - wenn mancher Liberale nun alle Probleme beim Vorsitzenden "ablegt". Michael Roolf, der FDP-Fraktionschef im Schweriner Landtag, geißelt die Angriffe auf Westerwelle als "unzumutbar".

Bayerns FDP-Chefin Leutheusser-Schnarrenberger warnt ihre Parteifreunde eindringlich davor, sich öffentlich über Personal und Strategie streiten. "Wir dürfen uns nicht demontieren durch Gerüchte und angebliche Personal-Variationen", sagt die Ministerin. Man gebe so ein "verheerendes Bild" ab. "Westerwelle soll der Raum gegeben werden, selbst inhaltlich und strategisch eine Richtung vorzugeben."

"Stuttgart? Das Feld hat er sich ausgesucht"

Ein anderer Landesvorsitzender, den man durchaus eher den Westerwelle-Fans zurechnen darf, hadert noch immer damit, dass der Liberalen-Boss sich nicht schon im Herbst angeschickt hat, die darbende Partei aus dem Stimmungstief zu hieven. Mit Blick auf die Hopp-oder-Topp-Rede in Stuttgart sagt er trocken: "Das Feld hat er sich ausgesucht".

Der Saarländer Jorgo Chatzimarkakis, der Westerwelle seit den gemeinsamen Zeiten bei den Jungen Liberalen kennt, traut dem Parteichef zu, das Blatt zu wenden. "Guido Westerwelle ist unter Druck stark", sagt Chatzimarkakis. "Druck spornt ihn an, die beste Rede seines Lebens zu halten".

In der wahlkämpfenden Südwest-FDP schaut man mit besonderer Spannung auf Westerwelles Dreikönigs-Ansprache, schließlich gilt Baden-Württemberg als liberales Stammland, hier stellte man sogar einmal den Ministerpräsidenten. "Wir sollten jetzt den 6. Januar abwarten", sagt Staatsekretär Drautz, auf die "paar Tage mehr kommt es nicht mehr an."

Wie dünn die Luft für den Bundesvorsitzenden und Außenminister ist, beschreibt der honorige Freidemokrat nüchtern mit einem Satz: "Von seinem Auftritt in Stuttgart wird abhängen, ob wir ihn behalten wollen."

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