FDP vor der Neuwahl in NRW:Nur eine Bewährungsprobe mehr

Erst bei Gauck, jetzt in Nordrhein-Westfalen: Die FDP setzt in ihrem Überlebenskampf neuerdings auf Prinzipientreue. Dass sie damit eine Neuwahl provoziert haben, stört die Liberalen nicht. "Das kann sich nur zum Guten wenden", heißt es aus der Parteizentrale. Ob es tatsächlich so kommt, dürfte nicht zuletzt eine Frage des Spitzenkandidaten sein.

Peter Blechschmidt, Berlin

Zwei Prüfsteine waren eigentlich schon genug, aber auf einen dritten kommt es dann auch nicht mehr an. So jedenfalls lautet eine erste Reaktion in der Bundeszentrale der FDP auf die Nachricht von der bevorstehenden Neuwahl in Nordrhein-Westfalen.

Landtag NRW

Der FDP-Landesvorsitzende und Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (l.) und der Fraktionsvorsitzende Gerhard Papke im Düsseldorfer Landtag.

(Foto: dpa)

Hatte man bis zum Jahresbeginn noch mit einer einzigen Landtagswahl für dieses Jahr gerechnet - jener in Schleswig-Holstein am 6. Mai -, so kam an Dreikönig der Bruch der Jamaika-Koalition im Saarland mit der Folge der Neuwahl am 25. März hinzu. Nun also noch eine dritte Entscheidung, bei der es für die Liberalen ums parlamentarische Überleben geht - und für den Bundesvorsitzenden Philipp Rösler um seinen Verbleib im Amt.

Wie für alle Beteiligten, so kamen auch für die FDP an Rhein und Spree die Ereignisse in Düsseldorf völlig überraschend. Man hatte sich das bei den NRW-Liberalen so schön zurechtgelegt. Man lehnt die Einzeletats ab; dann hat man zwei bis drei Wochen Zeit, in Verhandlungen Korrekturen am Haushalt durchzusetzen. Dabei hatte man vor allem eine geringere Neuverschuldung im Visier, die man als eigenen Erfolg hätte verkaufen können. Damit wäre letztlich auch eine Enthaltung zu rechtfertigen gewesen.

So war die Strategie am Montagabend im Landesvorstand "in großer Eintracht", wie Teilnehmer der Sitzung berichten, vom Landesvorsitzenden, dem Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, und vom Fraktionschef im Landtag, Gerhard Papke, noch einmal dargelegt worden. Am Mittwochmorgen in der Fraktion war das alles Makulatur. Die Abgeordneten seien sich in Anwesenheit Bahrs rasch einig geworden, dass es eine Frage der Glaubwürdigkeit sei, nicht einzuknicken, sondern auch auf die Gefahr von Neuwahlen hin an der Ablehnung des Haushalts festzuhalten.

"Das kann sich nur zum Guten wenden"

"Prinzipientreue" ist nun die Losung, mit der die FDP hofft, neues Vertrauen zu gewinnen. Dass nun eine dritte Bewährungsprobe hinzukommt, sieht man im Berliner Thomas-Dehler-Haus nicht als Verschlechterung der Ausgangslage - im Gegenteil.

Auch wenn sich dies bisher in den Umfragen noch nicht ausgezahlt hat, ist man hier doch der Meinung: Es war für die Glaubwürdigkeit der FDP förderlich, den Bundespräsidentenkandidaten Joachim Gauck durchgedrückt zu haben - selbst gegen die Drohung von Kanzlerin Angela Merkel, die Berliner Koalition platzen zu lassen. Nun also hat man - nach eigener Lesart - in der Frage des NRW-Haushalts erneut Haltung bewiesen. "Das kann sich nur zum Guten wenden", sagt am Mittwoch einer aus der Führungsriege der Parteizentrale.

Darauf kann Parteichef Rösler nur hoffen. Er weiß, dass die momentan nur als unterdrücktes Gemurmel wahrnehmbare Personaldebatte in seiner Partei sofort wieder aufflammt, falls die Prüfsteine der drei Landtagswahlen zu Stolpersteinen werden sollten. Ein Ausscheiden aus dem saarländischen Landtag ist einkalkuliert und bereits abgehakt; sollte der Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde wider Erwarten doch gelingen, umso besser.

Anders die Lage in Schleswig-Holstein, wo man zwar mit dem Verlust der Regierungsbeteiligung rechnet, aber doch auf den Verbleib im Parlament spekuliert. Es ist fast ein politischer Treppenwitz, dass alle Hoffnungen dort auf Wolfgang Kubicki, dem notorischen Kritiker der Bundespartei, ruhen.

Bahr und Papke?

Wie die Sache in Nordrhein-Westfalen - und damit für Rösler - ausgeht, dürfte nicht zuletzt eine Frage des Spitzenkandidaten sein. Sie wird zwischen Bahr und Papke entschieden werden. Bahr hat bei seiner Wahl zum Landesvorsitzenden im November 2010 auch Bereitschaft gezeigt, bei der nächsten Wahl als Spitzenkandidat anzutreten. Das Risiko, deshalb seinen Berliner Kabinettsposten aufgeben zu müssen, ist vergleichsweise gering, da mit einer Regierungsbeteiligung der FDP in NRW auch nach der Neuwahl nicht zu rechnen ist, Bahr also durchaus Bundesminister bleiben könnte.

Papke ist ausgewiesener Landespolitiker, allerdings nur mäßig populär. Welcher von beiden dem Bundesvorsitzenden lieber wäre, ist schwer zu sagen. Papke hat sich wie Kubicki gelegentlich als Kritiker seiner Berliner Parteifreunde hervorgetan. Bahr galt zusammen mit Rösler und Christian Lindner als Mitglied der "Boygroup", die den langjährigen Vorsitzenden Guido Westerwelle stürzte. Die drei dementieren, dass es diese Gruppe als festes Trio überhaupt gegeben habe.

An Christian Lindner denken natürlich am Mittwoch auch gleich wieder viele. Er war im Dezember Knall auf Fall als Generalsekretär der Bundespartei zurückgetreten. Jetzt strebt er in Köln den Vorsitz des größten FDP-Bezirks an und signalisiert damit, dass er sich aus der Politik noch lange nicht verabschiedet hat. Die Spitzenkandidatur in NRW allerdings käme für ihn viel zu früh.

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