FDP und Sozialpolitik:Westerwelle hartzt zurück - alles Sozialismus

Nach seinen drastischen Äußerungen zur Sozialpolitik und Abhandlungen über "spätrömische Dekadenz" legt Außenminister Westerwelle kräftig nach. Der FDP-Nachwuchs hilft: Der Chef der Jungliberalen spricht mit Blick auf erhöhte Sozialleistungen von "Lügenmärchen".

"Ich kann auch anders", hatte Guido Westerwelle unlängst verkündet. Seitdem scheint der FDP-Vorsitzende auf Krawall zu setzen: Im Konflikt um den Atomausstieg mit CDU-Umweltminister Norbert Röttgen, zuletzt in der Sozialpolitik: Nach seiner drastischen Kritik an der Debatte um Hartz IV, meldete er sich per Interview nun abermals zu Wort, verteidigte seine Äußerungen - und legte nach.

Außenminister GuidoWesterwelle AP

Wittert "geistigen Sozialismus" in der Diskussion um Hartz IV: FDP-Chef Guido Westerwelle

(Foto: Foto: AP)

"Die Diskussion über das Hartz-IV-Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat sozialistische Züge", sagte er der Passauer Neuen Presse. "Wenn man in Deutschland schon dafür angegriffen wird, dass derjenige, der arbeitet, mehr haben muss als derjenige, der nicht arbeitet, dann ist das geistiger Sozialismus", erklärte der FDP-Chef.

Nach seiner Warnung vor "spätrömischer Dekadenz" bemühte sich Westerwelle diesmal um einen Vergleich mit dem Tierreich. Er erklärte: Kleine und mittlere Einkommen dürften nicht länger "die Melkkühe der Gesellschaft" sein.

Die wütenden Reaktionen aus dem linken Lager zeigten doch, dass er den Finger in die Wunde gelegt habe. "Für viele Linke ist Leistung ja beinahe eine Form von Körperverletzung. Dagegen wehre ich mich", erklärte der Chefdiplomat der Republik reichlich undiplomatisch.

Wer seinem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspreche, sorge dafür, dass man alles verliere, sagte Westerwelle. "Deswegen mögen mich die Sozialdemokraten aller Parteien kritisieren, es bleibt dabei: Leistung muss sich lohnen, und es gibt keinen Wohlstand ohne Anstrengung und Leistung." Dass eine verheiratete Kellnerin mit zwei Kindern im Durchschnitt 109 Euro weniger verdiene, als wenn sie Hartz IV beziehen würde, sei ungerecht.

Jungliberalen-Chef: Wollen Hartz IV fairer machen

Unterstützung erhielt Westerwelle vom Chef des FDP-Nachwuchses: Johannes Vogel, Vorsitzender der Jungliberalen (Julis) und arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, sagte mit Blick auf die von Linkspartei und Gewerkschaften geforderten deutlichen Erhöhung der Hartz-IV-Sätze: "Ich kann die Lügenmärchen nicht mehr hören."

Und weiter: "Fakt ist doch, dass wir 'Hartz IV' nach dem Vorbild des liberalen Bürgergeldes fairer machen werden." Kaffeesatzleserei über die Höhe und die Kosten der Regelleistungen seien "unangebracht", sagte Vogel der Rheinischen Post. Entscheidend sei der tatsächliche Bedarf und keine "politisch opportunen Zahlen".

Von der Opposition und den Gewerkschaften kam massive Kritik an Westerwelles Äußerungen. Dagegen nahm der Berliner FDP-Bundestagsabgeordnete Martin Lindner seinen Parteichef in Schutz. Er verstehe Westerwelle "aus dem Aspekt heraus, dass unmittelbar nach dem Urteil reflexhaft" der Ruf gekommen sei, nun sei "jede Art von Steuerentlastung" hinfällig.

Es gäbe beim Thema soziale Gerechtigkeit immer zwei Blickwinkel. Für Bedürftige müsse es sozial gerecht sein, sagte Lindner. "Aber es muss auch für diejenigen sozial gerecht sein, die das Geld täglich in harter Arbeit erwirtschaften." Das habe Westerwelle sagen wollen.

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