FDP und die Haider-Partei BZÖ:Haiders Schatten

Eine eher unbedeutende Personalie versetzt die Liberalen im Europaparlament in Aufregung. Eine österreichische Abgeordnete wechselt zu den Rechtspopulisten von der ehemaligen Haider-Partei BZÖ. Ausgerechnet die deutsche FDP-Delegation hat erstaunliche Abgrenzungsprobleme.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Angelika Werthmann macht Probleme. Keiner weiß, ob sie das wollte. Aber die österreichische Abgeordnete im Europaparlament hat gerade eine Partei in Schwierigkeiten gebracht, die von sich sagt, in Deutschland für Liberalismus zu stehen. Die FDP.

Den meisten dürfte der Name Werthmann nichts sagen. Das wäre wohl auch völlig in Ordnung so. Jetzt aber hat sie sich eine neue politische Heimat gesucht. Und die liegt am rechten Rand der österreichischen Parteienlandschaft.

Werthmann besetzt bei der anstehenden Europawahl Listenplatz zwei des BZÖ, des Bündnisses Zukunft Österreich. Angeführt wird die Liste von einer Frau mit einem ziemlich bekannten Nachnamen. Ulrike Haider soll das BZÖ am 25. Mai ins Europaparlament führen. Und als hätte die Tochter des 2008 verstorbenen Jörg Haider eine Sensation zu verkünden, stellte sie Angelika Werthmann Ende März höchstpersönlich vor.

Das war ein Coup für das fast bedeutungslose BZÖ. Werthmann mag kaum bekannt sein. Aber sie gehört der respektierten Alde-Fraktion im Europaparlament an. Darin haben sich die liberalen europäischen Kräfte in Europa zusammengetan. Die FDP-Delegation im Europaparlament ist Teil dieser Fraktion. Werthmann selbst ist nie durch rechtspopulistische Töne aufgefallen. Was sie dann zum BZÖ zieht? Diese Frage bleibt unbeantwortet.

Präambel mit Bezug zu Haider

Im BZÖ versammeln sich vornehmlich Ewiggestrige und nationalliberale Kräfte. Der 2008 verstorbene Rechtspopulist und frühere FPÖ-Chef Jörg Haider gründete es 2005. Viele sind mit der Parteigründung ihrem großen Vorbild Jörg Haider aus der FPÖ in das BZÖ gefolgt. Fast die komplette damalige FPÖ-Parteiführung ist heute im BZÖ engagiert. Schon in der Präambel seiner zehn Grundsatzpositionen heißt es:

"Unser Auftrag ist es, auf dem von Jörg Haider geschaffenen stabilen Fundament aufzubauen und neue politische Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft zu geben."

Die meisten liberalen Parteien in Europa wollen nichts mit einer Partei zu tun haben, die sich auf Haider beruft. Der belgische Chef der Alde-Fraktion, Guy Verhofstadt, hat umgehend gehandelt. Er will Werthmann nicht länger in der Fraktion sehen und beantragte einen Fraktionsausschluss. Kommende Woche soll darüber abgestimmt werden.

An diesem Mittwoch aber kam es zu einer denkwürdigen Aussprache in der Fraktion. Da kommt die FDP ins Spiel.

Mitglieder der FDP-Delegation sollen nach Informationen von Süddeutsche.de Werthmann eher verteidigt haben. Delegationsleiter und FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl Alexander Graf Lambsdorff soll nach Aussagen von Teilnehmern beispielsweise Zweifel daran gehabt haben, ob so mit Werthmann verfahren werden könne. Er habe gar eine Zusammenarbeit mit dem BZÖ für die Zukunft nicht ausgeschlossen. Im Moment sei das BZÖ sicher noch nicht so weit. Aber in ein paar Jahren habe sich es sich womöglich weiterentwickelt, sagte Lambsdorff nach Angaben von Teilnehmern.

Der FDP-Abgeordnete Holger Krahmer aus Sachsen warf ein, in einem früheren Fall sei eine für liberale Verhältnisse äußerst linke französische Abgeordnete in die Alde-Fraktion aufgenommen worden. Da habe es keine solche Debatten gegeben. Wieder andere bemäkelten den rigorosen Stil des Fraktionsvorsitzenden. Eine deutliche und unmissverständliche Abgrenzung zum BZÖ soll von Seiten der deutschen FDP-Delegation nicht zu hören gewesen sein.

Die Debatte war offenbar recht emotional. Eine Abgeordnete soll entrüstet gewesen sein über die Wortmeldungen aus den Reihen der FDP. Wer Zweifel daran habe, dass das BZÖ nicht als Partner tauge, der solle sich überlegen, ob er in der Alde-Fraktion noch richtig verortet sei.

In einer dürren Pressemitteilung von Anfang der Woche erklärt die FDP-Delegation lediglich, eine Zusammenarbeit von BZÖ und Alde-Fraktion sei für die FDP "nicht vorstellbar". Auch wenn das BZÖ mit einigen ihrer radikalsten Forderungen aus der Vergangenheit aufgeräumt hat, bleibt sie eine Partei am rechten Rand des politischen Spektrums, wie ein Blick in ihr Programm und andere Grundsatzdokumente schnell klarmacht".

Lambsdorff: Keine Zusammenarbeit mit dem BZÖ

Die Pressemeldung tauchte allerdings bis Donnerstagabend nicht auf der Internetseite der FDP-Delegation auf. Und unterschrieben hat sie lediglich der Pressesprecher der FDP-Delegation, Axel Heyer. Nicht aber Delegationsleiter und Spitzenkandidat Lambsdorff. Beides spricht nicht gerade für eine eindeutige Haltung.

Erst auf Nachfrage von Süddeutsche.de stellt Lambsdorff telefonisch klar: "Mit dem BZÖ wird es keine Zusammenarbeit geben. Ende der Durchsage." Er werde seiner Delegation empfehlen, in der kommenden Woche für den Ausschluss von Angelika Werthmann aus der Fraktion zu stimmen. Für ihn sei das BZÖ eine "absolute no go area". Auf einen freiwilligen Rückzug kann die Alde-Fraktion nicht hoffen. Das hat Werthmann bereits klargestellt.

Dem BZÖ kommt der bisherige Schlingerkurs der FDP in der Sache sehr gelegen. Es will gerne zum Kreis der liberalen Parteien in Europa gehören. Spitzenkandidatin Ulrike Haider hat den Mitgliedern der Fraktion mit "kind regards" eine Mail geschrieben, in der sie ihr Unverständnis über den Umgang mit ihrer Kandidatenkollegin Werthmann äußert. Die Mail liegt Süddeutsche.de vor.

Darin legt die Haider-Tochter besonderen Wert auf ihre Feststellung, dass die Programmatik des BZÖ mit der vieler anderer liberaler Parteien in Europa vergleichbar sei. Das BZÖ-Programm sei gar in den "besonders wichtigen Teilen vergleichbar mit dem Programm des Alde-Mitgliedes FDP".

Die bis dato unklare Haltung der FDP-Delegation ist auch deshalb bemerkenswert, weil das BZÖ in Österreich nur im Haider-Land Kärnten nennenswerte Bedeutung hat. Im Nationalrat ist die Partei nicht vertreten. Und für die Europawahl sieht es ebenfalls schlecht aus. In österreichischen Umfragen wird sie auf höchstens zwei Prozent taxiert. Vier Prozent braucht sie aber formal mindestens, um nach österreichischem Wahlrecht ins Europaparlament einziehen zu können.

Das BZÖ will dringend gesellschaftsfähig werden. Ulrike Haider tritt betont proeuropäisch auf. Auf ihren Vater Jörg Haider will die Tochter aber nichts kommen lassen.

BZÖ beschwert sich über Hass und Hetze

Der slowenische Alde-Abgeordnete Ivo Vajgl sieht das BZÖ sehr kritisch. "Manche von denen, die wir früher als alte Nazis kannten, sprechen jetzt über das Zusammenleben und geben sich als tolerante Demokraten", sagt er im Gespräch mit Süddeutsche.de. Vajgl jedenfalls ist mit dem Rauswurf von Werthmann völlig einverstanden. Eine Partei, die sich auf das Vermächtnis von Jörg Haider berufe, könne niemals Partner für liberale Parteien sein.

Das BZÖ reagiert auf seine Art auf den drohenden Ausschluss von Werthmann. Der "Hass" von Alde-Fraktionschef Guy Verhofstadt "gegenüber Jörg Haider sitzt offenbar so tief, dass er vor der Tochter eines Verstorbenen nicht Halt macht", erklärte BZÖ-Chef Gerald Grosz vergangene Woche. Er ist ein alter Weggefährte Haiders. Wer sich diese "Hetze" gegen die Tochter des verstorbenen Kärntner Landeshauptmannes nicht bieten lassen wolle, sei "eingeladen, mit uns ein Stück des Weges zu gehen".

An diesem Freitag hat das BZÖ eine Pressekonferenz mit Parteichef Gerald Grosz, Ulrike Haider und Angelika Werthmann zum Thema Fraktionsausschluss gegeben.

Ganz gut vielleicht, dass Lambsdorff jetzt den Irritationen in der Fraktion ein Ende bereitet hat.

In einer früheren Version des Artikels wurde 2006 als Gründungsjahr der BZÖ genannt. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten um Entschuldigung.

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