FDP-Spitzenkandidat Rainer Brüderle:Das dürfen Sie alles nicht schreiben

FDP-Bundestagsfraktion

Was ich sagen will, sagt Ihnen meine Pressestelle: FDP-Mann Rainer Brüderle setzt auf Intransparenz

(Foto: dpa)

Rainer Brüderle gibt sich gerne transparent. Aber in Gesprächen mit der Presse setzt der FDP-Spitzenkandidat jetzt auf totale Kontrolle. Sind seine Aussagen so brisant? Nein, im Gegenteil.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Wenn es darum geht, schriftliche Anfragen von Journalisten öffentlich zu machen, dann ist die FDP ganz vorne dabei. Zum Beispiel hat sie Fragenkataloge von Journalisten veröffentlicht, die Auskunft über die Parteifinanzen der FDP erhalten wollten - inklusive der Antworten. Dass damit auch gleichzeitig Konkurrenzmedien Einsicht in die Recherchen ihrer Kollegen bekommen, stört die FDP nicht. Sie stellt sich lieber als Verteidigerin des hohen Gutes der Transparenz dar. Die FDP sei "an größtmöglicher Transparenz und an korrekter Darstellung interessiert", wird FDP-Sprecher Peter Blechschmidt in dem Zusammenhang zitiert.

Anders scheint es sich zu verhalten, wenn es um die eigenen Spitzenkräfte geht. Um Rainer Brüderle zum Beispiel. Der ist ja nicht nur Fraktionschef der FDP im Bundestag. Sondern auch "Spitzenmann" der FDP für den Bundestagswahlkampf. Brüderle hält nicht mehr viel von allzu großer Transparenz.

In Sitzungswochen des Bundestages lädt er mittwochs gut zwei Dutzend Journalisten in einen lichtdurchfluteten Raum im sechsten Stock des Jakob-Kaiser-Hauses ein. Meterhohe Fensterfronten geben den Blick frei auf den Reichstag und vermitteln ein herrlich transparentes Gefühl.

Der Kanzlerin treu ergeben

Ein paar belegte Brote, Cola, Kaffee, Saft und Wasser werden gereicht. Dann berichtet Brüderle über die Lage der Nation, drischt auf die Opposition ein und erklärt, wie der Euro zu retten ist. Selten, dass er etwas sagt, was die Anwesenden wirklich überrascht. Der Kanzlerin ist er treu ergeben, den Ministern ohnehin. Ein böses Wort über die eigenen Leute käme ihm nie in den Sinn. Das heißt, in den Sinn schon. Er sagt es nur nicht. Wer wissen will, was Brüderle wirklich denkt, der muss mit Leuten reden, mit denen er offen redet. Viele sind das nicht.

Aber manchmal reicht ein Zucken der Augenbrauen, ein verschmitztes Lächeln, und jeder in der Runde weiß, was er gerade wirklich über den einen oder anderen Minister denkt, oder über die ein oder andere Panne im Regierungsgeschäft.

Journalisten konnten aus seinen Runden immer frei zitieren. Warum auch nicht? Es gab ja ohnehin nichts, das besser unausgesprochen geblieben wäre.

An diesem Mittwochmorgen aber überraschte Brüderles Fraktionssprecherin Beatrix Brodkorb die Runde mit der Ankündigung, die Gespräche seien von jetzt an grundsätzlich unter drei*. Bedeutet: Nur das Eingangsstatement, der Werbeblock sozusagen, könne weiter frei zitiert werden. Alle weiteren Zitate müssten sich die Journalisten vorher autorisieren lassen.

Offenheit hat Vorteile

Heißt: Ab ins Büro, eine Mail aufsetzen an die Sprecherin, warten, warten, warten. Und hoffen, dass denen nicht einfällt, dass der Satz doch besser so nicht gesagt worden wäre. Das ist nicht Transparenz. Das ist totale Kontrolle.

Regelmäßige Gesprächsrunden in Sitzungswochen bieten übrigens alle Parteien an. Die Regeln dort:

  • Michael Grosse-Brömer, Parlamentsgeschäftsführer der Unionsfraktion, sagt alles unter eins*. In wenigen Ausnahmefällen sagt er etwas unter drei.
  • Thomas Oppermann, Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Fraktion: Alles unter eins. So gut wie nie unter drei.
  • Gregor Gysi, Fraktionschef der Linken: Mal unter eins, mal unter drei.
  • Volker Beck, Parlamentsgeschäftsführer der Grünen: Alles unter eins, selten unter drei.
  • Gerda Hasselfeldt, CSU-Landesgruppenchefin: Alles unter eins, selten unter drei.

Die Offenheit hat Vorteile. Jeden Dienstag und Mittwoch - an diesen beiden Tagen finden die Runden statt - häufen sich die Meldungen der Nachrichtenagenturen wie dpa oder Reuters, in denen die Genannten mit Zitaten auftauchen. Ein wichtiger Teil der politischen Kommunikation läuft über diese Gespräche.

Nur Brüderle macht da nicht mehr mit. Das wäre ja fast noch in Ordnung, wenn er das offene Wort schätzen würde. Wenn er jetzt statt der üblichen Wahlkampfreden ehrliche Einschätzungen liefern würde. Aber selbst unter drei sagt er Sätze wie "Die Kanzlerin ist eine starke Frau" oder "Gut, dass es die FDP gibt."

Ups, das war jetzt eigentlich verboten. Sorry, lieber Herr Brüderle, falls ich ein Geheimnis verraten habe.

*Kleines Zitier-Glossar:

  • Unter eins: Das Gesagte darf frei und wörtlich zitiert werden.
  • Unter zwei: Das Gesagte darf wörtlich zitiert werden ohne die Person zu nennen, die es gesagt hat. Das sind dann die so genannten "Kreise" oder das "Umfeld".
  • Unter drei: Nichts darf wörtlich zitiert werden, es sei denn, die Sätze werden ausdrücklich freigegeben.

UPDATE 24.04.2013: Die "Alles unter drei" Regel hatte nur eine Woche Bestand. Nach der heftigen Kritik an der quasi geheimen Presserunde mit Rainer Brüderle sieht die neue Regelung jetzt so aus: Das Eingangsstatement ist unter eins. Fragen, die Themen betreffen, die Brüderle in seinem Eingangsstatement angesprochen hat, werden ebenfalls unter eins beantwortet. Fragen, die andere Themen betreffen, werden unter drei beantwortet, mit der Möglichkeit, sich einzelne Sätze nachher autorisieren zu lassen. Die neue Regelung bleibt damit dennoch die strengste im oben beschreibenen Umfeld.

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