FDP-Spitzenkandidat Kubicki in Schleswig-Holstein:Ich, der Retter

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Nicht wenige FDP-Funktionäre verachten ihn. Doch jetzt darf Wolfgang Kubick den Retter der Liberalen geben. Ausgerechnet er. Seinen Triumph in Schleswig-Holstein mit dem Wiedereinzug in den Landtag kostet der Spitzenkandidat in vollen Zügen aus - und kommentiert Putschgerüchte um Parteichef Rösler süffisant.

Peter Blechschmidt, Berlin, und Jens Schneider, Kiel

Nur ein Lächeln, ein stilles, sehr zufriedenes Lächeln. Das ist die kleine Geste, für die Wolfgang Kubicki sich im Augenblick des Triumphs entscheidet. So lässt er sich im "Galileo", einer Lounge-Bar im Nordwesten Kiels, von seinen Anhängern auf die Bühne schieben. So will der Sieger des Abends gesehen werden, wenn die ersten Bilder von ihm auf den Fernsehschirmen laufen. So sollen ihn auch die Parteifreunde sehen in Berlin, im Thomas-Dehler-Haus, von denen sich viele nicht als seine Freunde fühlen können. Nicht mal als Parteifreunde. Manche Funktionäre verachten ihn schon allein, weil er sie seine Verachtung so gern spüren lässt. Jetzt darf er den Retter der Liberalen geben, ausgerechnet.

Da lacht er. Wolfgang Kubicki am Sonntag auf der FDP-Wahlparty in Kiel. (Foto: dpa)

Er wirkt zurückgenommen, aber strengt sich nicht an, seinen Genuss zu verbergen. Vermutlich könnte er das gar nicht. Am Mikrofon erinnert Kubicki an die Häme, die seine Partei vor wenigen Wochen getroffen habe. So seien wichtige Chefredakteure von Zeitungen zum Gespräch in Kiel gewesen, die hätten ihn ausgelacht, als er von sechs bis neun Prozent für die FDP sprach.

"Das sind doch alles Tagdenker", sagt er, und bemerkt amüsiert, dass er "momentan nichts zu trinken bekommt" bei seinen Leuten. Danach fällt ihm ein, dass man an so einem Abend trinken dürfe, "bis der Arzt kommt, einige Ärzte sind ja auch hier." Kubicki mag überhaupt süffisant sein an diesem Abend. "Es wird keinen Punsch geben", sagt er mehrmals, und freut sich jedes Mal wieder über sein Wortspiel.

Keinen Punsch? Keinen Putsch!, soll das heißen. Es hat den Tag über Meldungen gegeben, dass ein Putsch gegen Parteichef Philipp Rösler geplant werde. Kubicki dementiert, indem er das veralbert. Es gebe keine Pläne dieser Art. Und er gibt sich großzügig. "Der Wahlerfolg ist auch sein Erfolg", sagt er mit Blick auf Rösler. "Wir sind eine Partei!" Kubicki ist früh ins Galileo gekommen, wo jetzt nichts mehr cool ist. Wie der Jubel in einem Stadion klang der Schrei, als die Vorhersagen bekannt wurden. Einige Liberale umarmten sich aufgekratzt.

In der Berliner Bundeszentrale, dem Thomas-Dehler-Haus, ist erst mal die Erleichterung groß. Geschafft: Die FDP ist wieder im Landtag, zwar deutlich geschwächt im Vergleich zu 2009, aber egal. Heute gelten andere Maßstäbe: das erbärmliche Abschneiden der Berliner Liberalen vor einigen Monaten. Oder, kürzlich das Fiasko im Saarland. Heute ging es darum, das Gefühl der Endzeit-Stimmung zu drehen. Vor wenigen Wochen noch wollte niemand darauf wetten, dass die Liberalen es schaffen würden. Einzig der Spitzenkandidat Wolfgang Kubicki hatte in der ihm eigenen Mischung aus Selbstbewusstsein und Hybris Optimismus verbreitet.

Die guten Nachrichten aus Kiel haben sich schon vor 18 Uhr bis nach Berlin herumgesprochen. Lange hat man an einem Wahlabend im Dehler-Haus nicht mehr so entspannte Gesichter gesehen wie am Sonntag. Entwicklungsminister Dirk Niebel findet sich gegen viertel vor sechs mit seiner Frau ein, eine Flasche Champagner in der Hand. Die sei für seinen Nachnachfolger als Generalsekretär bestimmt, sagt Niebel. "Patrick Döring hat Geburtstag, und wir machen ihm heute zwei Geschenke."

Schon neun Minuten nach sechs tritt ein strahlender Döring vor die Gäste der Wahlparty. Da sind schon Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger und der Fraktionschef im Bundestag, Rainer Brüderle, mit Stellungnahmen auf dem Markt. Alle sind sich einig: Dieser Erfolg ist allein Wolfgang Kubicki zu verdanken. "Kubicki führt die FDP aus dem Tal der Tränen heraus", erklärt die stellvertretende FDP-Vorsitzende. "Das ist die Trendumkehr für die FDP", konstatiert Brüderle.

Und Döring sagt, Schleswig-Holstein habe gezeigt, dass die FDP mit ihren Themen Wachstum, Infrastruktur, Stärkung der Gymnasien und finanzpolitische Solidität Vertrauen zurückgewinnen könne. Das gebe nun auch Auftrieb für Nordrhein-Westfalen.

"Wolfgang Kubicki ist unvergleichlich"

Rösler, der Vorsitzende, lässt sich nicht blicken. Es sei gute Übung, dass bei Landtagswahlen der Generalsekretär und nicht der Chef auftrete, versichern Parteisprecher. Das gelte für gute wie für schlechte Botschaften.

Kaum jemand in Berlin bestreitet, dass das FDP-Ergebnis an der Förde der persönliche Erfolg Kubickis ist. "Wolfgang Kubicki ist unvergleichlich. Er mischt ein ganzes Bundesland auf, ihn mögen selbst Leute, die keine seiner Meinungen teilen", hatte der Ehrenvorsitzende Hans-Dietrich Genscher noch am Vortag erklärt. "Keiner weiß, was er wirklich will", seufzte am Wahlabend einer aus dem Führungskreis. Zur Nachwahl-Pressekonferenz an diesem Montag mit dem Bundesvorsitzenden Rösler ist nicht Kubicki angekündigt, sondern der bisherige Arbeitsminister und Landesvorsitzende Heiner Garg. Das ist ebenfalls Kubickis Art, den Triumph auszukosten.

© SZ vom 07.05.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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