FDP-Spitzenkandidat für die Europawahl:Graf Leisetreter muss laut werden

Bundesparteitag der FDP zur Europawahl

Michael Theurer, auf Listenplatz zwei der FDP für die Europawahl (links), gratuliert Alexander Graf Lambsdorff beim FDP-Parteitag zu dessen Spitzenkandidatur.

(Foto: dpa)

Alexander Graf Lambsdorff soll der FDP als Spitzenkandidat für die Europawahl Gehör verschaffen. Sein Vorteil: Niemand identifiziert ihn mit dem Niedergang der Liberalen. Sein Nachteil: Fast niemand erinnert sich an ihn.

Von Stefan Braun, Berlin

Die FDP hat in den vergangenen zwölf Monaten das Schlimmste durchlebt. Heftigste Attacken, gemeinste Intrigen, brutalste Niederlagen. Einer allerdings ist davon verschont geblieben: Alexander Graf Lambsdorff.

Der Europa-Parlamentarier stand stets so geschickt an der Seitenlinie, dass ihn keine der vielen Kugeln treffen konnte. Sollte das ein Beleg für seine politische Klugheit sein, dann könnte der Neffe von Otto Graf Lambsdorff für die Liberalen 2014 tatsächlich zu einem Trumpf werden. Am Sonntag ist er von seiner Partei zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählt worden.

Damit freilich steht der gelernte Diplomat vor einer schweren Aufgabe. Mit seiner Partei ist er bisher kaum identifiziert worden. Ihr schlechtes Regieren, ihr miserables Image - an Lambsdorff ist davon nichts hängen geblieben. Stattdessen herrscht das Gefühl vor: Lambsdorff? Richtig, den EU-Abgeordneten gibt es ja auch noch. Mal hörte man von seinen klugen Wahlbeobachtermissionen, mal erinnerte man an seine vorzügliche Ausbildung, mal an sein bescheidenes Auftreten.

Hoffnung auf den klangvollen Namen

All das trennte ihn von der früheren Berliner FDP-Spitze. Nun muss Lambsdorff aber das Gegenteil erreichen. Bis zum Wahltag am 25. Mai müssen die Leute begreifen, dass sie ihn wählen, wenn sie bei der FDP ihr Kreuzchen machen. Seit Wochen tourt der 47-Jährige durch Deutschland. Seit Wochen ist klar, dass er der Frontmann sein wird. An den schlechten Umfragewerten der Partei hat das bis jetzt aber nichts geändert.

Lambsdorff entstammt einer Diplomaten- und Politikerfamilie. Der Vater war Botschafter, die Mutter Rechtsanwältin. Lambsdorff wuchs in Hamburg, Brüssel und Bonn auf. Er studierte in Bonn Geschichte, machte seine zwei Abschlüsse aber an der Georgetown-Universität in Washington.

Beim ersten beschäftigte er sich mit den faschistischen Parteien Europas in den 1920er-Jahren, beim zweiten arbeitete er über internationale Handelsfragen. Von 1995 an folgte eine Ausbildung im Auswärtigen Amt, zwei Jahre später wechselte er in den Planungsstab von Außenminister Klaus Kinkel, für den er nach der Niederlage 1998 zunächst das Büro leitete.

Kann er auch zuspitzen?

Es folgten drei Jahre an der Botschaft in Washington, ein Jahr in der politischen Abteilung des Auswärtigen Amtes und 2004 die Wahl ins Europaparlament. Lambsdorffs Lebenslauf ist sozusagen perfekt für einen Politiker und Diplomaten.

Umso größer ist in den nächsten Monaten seine Aufgabe. Ausgerechnet der leise Graf Lambsdorff muss der FDP nun Gehör verschaffen. Eigentlich schreit das nach Zuspitzung und Provokationen, um auch mal Aufsehen zu erregen.

Nur: Geht das für einen, der sich, seiner leiseren Art, seiner Zurückhaltung treu bleiben möchte? Auf die Frage, was seine Lieblingsbeschäftigung sei, hat er mal geantwortet: "Ideen haben!" Wie gut er darin ist, kann er jetzt zeigen. Ideen wird er brauchen.

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