FDP setzt auf Angriff:Westerwelle sieht Sozialismus rund um Karlsruhe

Laute Liberale: Pinkwart sauer auf die Union, Westerwelle ätzt gegen das Hartz-IV-Urteil - doch Leutheusser-Schnarrenberger gewinnt dem Karlsruher Spruch Positives ab.

In der schwarz-gelben Koalition bahnt sich neuer Streit an: CSU und FDP haben grundsätzlich verschiedene Vorstellungen davon, welche Konsequenzen aus dem jüngsten Karlsruher Urteil zur Berechnung der Hartz-IV-Sätze gezogen werden sollen.

Westerwelle Hartz-IV-Urteil "sozialistische Züge" ddp

Wittert ein Urteil mit "sozialistischen Zügen": FDP-Chef Guido Westerwelle zur Karlsruher Hartz-IV-Entscheidung.

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Vizekanzler Guido Westerwelle hält trotz der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Neuberechnung der Hartz-IV-Sätze an seiner Forderung nach Steuersenkungen fest. Die Diskussion über das Karlsruher Urteil trage "sozialistische Züge", kritisierte der FDP-Vorsitzende in einem Gastbeitrag für die Welt.

Und weiter: "Wie in einem pawlowschen Reflex wird gerufen, jetzt könne es erst recht keine Entlastung der Bürger mehr geben, das Geld brauche man für höhere Hartz-IV-Sätze."

CSU-Chef Horst Seehofer will das Karlsruher Hartz-IV-Urteil dagegen dazu nutzen, das Arbeitslosengeld II weitgehend neu zu regeln. Die bisherigen Regelungen seien "eines Sozialstaats unwürdig", sagte Seehofer in einem SZ-Interview.

Westerwelle argumentierte dagegen: Statt über die Frage zu diskutieren, wer mehr staatliche Leistungen bekommt, sollten die Leistungen des Steuerzahlers in den Mittelpunkt gerückt werden. "Dieses Umsteuern ist für mich der Kern der geistig-politischen Wende, die ich nach der Diskussion über die Karlsruher Entscheidung für nötiger halte denn je." Diese Mittelschicht sei in den vergangenen zehn Jahren von zwei Dritteln auf noch gut die Hälfte der Gesellschaft geschrumpft.

"Damit bröckelt die Brücke zwischen Arm und Reich. Eine Gesellschaft ohne Mitte fliegt auseinander, und der Politik fliegt sie um die Ohren."

Die Sorglosigkeit im Umgang mit dem Leistungsgedanken und die Missachtung der Mittelschicht besorge ihn zutiefst, schreibt Westerwelle und strengt einen historischen Vergleich an mit dem Niedergang eines Imperiums: "Wer dem Volk anstrengungslosen Wohlstand verspricht, lädt zu spätrömischer Dekadenz ein."

Gereizte Töne kamen auch vom stellvertretenden FDP-Vorsitzenden Andreas Pinkwart. Der wahlkämpfende Liberale aus Nordrhein-Westfalen warnte die Union im koalitionsinternen Streit um Steuersenkungen und Atomausstieg vor Wahlbetrug. Teile der Union wollten sich nach und nach von ihren Wahlversprechen absetzen, sagte er dem Handelsblatt.

Pinkwart warnt Union vor Wahlbetrug

"Mich erinnert das an das Wahlversprechen der SPD aus dem Bundestagswahlkampf 2005, die Mehrwertsteuer nicht zu erhöhen", sagte Pinkwart. Das sei eine eindeutige Wählertäuschung gewesen. Er warnte die Union davor, "in die gleiche Richtung zu laufen".

Pinkwart kritisierte die Union, eine Steuerreform von der Steuerschätzung im Mai abhängig zu machen: "Wenn es um die Rettung von Banken oder Konzernen wie etwa Opel geht, ist irgendwie immer Geld da. Wenn es aber darum geht, denen mehr von ihrem Geld zu belassen, die den Karren ziehen, dann soll angeblich kein Geld da sein."

Eine andere Liberale kann zumindest dem Spruch der Karlsruher Richter Positives abgewinnen. "Es ist gut, dass das Gericht ein zurückhaltendes Urteil gefällt hat", sagte die Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger der Rheinischen Post.

"Ich finde es nachvollziehbar, dass sich die Bedürfnisse von Kindern nicht pauschal an den Werten für Erwachsene orientieren dürfen."

Die Ministerin wies damit die Kritik von Innenminister Thomas de Maizière (CDU) an der Hartz-IV-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes zurück - und indirekt auch die harsche Attacke ihres Parteichefs Westerwelle.

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