Jorgo Chatzimarkakis:Uni Bonn prüft Plagiatsvorwurf gegen FDP-Politiker

Der nächste Verdacht von Vroniplag: Das Internet-Portal wirft dem FDP-Europaabgeordneten Jorgo Chatzimarkakis vor, in seiner Dissertation abgeschrieben zu haben. Der Politiker verweist auf "verschiedene Zitierweisen".

Johann Osel und Michael König

Jorgo Chatzimarkakis ist gewissermaßen selbst ein Plagiatsjäger. Der Kampf gegen die "Verletzung der Rechte geistigen Eigentums" ist auf seiner Homepage unter dem Schlagwort "Meine Themen" aufgeführt. "Wissensklau verhindern" lautet die Forderung des FDP-Europaabgeordneten.

Landesparteitag der saarländischen FDP

Bisher fiel er vor allem als Westerwelle-Kritiker auf: Der saarländische FDP-Politiker Jorgo Chatzimarkakis.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Jetzt steht Chatzimarkakis selbst als Wissensräuber am Pranger. Das Internetportal Vroniplag wirft ihm vor, auf beinahe 28 Prozent der Seiten seiner Doktorarbeit abgekupfert zu haben. Zitate anderer Texte seien unzureichend als solche markiert worden, heißt es. Vroniplag hatte zuvor schon Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin als Plagiatoren enttarnt, die daraufhin von ihren Spitzenämtern zurücktraten.

Chatzimarkakis reagierte mit einer Stellungnahme auf die Vorwürfe. Auf seiner Website heißt es, die jüngsten Debatten über die Doktorarbeiten deutscher Politiker hätten auch ihn "sensibilisiert". Nach "aktueller Prüfung" habe er bei seiner Dissertation verschiedene "Zitierweisen" verwendet, was "Raum für Spekulationen" schaffe. Er habe deshalb die Universität Bonn und seine damaligen Professoren auf sein Vorgehen "explizit hingewiesen".

Doktorvater verteidigt Chatzimarkakis

Der 45 Jahre alte Politiker, seit 2004 Abgeordneter des Europaparlaments, hatte die Arbeit mit dem Titel "Informationeller Globalismus. Kooperationsmodell globaler Ordnungspolitik am Beispiel des elektronischen Geschäftsverkehrs" an der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn eingereicht, die sie 2000 anerkannte. Das 202 Seiten starke Werk ist online zu finden.

Die Universität kündigte an, die Doktorarbeit zu prüfen. Sobald die erforderlichen Unterlagen aus dem Archiv beschafft seien, werde dazu eine Sitzung des Promotionsausschusses einberufen, sagte der Dekan der Philosophischen Fakultät, Günther Schulz. Die Uni folge damit einer Bitte des Politikers.

Der damalige Erstgutachter, der emeritierte Wirtschaftswissenschaftler Professor Detlev Karsten, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Ich denke, dass die Universität rasch und transparent handeln wird." Bei einer fast zwölf Jahre zurückliegenden Arbeit habe er natürlich nicht mehr Einzelheiten im Gedächtnis. Allerdings bezeichne die Plattform seinem Eindruck nach Passagen als Plagiat, bei denen die Wiedergabe eines fremden Textes ordnungsgemäß als Quelle angegeben sei. "Dass er bei der Zitierweise etwas durcheinandergekommen ist, das hat Herr Chatzimarkakis eingeräumt." Man müsse abwarten, jedenfalls werde die Angelegenheit "seinen offenen und ehrlichen Gang nehmen."

Chatzimarkakis hatte in seiner Stellungnahme erklärt, er habe die Auszüge anderer Quellen in seiner Arbeit auf dreierlei Weise kenntlich gemacht: "Zitate (teilweise) kursiv eingerückt und mit Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote; Zitate nicht kursiv, eingerückt und mit Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote; Zitate im Fließtext, nicht eingerückt und ohne Anführungszeichen, ausgewiesen durch Fußnote."

Der Zweitgutachter der Doktorarbeit, der Politikwissenschaftler Uwe Holtz, gibt auf der Website der Universität Bonn Hinweise für Examenskandidaten. Zur Zitiertechnik heißt es in dem PDF-Dokument: "Es gibt erschiedene 'Zitiersysteme'. Es sind grundsätzlich alle akzeptabel, sofern sie nicht durcheinander gebraucht werden."

"Schluss mit dem Pranger am Netz"

Chatzimarkakis hat offenbar genau das getan. Schon bei der ersten von Vroniplag als Plagiat gekennzeichneten Stelle zeigt sich, dass seine Zitiertechnik zumindest missverständlich ist: Die ersten fünf Zeilen der Einleitung von Chatzimarkakis' Doktorarbeit sind den Plagiatsjägern zufolge wortgleich aus einem Artikel aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung abgeschrieben. Sie sind in der Dissertation weder kursiv noch eingerückt abgedruckt.

Zwar weist Chatzimarkakis in einer Fußnote auf die Quelle "Beck/Prinz (1998)" hin. Die Fußnote folgt jedoch erst in Zeile 21. Vroniplag ordnet die Stelle deshalb als "verschleiertes" Plagiat ein. Der Großteil der von dem Portal aufgeführten Passagen beruht auf diesem Vorwurf: Chatzimarkakis hat demnach ganze Passagen inhaltlich abgeschrieben, die Fußnote aber so positioniert, dass sie den Eindruck erweckt, als handle es sich nur bei dem letzten Gedanken direkt davor um ein Zitat.

Zweiter Verdachtsfall innerhalb der FDP-Fraktion im EU-Parlament

Warum der Europaparlamentarier, der als scharfer Kritiker des mittlerweile abgetretenen FDP-Vorsitzenden Guido Westerwelle aufgefallen war, die Zitate nicht eindeutiger markiert hat, ist unklar. Auf eine Anfrage von sueddeutsche.de teilte sein Büro mit, das Statement auf der Website des Politikers sei alles, was Chatzimarkakis derzeit zu dem Thema zu sagen habe.

Sollte der in Duisburg geborene Vater zweier Töchter, der neben der deutschen auch die griechische Staatsbürgerschaft besitzt, über die Plagiatsvorwürfe stolpern, wäre das für die Europa-FDP der zweite Schlag binnen weniger Tage. Am 11. Mai hatte die FDP-Europapolitikerin Silvana Koch-Mehrin wegen einer Plagiatsaffäre ihre Posten als Vorsitzende der FDP im Europaparlament und Vizepräsidentin des Europaparlaments niedergelegt. Ihr Abgeordnetenmandat will sie jedoch behalten. Zwei Monate war Karl-Theodor zu Guttenberg nach dem Verlust seines Doktortitels von allen Ämtern zurückgetreten.

Kritik an den Plagiatsjägern

Die Betreiber von Vroniplag betonten, es sei reiner Zufall, dass nun wiederum die Doktorarbeit eines FDP-Politikers überprüft werde. Der Frankfurter Rundschau sagte der Vroniplag-Initiator: "Seine Arbeit ist komplett online, es war ganz einfach, sie zu finden und einfach mal nachzusehen."

Chatzimarkakis' FDP-Fraktionskollege im Europarlament, Alexander Graf Lambsdorff, kritisierte die Vroniplag-Macher. "Schluss mit dem Pranger am Netz" forderte er. Chatzimarkakis habe es "als kreativer Kopf und mutiger Querdenker" mit Sicherheit "nicht nötig gehabt, Textstellen anderer Autoren zu übernehmen, um Ideen zu produzieren", sagte Lambsdorff.

Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Frank-Walter Steinmeier, sieht durch die Plagiatsaffären um Guttenberg und Koch-Mehrin die Glaubwürdigkeit der Politik beschädigt. "Da gibt's einige wenige, die sich auf krummen Wegen akademische Ehren beschaffen und hinterlassen den Eindruck, ein solches Verhalten sei unter Politikern üblich", sagte er der Bild am Sonntag. "Genau darüber kann ich mich granatenmäßig ärgern."

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