FDP-Parteitag:Verletztentruppe für die Zukunft

Die Liberalen wählen auf ihrem Parteitag am Wochenende eine neue Führungsmannschaft. Doch kommt mit den Neuwahlen endlich Ruhe in die FDP-Parteiführung? Und: Können die vielen Verletzten, die es seit langem gibt, alsbald besser miteinander leben?

Die wichtigsten Personen in Bildern. Von Stefan Braun, Berlin

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Landesparteitag der bayerischen FDP

Quelle: dpa

Wenn sich die FDP an diesem Wochenende auf ihrem Parteitag in Berlin trifft, wird es vor allem um zwei Fragen gehen: Kommt mit den Neuwahlen endlich Ruhe rein in die Parteiführung? Und: Können die vielen Verletzten, die es seit langem gibt, alsbald besser mit ihren Wunden und miteinander leben. Die erste Frage kann man mit einem leisen Ja beantworten. Das Interesse, endlich Frieden zu schaffen, ist in der Partei sehr weit verbreitet. Das war schon zu beobachten, als Fraktionschef Rainer Brüderle Ende Januar ins Zentrum einer Sexismus-Debatte geriet und sich die Partei allumfassend hinter ihn stellte. Obwohl mancher eine entschuldigende Geste für gut gehalten hätte, akzeptierten alle, dass Brüderle schwieg. Und obwohl es öffentlich manche herbe Kritik gab, genossen die meisten das Gefühl, endlich mal wirklich zusammenzuhalten. Der äußere Feind schweißte alle zusammen.

Deshalb dürften die wichtigsten Personen, also Parteichef Philipp Rösler, sein künftig erster Stellvertreter Christian Lindner und Wahlkampf-Spitzenmann Rainer Brüderle viel Zustimmung ernten. Rösler und Lindner bei den Wahlen an diesem Samstag, Brüderle bei der Beifall-Akklamation nach seiner Rede am Sonntag. Neben den dreien gibt es zudem einige, die sich ihrer Wahl sicher sein können. Dazu zählen Generalsekretär Patrick Döring, die zweite Vizevorsitzende Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Schatzmeister Otto Fricke und dazu der Hesse Jörg-Uwe Hahn, der seinen Platz als Beisitzer sicher haben dürfte, weil er im Herbst eine Landtagswahl bestehen muss. Vielleicht wird Döring mit einem schlechteren Ergebnis abgestraft, weil mancher zwar nicht Rösler, wohl aber die Parteiführung für die schlechten Umfragewerte abstrafen möchte. Um sein Amt zittern muss er aber nicht.

Neben den gesicherten Kandidaten wird es nach jetzigem Stand um einige Posten allerdings heftige Duelle geben. Und dabei geht es auch um die Frage, wie der Osten künftig in der FDP-Spitze vertreten sein wird. Im Mittelpunkt steht der Sachse Holger Zastrow. Er ist bislang einer von drei Parteivizes, könnte aber im Duell mit der baden-württembergischen Landeschefin Birgit Homburger unterliegen. Da Zastrow nur für diesen Posten kandidieren möchte, drohen schwere Verwundungen. Und diese könnten sich vermengen mit den Wunden, die fast alle in der FDP-Führung mit sich herumtragen. Ob die FDP also dauerhaft Frieden findet, ist offen.

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FDP-Parteitag:Der Wiederaufsteher

Rösler will immer noch mit Mitte 40 aufhören

Quelle: dpa

Vor zwei Monaten hätte das in der FDP kaum mehr jemand für möglich gehalten, aber wenn der Parteitag am Samstag über den Vorsitzenden Philipp Rösler abstimmt, kann er mit einem durchaus akzeptablen Ergebnis rechnen. Noch Anfang Januar sah es danach aus, als würde Rösler angesichts miserabler Umfragewerte und wachsender Unzufriedenheit gestürzt werden. Doch das Ergebnis der Landtagswahl in Niedersachsen am 20. Januar und seine Chuzpe am Tag darauf, Brüderle offen den Parteivorsitz anzubieten (was dieser ausschlug), hat Rösler enorm stabilisiert.

Außerdem gibt es bislang kaum Konflikte mit dem Wahlkampf-Spitzenmann, was die meisten in der Partei Rösler zugutehalten. An den Blessuren, die Rösler sich zuzog bei der Eiseskälte, mit der ihn viele vor Niedersachsen und noch in der Nacht dieses Triumphes stürzen wollten, hat das wenig geändert. Der 40-Jährige hat zu spüren bekommen, wie hinterhältig mancher an seinem Stuhl sägen kann und wie kühl viele auch in der engsten Parteiführung den Erfolg in Niedersachsen abhakten. Stärke zieht der Vizekanzler ausgerechnet aus Angela Merkel. Ihr Beispiel, als sie 2002 auf die Kanzlerkandidatur verzichtete und anschließend auch und gerade deshalb noch mächtiger wurde, ist für ihn zum Vorbild geworden. Nicht zuletzt deshalb gibt er jetzt den loyalen Parteichef.

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FDP-Parteitag:Der Senior-Chef

Rainer Brüderle

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Rainer Brüderle soll es nun reißen. Als Spitzenmann soll er im Wahlkampf für die FDP die entscheidenden Punkte machen. Das gefällt dem 67-jährigen natürlich. Er betrachtet sich seit Westerwelles Sturz vor zwei Jahren ohnehin als Senior-Chef der Liberalen. Mancher meint sogar, dass er sich auch unter Westerwelle schon so fühlte. Gleichzeitig hat er ohne Zeitverzögerung zu spüren bekommen, was es heißt, an der Spitze zu marschieren. Kaum war er am 21. Januar nominiert, erschien der ihn scharf kritisierende Artikel im Stern. Und was sich in der Sexismus-Debatte anschloss, dürfte seinen schlimmsten Befürchtungen entsprochen haben.

Diese Tage haben Narben geschlagen, die er nicht mehr vergessen dürfte. Allerdings hat die Solidarität in der FDP ihm geholfen: So etwas war nicht unbedingt zu erwarten gewesen. Alle Wunden dürfte das freilich nicht geheilt haben. Denn wer Brüderle kennt, spürt noch heute, dass ihn der Quasi-Sturz als Bundeswirtschaftsminister schwer getroffen hat und ihm noch heute mächtig stinkt. Nicht viel anders ist es mit dem 21. Januar, an dem ihm Rösler den Parteivorsitz antrug, wohlwissend, dass Brüderle das gar nicht wollte. So jedenfalls liest es Brüderle und ärgert sich, dass er so vorgeführt wurde. Deshalb ist es wohl richtig zu sagen, dass sich die beiden derzeit vor allem zusammengerauft haben.

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FDP-Parteitag:Der Junior-Chef

Christian Lindner

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Der Mann hat sich bitten lassen. Zuletzt sogar vom Parteichef persönlich. Denn lange Zeit zögerte (oder kokettierte) Christian Lindner damit, ob er nun oder ob er doch nicht als einer von drei stellvertretenden Vorsitzenden kandidieren sollte. Bei den meisten an der Parteispitze stand dagegen schon lange fest, dass der 34-Jährige antreten würde. Als ehrgeizig und hungrig gilt der FDP-Landes- und Fraktionschef aus Nordrhein-Westfalen. Zumal jüngste Umfragen den Eindruck erwecken, dass eine Mehrheit eher ihm als dem Parteichef zutraut, die FDP aus der Krise zu führen.

Angesichts dessen wäre es fast als Verrat an der Partei empfunden worden, hätte er sich weiter fern von Berlin gehalten. Dabei, und das gehört bei ihm dazu, ist ausgerechnet das Verhältnis zum einstigen Mitstreiter Rösler nachhaltig angeschlagen. Die beiden, so ist zu hören, haben sich inzwischen wohl ausgesprochen. Aber Lindners öffentliche Erklärungen, er habe Rösler mit seinem Rücktritt als Generalsekretär nur Platz für einen neuen Partner schaffen wollen, sind wenn überhaupt die halbe Wahrheit. Rösler hat Lindners Abgang damals als Fahnenflucht empfunden. Und Lindner fühlte sich von Rösler im Stich gelassen. Und das nur ein halbes Jahr, nachdem beide in Kooperation den großen Vorsitzenden Guido Westerwelle gestürzt hatten. Die Heilung wird noch dauern.

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FDP-Parteitag:Der Halbstarke

Dirk Niebel

Quelle: dpa

Dirk Niebel möchte nicht zum Verlierer werden. Der 49-jährige Entwicklungsminister hat viel gemacht für die Partei, der ehemalige Einzelkämpfer diente ihr vier Jahre als Generalsekretär. Und er hat im Januar öffentlich davon gesprochen, dass es ihm fast das Herz zerreiße, wenn er die Lage seiner FDP betrachte. Doch was Niebel als ehrlichen und offenen Kampf für eine bessere Zukunft verstanden wissen möchte, haben die meisten Liberalen ganz anders gelesen. Für sie war es ein öffentlicher Aufruf, Parteichef Rösler zu stürzen. Und weil dieser Aufruf auch noch auf dem für die Liberalen quasi heiligen Drei-Königs-Treffen geschah, sahen sie darin einen besonderen Verrat. Zum einen, weil Niebel die Schlagzeilen beherrschte, zum anderen, weil zwei Wochen später in Niedersachsen die Landes-FDP ums Überleben kämpfte.

Niebel verweist heute darauf, dass seine Worte nicht geschadet hätten. Immerhin sei die FDP bei knapp zehn Prozent gelandet. Trotzdem gibt es in der Parteispitze starke Stimmen, die ihn nicht noch einmal ins Präsidium wählen möchten. Schwer dürfte es für ihn in der Tat werden, weil er befürchten muss, gegen Gesundheitsminister Bahr und den Schleswig-Holsteiner Kubicki antreten zu müssen. Einen Trumpf hält Niebel aber in der Hand. Weil er im Herbst zum Listenführer im Südwesten nominiert wurde, könnte eine Niederlage als Schwächung der FDP im Stammland gewertet werden. Wie stark dieses Argument wirkt? Absolut offen.

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FDP-Parteitag:Der loyale Ostdeutsche

Holger Zastrow FDP Sachsen Rede Gestik

Quelle: SEYBOLDTPRESS

Holger Zastrow ist der einzige Ostdeutsche an der Spitze der Liberalen. Und das könnte an diesem Samstag noch zu seinem Trumpf werden. Denn der 44 Jahre alte Dresdner möchte unbedingt einer von drei Stellvertretern des Parteichefs bleiben. So sehr will er das, dass er unmittelbar vor dem Parteitag sogar erklärt hat, für einen Beisitzerposten im Präsidium nicht zur Verfügung zu stehen. Der FDP-Landes- und Fraktionschef aus Sachsen will sich nicht abspeisen lassen. Damit stellt ausgerechnet derjenige, der sich in den vergangenen Jahren stets als loyaler Mitstreiter der Parteiführung präsentierte, für diese plötzlich das größte Problem dar. Denn mit seiner Ankündigung gibt er seinem Duell mit Birgit Homburger um den dritten Stellvertreter besondere Würze.

Jetzt muss die Parteispitze befürchten, dass sie im Fall einer Niederlage Zastrows vor allem eine Schlagzeile zu lesen bekommt: FDP kippt letzten Ostdeutschen aus der Führung. Kein Wunder, dass Philipp Rösler versucht, Holger Zastrow umzustimmen, und manch andere bei den Liberalen schon mal nach einem möglichen Ersatz für ihn aus dem Osten gesucht hat. Bis Freitagabend war jedoch noch keine Lösung in Sicht.

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FDP-Parteitag:Der Geschmeidige

Daniel Bahr of the of the liberal Free Democratic Party (FDP) addresses the delegates at the FDP party convention in Rostock

Quelle: REUTERS

Gesundheitsminister Daniel Bahr wirkt frei von Verletzungen, zumal er mit seiner möglichen Wahl ins Präsidium aufsteigen könnte. Tatsächlich kann man bei ihm aber von einer Rückkehr sprechen, der auch manche Verletzung voraus ging. Der 36-jährige Ex-Chef der Jungen Liberalen gehörte 2011 zu jener "boy-group", die den damaligen Vorsitzenden Guido Westerwelle zum Rücktritt drängte. Wie Lindner und Rösler war auch er vom Übervater Hans-Dietrich Genscher dazu angetrieben und von ihm gestützt worden. Doch während Lindner als einziger blieb, was er damals war (Generalsekretär), wurde Bahr Gesundheitsminister. Nur ein Jahr später allerdings zögerte Bahr, von Berlin nach Düsseldorf in den Landtagswahlkampf zu wechseln und wurde prompt von Lindner als Landesparteichef verdrängt. Und das, so wird es aus vielen Ecken berichtet, obwohl Lindner zunächst gesagt haben soll, diesen Posten keineswegs anzustreben.

Trotzdem kam es anders: Auf einen Schlag verlor Bahr als Nicht-mehr-Landeschef seine Machtbasis. Hinzu kommt, dass Lindners Ankündigung, als Stellvertreter Röslers zu kandidieren, Bahrs Chancen, ins Präsidium einzuziehen, nicht eben erleichtert hat. Schaffen könnte er es trotzdem, weil er vielen Delegierten besser gefallen könnte als seine wahrscheinlichen Kontrahenten Niebel und Kubicki.

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