FDP-Parteitag: Guido Westerwelle:Sag zum Abschied dauernd danke

Guido Westerwelle tritt als FDP-Chef ab. In seiner Abschiedsrede entschuldigt er sich für Fehler und kündigt an, seinen Nachfolger unterstützen zu wollen. Mit der Dauerschmeichelei möchte der Außenminister eins verhindern: als Buhmann zu gehen.

Thorsten Denkler, Rostock

Guido Westerwelle sagt danke. Und noch mal danke. Und noch mal und noch mal und noch mal. Gefühlte 1000 Mal sagt der scheidende Parteichef "danke" in seiner knapp einstündigen Abschiedsrede auf dem Rostocker Bundesparteitag. Mal dankt er herzlich, mal von Herzen, mal ganz herzlich, mal gibt es einen umfassenden Dank, manchmal nur einen herzlichen. Dabei lächelt er durchgehend, warmherzig geradezu. Die Rede ist eine einzige Umarmung. Im ersten Teil.

German Foreign Minister and leader of the FDP Westerwelle reacts after he gaves his last speech as chairman during the FDP party convention in Rostock

Nach seiner Abschiedsrede als FDP-Chef winkt Guido Westerwelle ins Publikum, während im Hintergrund sein Nachfolger Philipp Rösler und Generalsekretär Christian Lindner klatschen.

(Foto: REUTERS)

Aber das ist nicht seine eigentliche Botschaft. Hier geht es gar nicht um Dank. Es geht um Schutz. Um Selbstschutz. Er will nicht als Gescheiterter abtreten, nicht der Buhmann sein, dem alles in die Schuhe geschoben werden kann.

Westerwelle redet sich in Rage. Er erlaube sich das "freche freie Wort" zu sagen, dass die Partei nicht nur kritisch zu den eigenen Leute sein dürfe, sondern auch "kritisch zur Berichterstattung", stellt er fest. Mit anderen Worten: Westerwelle fühlt sich von der Partei im Stich gelassen, als ihm der Wind hart ins Gesicht schlug.

"In der Opposition Top, in der Regierung ein Flop", sagt ein Delegierter nach der Rede des Noch-Vorsitzenden. Ein schonungslos richtiger Satz. Westerwelle sieht das anders. Er zählt die vermeintlichen Erfolge der schwarz-gelben Regierung auf und nennt dabei sogar das sogenannte Wachstumsbeschleunigungsgesetz, von dem kaum mehr bekannt ist, als das Hotel-Besitzer deshalb heute weniger Mehrwertsteuer zahlen.

"Wir haben mehr richtig als falsch gemacht"

"Rot-Grün würde sich in Champagner baden lassen, wenn sie so eine Bilanz vorweisen könnten wie wir!", knallt Westerwelle den Delegierten entgegen. Er kann kaum verhehlen, dass er beleidigt ist. Nun, seine Partei ist offenbar nicht bereit, den Noch-Vorsitzenden in solch edlem Getränk zu baden.

"Ich entschuldige mich auch für jeden Fehler", sagt Westerwelle scheinbar reuig. Niemand werfe sich die Fehler mehr vor als er sich selbst. Aber er will seine gesamten zehn Jahre als Parteichef gewürdigt sehen. Die seien "unterm Strich durchaus positiv in der Bilanz". Und: "Wir haben mehr richtig als falsch gemacht."

Selbstkritik à la Westerwelle

"Ich werfe mir lediglich vor, das wir zuwenig von dem, was wir uns vorgenommen haben, durchgesetzt haben." Das ist die Selbstkritik à la Westerwelle.

Zwar fehlen Standardsätze wie "Leistung muss sich wieder lohnen" oder "mehr Netto vom Brutto". Es ist keine Rede von den Steuern, die "einfach, niedrig und gerecht" sein müssten. An eines aber glaubt Westerwelle offenbar immer noch. Die FDP ist ihrem Begriff von Freiheit eine Partei "für das ganze Volk". Weil sie gut sei für alle. Das ist - gelinde gesagt - eine mutige Aussage für eine Partei, die kaum mehr fünf Prozent der Wähler erreicht.

Für Westerwelle ist das anscheinend kaum mehr als eine temporäre Verschiebung im Raum-Zeit-Kontinuum. Freiheit habe mal bessere und hat mal schlechtere Konjunktur, sagt Westerwelle und zitiert Stefan Zweig: "Geschichte ist Ebbe und Flut, ewiges hinauf und hinab." So ist eben die Welt. Ob mit oder ohne Guido.

Und jetzt geht es eben ohne Westerwelle weiter. Der erlaubt sich noch einen Scherz zum Schluss und adaptiert einen vielzitierten eigenen Satz: "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt. Und das bin ich - nicht mehr."

Dann verlässt er das Pult, an dem er zum letzten Mal als Bundesvorsitzender der Freien Demokraten gesprochen hat. Die Delegierten, das Präsidium, der Parteivorstand, alle applaudieren. Lange und anhaltend. Nur begeistern lassen wollten sie sich offenbar von Westerwelle nicht mehr.

Hermann Otto Solms klatscht im müden Zwei-Sekunden-Takt und liest dabei in irgendwelchen Unterlagen. Fröhliche "Guido-Guido"-Rufe bleiben aus. Irgendwann ebbt der Applaus ab. Er war lediglich ein Zeichen des Anstandes und des Respekts. Respekt fordert danach auch sein designierter Nachfolger Philipp Rösler für Westerwelle ein. Wohl um zu verhindern, dass die Generaldebatte nicht zu einem Tribunal wird für seinen Vorgänger. Und so dankt ihm, trotz vieler kritischer Stimmen, einer nach dem anderen für seine Arbeit.

Einer muss sich keine Sorgen machen, dass Westerwelle ihm als Außenminister noch das Leben schwermachen könnte. Rösler selbst. "Ich werde meinem Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen", kündigt Westerwelle an. Wie soll er auch. Er sitzt nicht mehr mit im Auto.

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