FDP:In der Opposition dürften es die Liberalen nicht einfacher haben

Free Democratic Party Leader Christian Lindner Holds News Conference Following Collapse Of German Coalition Talks

Viele regen sich über Christian Lindners Jamaika-Absage auf. Nur in der FDP ist es sehr ruhig.

(Foto: Krisztian Bocsi/Bloomberg)
  • Nach den gescheiterten Verhandlungen zu einem Jamaika-Bündnis in der Regierung hält sich die FDP mit Kritik in den eigenen Reihen zurück.
  • Einzig Gerhart Baum sagt, er könne "Lindners Entscheidung nicht nachvollziehen".
  • Sollte die FDP in die Opposition gehen, trifft sie auf die AfD.
  • Wie sich Lindner dort positionieren will, ist völlig unklar.

Von Mike Szymanski, Berlin

Wer sich fragt, warum der spektakuläre Ausstieg von Christian Lindners FDP aus Jamaika in anderen Parteien für weit mehr Aufregung sorgt als in der FDP selbst, der landet irgendwann bei einer bitterbösen, älteren Karikatur. Sie zeigt, wie das Spitzenpersonal der Liberalen in einer Reihe steht, jeweils dem Hintermann, der das Messer in der Hand führt, den Rücken zugewandt.

Nachdem die FDP bei der Wahl 2013 nicht nur aus der Regierung geflogen war, sondern gleich aus dem Bundestag, hatte sich der neue Parteichef Lindner aufgemacht, die FDP neu zu erfinden. In Workshops trichterte er den Funktionären ein, niemals wieder dürfe es vorkommen, dass man einander so in den Rücken falle, und zeigte die Karikatur.

FDP - kompromisslos in der Opposition?

In der Nacht zu Montag hat Lindner der FDP nicht nur die Aussicht aufs Regieren genommen. Er hat damit auch das politische Berlin in eine Krise gestürzt, allen voran Kanzlerin Merkel. Der Ärger darüber in den eigenen Reihen hält sich bislang in so engen Grenzen, dass er kaum wahrzunehmen ist.

Ein sozialliberaler Veteran meldete sich aber zu Wort: Gerhart Baum, gerade 85 Jahre alt geworden. "Ich kann die Entscheidung Lindners nicht nachvollziehen", sagte er dem Spiegel. "Das schwarz-gelb-grüne Bündnis hätte eine interessante Sache werden können, in der jeder etwas gegeben und jeder etwas bekommen hätte."

Die Bemerkung ist nicht nur deshalb interessant, weil Lindner kürzlich noch gesagt hatte, er würde "nichts machen, was ein Gerhart Baum ablehnen könnte". Es geht tatsächlich um die Frage, ob die FDP nicht insgesamt mit Kompromissen bei Jamaika besser fahren würde als kompromisslos in der Opposition.

Dort - sollte es nicht zu Neuwahlen kommen - dürften die Liberalen es nämlich auch nicht einfacher haben, Profil zu zeigen, als in einem Viererbündnis an der Macht. Das Hauptproblem ist die rechtspopulistische AfD. Deren Fraktion ist mit 92 Abgeordneten zahlenmäßig größer als die der FDP mit ihren 80 Parlamentariern. In der Opposition müsste sich Lindner als FDP-Fraktionschef regelmäßig aus dem AfD-Schatten herausarbeiten.

Zusammenstoß mit AfD programmiert

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, frühere Justizministerin und profilierte Vertreterin der Sozialliberalen, sagte der Süddeutschen Zeitung: "Der politische Liberalismus ist das Feindbild der eingeschworenen Rechtspopulisten." Ihre Partei werde "klare Kante in der Opposition zeigen". Aber einfach dürfte das nicht werden.

AfD-Fraktionsführer Alexander Gauland hat den Weg schon vorgezeichnet, wie er mit der FDP umzugehen gedenkt. Gauland betrachtet die Partei als Konkurrenz, seitdem Lindner die FDP in den vergangenen Jahren vor allem in der Flüchtlings-, aber auch in der Europapolitik auf einen eher harten Kurs eingeschworen hat. Das wurde zuletzt bei den Sondierungen deutlich, als Lindner die CSU sogar noch darin bestärkte, keineswegs von ihrer Politik der Begrenzung des Zuzugs abzurücken.

Gauland will klarmachen, wer das Original sei. Am Donnerstag hat seine Fraktion Union und FDP aufgerufen, gemeinsam im Bundestag für die weitere Aussetzung des Familiennachzugs für Flüchtlinge mit eingeschränktem Schutzstatus zu stimmen. So treibt er schon jetzt die FDP vor sich her.

Rhetorisch ist Lindner Gauland sicher gewachsen, der 38-Jährige gilt als großes Talent. Selbst wer glaubt, Lindner könnte sich Politikumwälzer wie Österreichs ÖVP-Chef Sebastian Kurz oder Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron zum Vorbild nehmen, sieht die Schwierigkeit: Bei dieser Ausgangslage in der Opposition muss Lindner äußerst klug agieren. Bei der Frage, wie sich die Partei denn gerade in Fragen wie der Flüchtlingspolitik von der AfD künftig absetzen wolle, heißt es bislang nur: "Die AfD wird sicher kein Einwanderungsgesetz machen wollen wie wir."

Auch bei weniger zentralen Themen wie der Kritik der Liberalen am Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das Internet-Plattformen verpflichtet, strafbare Hassreden und gefälschte Nachrichten schneller zu löschen, gibt es Überschneidungen mit der AfD. Führende FDP-Politiker wie Wolfgang Kubicki versuchen bereits eine Brandmauer zu Rechtspopulisten zu errichten. Er sagte der Wochenzeitung Die Zeit: "Sie werden nie erleben, dass Freie Demokraten mit antidemokratischen und rassistischen Ressentiments spielen. Nie!"

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: