FDP: Nachfolger für Westerwelle:Der talentierte Herr Rösler

FDP-Chef Westerwelle tritt ab. Außenminister will er bleiben. Mal sehen, wann die Wirklichkeit diesen Wunsch überholt. Nun soll wohl Philipp Rösler Parteichef werden. So einen hat man gern im Elternbeirat oder in der "Projektgruppe digitaler Workflow". Aber die Krise der Liberalen hat ein derartiges Ausmaß, dass halbherzige Personalveränderungen nicht ausreichen.

von Kurt Kister

Die Lebenserfahrung lehrt, dass in der Politik immer wieder gerade solche Dinge eintreten, die vorher besonders scharf dementiert werden. Guido Westerwelle zum Beispiel hat immer wieder betont, er werde den Parteivorsitz nicht aufgeben. Jetzt tut er es - nicht weil er will, sondern weil er nicht mehr anders kann. Im Augenblick behaupten Westerwelle und andere FDP-Leute noch, er werde Außenminister bleiben. Mal sehen, wann die Wirklichkeit dieses Dementi überholt.

FDP - Philipp Rösler

Philipp Rösler (Archiv): So einen hat man gern im Elternbeirat oder in der "Projektgruppe digitaler Workflow"

(Foto: dpa)

Angela Merkels seltsam unpräsenter Sprecher teilt mit, dass die Kanzlerin keinen Anlass zu einer Kabinettsumbildung sehe. Nun scheint der Zustand der FDP-Spitze schon Anlass genug zu bieten, um mindestens das Kabinett umzubilden. In weniger als zwei Jahren Regierungsbeteiligung haben es die Liberalen geschafft, ihre Partei in einem permanenten Akt der Selbstgefährdung an den Rand der Existenz zu bringen. Im Bund würde die FDP gegenwärtig wohl an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern, so wie ihr das jüngst in Sachsen-Anhalt und Rheinland Pfalz, fast sogar in Baden-Württemberg geschah. In der FDP selbst gelten mittlerweile der Parteivorsitzende, die Fraktionschefin, der Wirtschaftsminister sowie etliche Mitglieder der Parteispitze als Fehlbesetzungen, ja als Ursachen der Misere. Außerhalb der FDP glauben viele, dass die gesamte FDP 2009 als Regierungspartei eine Fehlbesetzung war.

So einen hat man gern im Elternbeirat

Nun soll also, so wie es aussieht, der talentierte Herr Rösler die Partei retten. Er ist ein freundlicher Mann, im Gegensatz zu Westerwelle sehr unverkniffen, nur mäßig rechthaberisch, leistungsbereit, ohne sehr kompetitiv oder gar aggressiv zu sein. So einen hat man gern im Elternbeirat oder in der "Projektgruppe digitaler Workflow". Dieser Philipp Rösler und der noch jüngere, etwas weniger verbindliche Christian Lindner sollen in Zukunft die Fackelträger einer Partei sein, deren Ursprünge auf das Paulskirchen-Parlament zurückreichen, die Ralf Dahrendorf, Rudolf Augstein und Hans-Dietrich Genscher zu den Ihren zählte und die einst etwas bewegte in der Republik.

Vielleicht ist dies eine zu nostalgische, gar verklärende Sicht auf eine FDP, die es heute nicht mehr gibt. Möglicherweise sind gerade jetzt, da es ums Überleben der heute eigentlich postliberalen FDP geht, verbindliche Pragmatiker ohne zu viel kontroverse Parteivergangenheit gerade richtig. In den vergangenen zehn Jahren nämlich bestimmten das Bild der Partei entweder die hyperaktiven Dauer-Jungliberalen vom Schlage Westerwelles, die in ihrer vor sich hergetragenen Ideologiefreiheit schon wieder hoch ideologisch waren. Ihnen standen die gremienerprobten Parteionkel vom Stamme Rainer Brüderles gegenüber, die stets zu einem Scherz über ihren Dolch im Gewande bereit waren.

Westerwelle hat als Parteichef die FDP im Bund zu einer erfolgreichen Oppositionspartei geformt. Das ist sein großes Verdienst. Seit 2009 aber konnten weder er persönlich noch die Partei insgesamt auf Regieren umschalten. Opposition machte die FDP jedes Jahr besser, Regieren fast jeden Monat schlechter. Dies zeigt sich auch und gerade an der Amtsführung des Außenministers Guido Westerwelle. Viel wichtiger als die Frage, ob einer Parteichef sein muss, um Außenminister zu sein, ist die Erkenntnis, ob einer das Zeug zum Außenminister hat.

Ausnahmsweise mal nach Kompetenz

Als Neuling kam Westerwelle ins Amt und war von Anfang an zu stolz, um sich vom Apparat des Ministeriums anlernen, gar leiten zu lassen (Klaus Kinkel schaffte dies, auch wenn er es nicht zugab. Er wurde ein passabler Außenminister). Andererseits fehlt es Westerwelle an genuinem Interesse für die Außenpolitik, an Gespür für die Diplomaten (ganz zu schweigen von diplomatischem Gespür) und wohl auch am Willen, sich in Probleme hineinzuknechten. Gewiss, er ist erfüllt von der Bedeutung des Amtes. Das aber reicht nicht, weil es, pathetisch gesagt, um Deutschland geht.

Westerwelle sollte die Konsequenz aus alledem ziehen und auch sein Ministeramt zur Verfügung stellen. Es wäre schlecht für alle Beteiligten, wenn er später - dann sicher nicht ohne das Zutun der Kanzlerin - dieses Amt auf ähnliche Weise verlöre wie ihm nun der Parteivorsitz entwunden wurde. Die Wahrscheinlichkeit, dass dem halbierten Politiker Westerwelle als Außenminister bis 2013 ein Lazarus-Erlebnis widerfährt, ist gleich null.

Die Krise der FDP hat ein derartiges Ausmaß, dass halbherzige Personalveränderungen nicht ausreichen werden. Ein neuer Parteichef allein wird es nicht richten - nicht in den Augen der aufrührerischen Regionalgliederungen und schon gar nicht in den Augen der Wähler. Mit Westerwelle sollte die überforderte Fraktionschefin ebenso ins Glied zurücktreten wie der BDI-Freund Brüderle.

Allerdings kommt es nicht auf zeremonielle Titel wie den des Vizekanzlers an. Der Vizekanzler darf zweimal im Jahr, wenn die Chefin nicht da ist, die Kabinettssitzung leiten. Ob der neue Vizekanzler Rösler heißen wird oder nicht, ist ziemlich egal - zumal für die FDP auch Jürgen Möllemann schon mal Vizekanzler war. Sollte wider Erwarten jemand ohne Kabinettsrang FDP-Chef werden, dann könnte die Partei den Vizekanzler-Titel ausnahmsweise mal nach Kompetenz, an Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, vergeben.

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