FDP im Aufwind:Kein Bock auf Verlierer

Der typische FDP-Wähler ist rational, gebildet und taktiert gerne. Vor allem aber will er zu den Gewinnern gehören. Deswegen gehen Liberale am liebsten nur dann zur Urne, wenn ihre Partei in Umfragen über fünf Prozent liegt. Bei der Wahl in NRW kann das für die FDP Fluch und Segen gleichzeitig bedeuten.

Michael König und Thomas Schmelzer

"Was bedeutet FDP? Fast drei Prozent." Nichts war in den letzten Monaten einfacher, als sich über die Liberalen lustig zu machen. Überflüssig und bedeutungslos sei die Partei geworden. Die wenigen verbliebenen FDPler sprachen lieber nur noch mit Parteifreunden über ihre Mitgliedschaft. Immer kleiner schien die Anhängerschaft zu werden. Aber jetzt ist die Partei wieder da. Zumindest ein bisschen.

Christian Lindner FDP

Christian Lindner ist angetreten, um die FDP aus ihrem Trümmerhaufen zu führen. Am Sonntag wird in NRW gewählt.

(Foto: REUTERS)

In Schleswig-Holstein holte der FDP-Revoluzzer Wolfgang Kubicki mehr als acht Prozent für seine Partei, in NRW scheint Christian Lindner die Liberalen ebenfalls in den Landtag zu manövrieren. "Alle Chancen" habe die Partei inzwischen wieder, jubelte Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auf dem Wahlparteitag in Gütersloh. Wie hat diese FDP nur plötzlich wieder solch ein Revival geschafft?

Wissenschaftler und Meinungsforscher haben darauf zwei Antworten. Sie erklären die jüngsten Erfolge mit den Spitzenkandidaten - und einer Art Gewinnereffekt.

"FDP-Wähler wollen ihre Stimme nicht verschenken", sagt der Chef des Forschungsinstituts Forsa, Manfred Güllner. Sobald Umfragen die Liberalen unter fünf Prozent sehen, sinke für FDP-Wähler der Wert ihrer Stimme gegen null. Ohne Sitze im Parlament könne die FDP ihre Interessen ja nicht vertreten. Deswegen blieben die Anhänger am Wahltag zu Hause. Diese Abwärtsspirale hat Güllner in der Vergangenheit immer wieder bei der FDP beobachtet.

Wolfgang Kubicki und Christian Lindner haben den Trend zumindest verlangsamt. Seitdem die beiden Spitzenkandidaten im Fokus der Medien stehen, ist in der Krise ein Hoffnungsschimmer zu entdecken. "Es ist wieder einfacher geworden, sich zur FDP zu bekennen", sagt der Parteiforscher Jürgen Falter. Mit seiner kritischen Haltung zu Berlin habe Kubicki frischen Wind in die Partei gebracht und das Meinungsbild der Verlierer-FDP ein gutes Stück gedreht.

Mit dem neuen Schwung traut sich Lindner jetzt sogar wieder an die Bundes-FDP heran. Während der Wahlkampfauftakt von scharfer Abgrenzung zur Bundespartei geprägt war, kenntlich gemacht durch den Slogan "DAS ist meine FDP", haben die NRW-Liberalen ihren Kurs inzwischen wieder geändert. Nach dem starken Abschneiden der Nord-FDP in Schleswig-Holstein ist die Zuversicht zurück.

"Für die Berliner FDP ist noch keine Entwarnung gegeben"

Das neue Selbstbewusstsein ist schon wieder groß. So groß, dass Lindner nicht davor zurückschreckt, auf den letzten Metern mit vermeintlichen Problemfällen Wahlkampf zu machen. In Mönchengladbach und Aachen stand er am Mittwochabend mit Rainer Brüderle auf einer Bühne. Der Bundestags-Fraktionschef hatte mit der umstrittenen Finanzierung von Wahlwerbung ein Eigentor geschossen. Er steht außerdem nicht unbedingt für den Modernisierungskurs der FDP, wie er Lindner vorschwebt. Den Landes-Chef ficht das nicht an: "ausgebucht!", sei die Veranstaltung in Gladbach, schreibt Lindner auf Twitter.

Heute Abend geht die große Zuversichts-Offensive weiter: In Hagen und Köln tritt Lindner mit dem ehemaligen Parteichef Guido Westerwelle auf. Also mit jenem Politiker, der gemeinhin für die Krise der Liberalen verantwortlich gemacht wird, die Kubicki und Lindner nun überwinden sollen. Außerdem werden Rösler und Westerwelle morgen bei der zentralen Wahlkampfveranstaltung in Düsseldorf auftreten, dem letzten großen Termin vor dem Urnengang am Sonntag.

Glaubt man Wahlforschern, könnte diese Taktik aber nach hinten losgehen. "Für die Berliner FDP ist noch keine Entwarnung gegeben", sagt der Leiter von Infratest dimap Richard Hilmer. Im Bund stünden die Liberalen so profillos da wie eh und je. In Umfragen arbeiten sich Rösler und Brüderle noch immer an der Fünf-Prozent-Marke ab. Für Hilmer sind die guten Ergebnisse für Kubicki und wohl auch Lindner gerade das Resultat ihrer Distanz zu den Berliner Verlierern Rösler und Westerwelle.

Sollte es knapp werden für die NRW-FDP könnte sie immer noch auf die Analyse von Parteienforscher Georg Neugebauer hoffen. Der hat seine ganz eigene Erklärung für die jüngsten Erfolge der FDP gefunden: "Vielleicht haben die Leute auch einfach Mitleid mit der Partei gehabt."

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