FDP hält Kurs:Westerwelle versteckt sich hinter dem "Wir"

Die krisengeschüttelte FDP will aus dem Tief - doch Parteichef Guido Westerwelle ist nicht bereit, Verantwortung für eigene Fehler zu übernehmen. Stattdessen soll alles erst mal bleiben wie es ist. Nur in einem Punkt zollt die liberale Partei nach ihrer Klausur der real existierenden Weltkrise Tribut.

Thorsten Denkler, Berlin

Es fällt ihm schwer, dieses kleine Wort in den Mund zu nehmen, wenn es um eigene Fehler geht. FDP-Parteichef Guido Westerwelle spricht dann lieber vom "Wir". Es klingt besser. "Wir haben Fehler gemacht", sagt er nach der Parteivorstandsklausur im Thomas-Dehler-Haus.

"Wir" und nicht etwa "ich".

Es sei zum Beispiel nicht richtig gewesen, so Westerwelle, "dass wir manche Frage nicht schnell und energisch" nach der Bundestagswahl entschieden hätten.

Die Frage nach seinen Fehlern aber war persönlich gemeint, was er persönlich für Fehler gemacht habe und was er persönlich in Zukunft besser machen wolle. Der Ein-Mann-ein-Thema-Parteichef Westerwelle bleibt hart: Wenn er "wir" sage, dann "gilt das für alle und selbstverständlich für mich persönlich auch". Wieder ist er ohne ein "Ich" ausgekommen.

Einige seiner Parteifreunde haben das im Vorfeld der Vorstandsklausur deutlich anders gesehen. Manche hatten Westerwelle gar nahegelegt, er möge eines seiner beiden Ämter, vorzugsweise das Amt des Parteichefs, niederlegen.

Sie machen Westerwelle in erheblicher Weise verantwortlich für den Verlust der Regierungsbeteiligung in Nordrhein-Westfalen und für die Umfrage-Misere der FDP. Von 14,6 Prozent bei der Bundestagswahl ist die Partei auf gerade noch fünf Prozent abgestürzt. Käme es jetzt zu Neuwahlen, die FDP müsste um den Wiedereinzug in den Bundestag bangen.

Erstaunlicherweise hat sich von den Anwärtern auf den Posten des Königsmörders während der Klausur niemand aus der Deckung gewagt. Am späten Sonntagabend, es ging schon auf Mitternacht zu, fasste Fraktionschefin Birgit Homburger zusammen, dass sich nach mehr als 40 Wortmeldungen niemand für eine Trennung der Ämter von Außenminister und Parteichef ausgesprochen habe. Wenn dem niemand etwas hinzuzufügen habe, dann sei die Debatte offensichtlich beendet.

Es hatte niemand etwas hinzuzufügen, weshalb Westerwelle in der Pressekonferenz am Tag danach jede Frage nach seiner Person abblocken konnte - mit dem Hinweis, dass niemand im Vorstand die Meinung vertreten habe, dass er mit beiden Ämtern überfordert sein könne.

Stattdessen wartet Westerwelle mit altbekannter Rhetorik auf. Bis auf die eher unkonkrete Fehleranalyse hat der Parteichefvizekanzleraußenminister seinem bekannten Satzbaukasten nichts Neues hinzuzufügen. Das Land brauche ein Steuersystem, das "einfach, niedrig und gerecht" sei. Und "Arbeit muss sich wieder lohnen". Und "wir wollen die Bürger entlasten". Und "die Entlastung der Mittelschicht bleibt unser Ziel".

Einzige klitzekleine Einschränkung: Die Eurokrise habe gezeigt, dass die "Konsolidierung des Haushaltes jetzt Vorrang hat". Das ist der bisher einzige erkennbare Tribut der FDP an die real existierenden Weltkrisen.

Die FDP will nichts anders machen - aber alles soll besser werden. Was die FDP vor der Wahl gesagt habe, sei auch nach der Wahl noch richtig, sagt Westerwelle. Nur: "Zeitlich müssen wir die Dinge etwas stärker entzerren, als wir geglaubt haben." Ihre Wahlversprechen kann die FDP also trotz Regierungsbeteiligung nicht einhalten. Aber deswegen muss sie ja nicht gleich von den Versprechen abrücken.

Seltsame Vorstellung von "Geschlossenheit"

Immerhin scheint es, dass Westerwelle der noch einzusetzenden Mehrwertsteuerkommission weitgehend freie Hand lassen will. Die Regierung will das Mehrwertsteuersystem auf den Prüfstand stellen und vor allem unsinnige Mehrwertsteuerermäßigungen zurücknehmen. Auf den Tisch kommt dann zwangsläufig auch der ermäßigte Satz für Hotelübernachtungen.

Die FDP hat dafür Anfang des Jahres gehörig Prügel einstecken müssen. Bisher galt die Steuerermäßigung als sakrosankt. Westerwelle stellt jetzt klar: "Es gibt keine Denkverbote" für die Kommissionsmitglieder.

Erst mal aber müssen er und die schwarz-gelbe Koalition den kommenden Mittwoch überstehen. Dann steht die Wahl zum Bundespräsidenten an. Christian Wulff, der Koalitionskandidat, muss im ersten Wahlgang gewählt werden. Alles andere wäre eine mittlere Katastrophe für die Regierung und würde wohl den gefühlten Neustart Nummer 16 nötig machen.

Westerwelle freute sich mitteilen zu können, dass der Parteivorstand der FDP-Fraktion in der Bundesversammlung "einmütig" die Wahl von Wulff empfohlen habe. Ein aufmerksamer Journalist hakt etwas später nach, dass mit einmütig kaum einstimmig gemeint sein können. Westerwelle muss einräumen, dass es in der Tat drei Enthaltungen gegeben habe. Dennoch erwarte er eine "sehr, sehr große Geschlossenheit" der FDP.

Das wiederum offenbart eine seltsame Vorstellung Westerwelles vom Begriff "Geschlossenheit". Bis zu fünf Mitglieder der FDP-Fraktion in der Bundesversammlung haben bereits angekündigt, höchstwahrscheinlich für Wulffs Gegenkandidaten Joachim Gauck stimmen zu wollen.

Echte Geschlossenheit sieht anders aus. Egal, on an "Wir" oder "ich" sagt.

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