FDP-Generalsekretär Christian Lindner:Hochsaison für Schönredner

Lesezeit: 2 min

Eine Gesundheitsreform, die keine ist - und ein junger Mann mit Unschuldsmiene: wie FDP-Generalsekretär Christian Lindner die Beerdigung einiger Lieblingsprojekte der Liberalen positiv zu verkaufen versucht.

Peter Blechschmidt

In schwierigen Zeiten werden Politiker erfinderisch - vor allem, was Begriffe angeht. Griffige Formulierungen prägen das Bewusstsein der Menschen stärker als komplizierte Sachinformationen. Der junge Generalsekretär der FDP, Christian Lindner, hat es in dieser Disziplin in nur halbjähriger Amtszeit schon zu beachtlicher Perfektion gebracht.

Der Vorrat an Gemeinsamkeiten mit der Union scheint weit kleiner zu sein als erwartet: FDP-Generalsekretär Christian Lindner. (Foto: Getty Images)

Dass die Koalition, die doch angetreten war, die Bürger von Steuern und Abgaben zu entlasten, jetzt höhere Krankenkassenbeiträge beschlossen hat, ist plötzlich ein "ganz normaler Vorgang", wie Lindner mit Unschuldsmiene erläutert. Schließlich kehre man einfach zur alten Beitragshöhe zurück, die nur im vorigen Jahr aus Gründen der Konjunkturankurbelung gesenkt worden sei. Dass Konjunkturförderung aus Steuermitteln nicht von Dauer sein könne, habe doch jedem vernünftigen Menschen klar sein müssen, folgert Lindner. Und macht nebenbei noch aus dem verdoppelten Beitragsaufschlag ein harmloses "Zusatzelement". "Zusätzliches" klingt eben irgendwie nach einem positiven Mehr.

Zu Beginn des großen Atemholens in der Sommerpause hat die FDP allen Grund, sich die Dinge schönzureden. Ihr Lieblingsprojekt, die Steuerentlastung des Mittelstands - vertagt auf den St.- Nimmerleins-Tag. Der Einstieg in die Gesundheitsreform - entpuppt sich als schlichte Beitragserhöhung (mit dem Nebeneffekt, dass der FDP-Gesundheitsminister Philipp Rösler kräftig demontiert ist). Die Riege ihrer Bundesminister rangiert in den Beliebtheits-Charts nur auf den hinteren Plätzen. Ihr Vorsitzender Guido Westerwelle - angeschlagen als Parteichef wie als Außenminister. Die Koalition insgesamt - zerstritten, vom vielbeschworenen Teamgeist ist nichts zu spüren.

Zumindest atmosphärisch soll sich nun doch einiges bessern. Die gegenseitigen Schuldzuweisungen nach den fehlenden Mehrheiten bei der Wahl des neuen Bundespräsidenten Christian Wulff hielten sich in Grenzen. Der Kompromiss zur Finanzierung des Krankenkassendefizits wird - erst einmal jedenfalls - von allen gemeinsam verteidigt. Und Kanzlerin Angela Merkel findet Zeit, die FDP-Bundestagsfraktion zu besuchen. Angeblich war die Visite lange verabredet. Dennoch wird sie als Teil des dringend nötigen Krisenmanagements interpretiert.

Zwei Stunden lang stand die Kanzlerin am Dienstagnachmittag den Liberalen Rede und Antwort. Von einem "tollen Auftritt" schwärmten hinterher Abgeordnete. Mit Anekdoten aus ihrem politischen Leben und mit der ihr eigenen Selbstironie habe Merkel für eine lockere Stimmung gesorgt. "Das hat den Abgeordneten gut getan", befand ein Teilnehmer. Die Kanzlerin selbst sprach von einer interessanten Diskussion, die von gegenseitiger Achtung geprägt gewesen sei. Man habe gemerkt, "dass wir Fraktionen einer Koalition sind".

Wie lange hält das neue Wir-Gefühl?

Im Gegenzug durfte Gesundheitsminister Rösler der Unionsfraktion den Gesundheitskompromiss erläutern. Nach seiner eigenen Beobachtung war der Schlussapplaus für ihn größer als der Beifall zur Begrüßung.

Fraglich bleibt, wie lange das neue Wir-Gefühl anhält.

Der Vorrat an Gemeinsamkeiten mit der Union sei weit kleiner als erwartet, sagen manche Liberale. Viele kritisieren - und werfen dies auch ihrem Anführer Westerwelle vor -, dass die FDP in der Koalition zu wenig Profil zeige.

Oft wird gefragt, ob Kanzlerin Merkel bereit ist, auch der FDP einmal einen sichtbaren Erfolg zu gönnen. Wie Merkel das Thema Steuersenkung nach der verlorenen NRW-Wahl vom Tisch gewischt hat, wie sie Wulff als Präsidentenkandidaten aus dem Hut gezaubert hat, wie wenig sie tut, um die von der FDP als Störenfriede betrachteten Horst Seehofer oder Wolfgang Schäuble zu zügeln - all das nagt am Selbstverständnis der Liberalen. "Der Eindruck darf sich nicht festsetzen, dass die FDP Treibgut der Union ist", sagt ein prominenter FDP-Politiker.

Was tun? Die FDP müsse sich breiter aufstellen - inhaltlich wie personell, lautet derzeit die Parole. Die Sanierung der öffentlichen Haushalte habe jetzt Vorrang. Und natürlich richtet sich der Blick auf Guido Westerwelle. Von ihm wird erwartet, dass er endlich auch als Außenminister Statur gewinnt. "Er ist Außenminister, aber keiner weiß, warum", lästert ein Präsidiumsmitglied. Und ein anderer sagt mit Blick auf die nun eingeleitete Diskussion über ein neues Grundsatzprogramm: "Das Schicksal der FDP entscheidet sich nicht auf Programmparteitagen, sondern am Regierungshandeln in Berlin."

© SZ vom 07.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Streit in der Koalition
:Säue, Gurken, Gesundheit!

Die Koalition hat sich auf eine Gesundheitsreform geeinigt - nach monatelangem Gezerre und teils üblen Beschimpfungen. Die deftigsten Sprüche und schrillsten Ausraster - im Überblick.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: