FDP diskutiert über Westerwelle:Von Parteifreunden umzingelt

Endet die Ära Westerwelle im Bergischen Land? Seine Unterstützer dementieren zwar Berichte, wonach der Außenminister auf der Klausurtagung der FDP-Fraktion die Vertrauensfrage stellen will - doch sein Rückhalt schwindet. Echte Freunde hat Westerwelle in seiner Partei kaum noch, dafür einige Zöglinge, die ihm aus taktischen Gründen beistehen. Das liberale Machtgeflecht aus Getreuen und Gegnern im Überblick.

Thorsten Denkler, Berlin

Wird er oder wird er nicht? Gerüchten zufolge will Außenminister Guido Westerwelle auf der an diesem Dienstag beginnenden Klausur der FDP-Bundestagsfraktion auf Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach die Vertrauensfrage stellen. Das hat zumindest die in Düsseldorf erscheinende Rheinische Post unter Berufung auf Westerwelle nahestehende Kreise berichtet.

Botschafterkonferenz im Auswaertigen Amt

Guido Westerwelle bei einer Bootsfahrt auf der Spree: Geht der Kapitän von Bord?

(Foto: dapd)

Es wäre ein ungewöhnlicher Schritt und ein riskanter zugleich. Im Frühjahr erst hatte er der Fraktion einen Vertrauensbeweis abverlangt, um damit nach seinem Quasi-Rauswurf als Parteichef bis zum Ende der Wahlperiode 2013 ungestört Außenminister bleiben zu können. Schon da aber zeichnete sich ab: Seine Gegner werden erst Ruhe geben, wenn sie ihn losgeworden sind.

Nun droht Westerwelle in dem barocken Fünf-Sterne-Hotel im Bergischen Land über das Machtgeflecht in der FDP zu stolpern. Öffentlich melden sich jetzt zahlreiche Unterstützer zu Wort. Sie dementieren, dass es eine Vertrauensfrage geben wird und fordern ein Ende der Diskussion. Parteichef Philipp Rösler erklärte die "öffentlcihe Debatte in dieser Frage für beendet".

Einige Liberale stehen aus Überzeugung hinter ihm, andere haben ihm die Karriere zu verdanken. Wiederum andere wollen nicht zu jenen gezählt werden, die Westerwelles Karriere jetzt beenden wollen. Ihre Zahl dürfte nach der missglückten Libyen-Politik des Außenministers zumindest nicht kleiner geworden sein.

[] Bei Dirk Niebel ist die Sache eindeutig. Westerwelles früherer Generalsekretär und der heutige Entwicklungshilfeminister stand immer treu an der Seite seines Herrn. Er ist loyal bis in die Haarspitzen. Wenn er Westerwelle den Rücken stärkt, ist das ehrlich gemeint.

[] Ein echter Unterstützer Westerwelles ist auch der neue Parteivize Holger Zastrow, der den FDP-Landesverband Sachsen führt. Zastrow hat selbst noch dann zu Westerwelle gehalten, als längst klar war, dass Rösler ihn ersetzen würde. Im Zweifel würde er Westerwelle wohl wieder zum Parteichef wählen.

[] Cornelia Pieper ist Westerwelle zu ewiger Dankbarkeit verpflichtet. Seine einstige Generalsekretärin wäre bei der Regierungsbildung 2009 fast ohne Amt geblieben. Ein Posten als Ministerin war ausgeschlossen, als Staatssekretärin wollte sie kein FDP-Minister unter seine Fittiche nehmen. Westerwelle hat sie dann kurzerhand zur Staatsministerin im Auswärtigen Amt gemacht. Geht er, wird auch sie sich nicht halten können.

[] Gesundheitsminister Daniel Bahr ist ein Ziehkind Westerwelles. Von ihm dürfte er auch gelernt haben, was er einmal in einem Interview sagte: Wenn du Freunde suchst, dann solltest du nicht in die Politik gehen.

Bahr klopft sein Umfeld in zweierlei Hinsicht ab: Nützt es der Partei - und nützt es ihm? Im Moment schadet eine Personaldebatte der Partei offenbar mehr als sie ihr nützt. Darum fordert Bahr ein Ende der Diskussionen um Westerwelle. Nach den Landtagswahlen im September könnte das anders aussehen.

So weit die mehr oder minder eindeutigen Westerwelle-Unterstützer. Bei anderen Liberalen ist die Einteilung schwieriger.

Der schwarze Ritter der Liberalen

[] Bundestags-Fraktionschef Rainer Brüderle ist Westerwelle zwar dankbar, dass er einst Wirtschaftsminister werden durfte. Er hat sich aber schon immer für den besseren, seriöseren und schlaueren Politiker gehalten. Brüderle stützt Westerwelle aus taktischen Erwägungen. So kurz vor den zwei anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin ergeben neue Personalrochaden in seinen Augen keinen Sinn.

FDP-Präsidium - Westerwelle und Lindner

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle (links) und Parteichef Philipp Rösler haben Guido Westerwelle einiges zu verdanken. Dennoch scheinen sie von ihm abzurücken.

(Foto: dpa)

[] Parteichef Philipp Rösler gehörte einst zu den Freunden Westerwelles. Der war sein Mentor, hat ihn nach Berlin geholt und zum Gesundheitsminister gemacht. Inzwischen dürfte sich Röslers Bild von Westerwelle gewandelt haben. Sein öffentliches Lob an die Nato zum erfolgreichen Libyen-Einsatz steht im krassen Widerspruch zu Westerwelles peinlicher Eigenlob-Orgie.

Im Spiegel heißt es, für Rösler sei dies ein erster Schritt auf dem Weg, Westerwelle loszuwerden. Das Tischtuch ist damit wohl endgültig zerschnitten. Noch aber traut sich Vizekanzler Rösler nicht, Westerwelle einfach rauszuschmeißen.

[] Zu Westerwelles Gegnern gehört auch der einstige Steuer-Papst der FDP, Hermann Otto Solms. Der ist in der Fraktion immer noch ein Machtzentrum für sich. Im Schaumburger Kreis, einem geheimbündlerischen Zusammenschluss der wirtschaftsliberalen FDPler, gehört er zu den tonangebenden Persönlichkeiten.

Der Kreis hatte Ende vergangenen Jahres gezielt Gerüchte lanciert, Westerwelle gegen Brüderle austauschen zu wollen. Der Umbruch hat dann zwar noch etwas gedauert, aber den ersten ernstzunehmenden Anstoß dazu haben die Schaumburger geliefert.

[] Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger konnte noch nie viel mit dem Gehabe ihres einstigen Parteichefs anfangen. Ihr war aber ein Wechsel an der Parteispitze immer wichtiger als die Besetzung des Außenamtes. Jetzt hält sie sich wie Brüderle mit Kritik zurück.

[] Parteivize Birgit Homburger gehört zu den wenigen in der Führungsriege der FDP, die sich ihre Karriere selbst erarbeitet haben. Homburger muss deshalb keine Rücksicht nehmen auf Westerwelle und hat das - zumindest in kleinem Kreis - auch selten getan. Die ehemalige Fraktionschefin wird aber selbst von vielen als Teil des Problems und weniger als Lösung wahrgenommen. Jetzt hält sie sich auffallend aus der Schusslinie heraus.

[] Wolfgang Gerhardt hat mit Westerwelle noch viele Rechnungen offen. Er ist selbst von Westerwelle aus Partei- und Fraktionsvorsitz herausgemobbt worden. Käme es in der Fraktion zur Vertrauensfrage, seine Gegenstimme wäre Westerwelle sicher.

Und so scheint Westerwelle von Partei-"Freunden" umzingelt zu sein. Er ist Minister auf Abruf. Allein die anstehenden Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern und Berlin scheinen ihm derzeit den Kopf zu retten.

Spätestens wenn diese in einem Desaster für die FDP enden, was zu erwarten ist, wird die Westerwelle-Debatte neu aufflammen. Der Außenminister wolle um sein Amt kämpfen, heißt es aus seinem Umfeld. Nur: Dazu braucht er den nötigen Rückhalt in der Partei. Der ist ihm längst nicht mehr sicher.

Westerwelles Kampf erinnert allmählich an eine berühmte Szene aus dem Monty-Python-Film Ritter der Kokosnuss: Der schwarze Ritter verliert in seinem Gefecht mit König Artus Arme und Beine. Auf seinem Rumpf sitzend, ruft er dem siegreichen König hinterher: "Du bist ein Feigling, kommt zurück, du Anfänger! Na warte, wenn ich dich erwische!"

Bleibt für Westerwelle zu hoffen, dass er es nicht so weit kommen lässt.

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