Liberale:Die FDP sucht nach dem entscheidenden Update

FDP-Bundesparteitag in Berlin

Christian Lindner proklamiert das Gegenteil von "Keine Experimente".

(Foto: dpa)

Christian Lindner sagt es "leise, aber mit Überzeugung": "Jetzt haben wir die Trendwende erreicht." Seine FDP soll optimistisch wirken, aber bloß nicht übermütig oder gar überheblich.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Die Sache mit dem Beta ist nicht so leicht zu verstehen. Wie gut, dass das gründlich erklärt wird auf dem FDP-Bundesparteitag in Berlin. Die Partei fordert die "Beta-Republik Deutschland". Das Motto des Parteitages steht groß auf den Presse- und Delegiertenmappen.

In den Mappen gibt es zum Glück einen Klappentext dazu. In der Parteizentrale haben sie wohl auch gemerkt, dass "Beta" nicht auf Anhieb positiv verstanden wird. Der Klappentext wird vor der Rede des Parteivorsitzenden Christian Lindner auf die Videoleinwände gespielt. Politik mit Fußnote ist das. Etwas für die Bessergebildeten.

Die Beta-Version, steht da also, "ist ein Stadium in der Entwicklung neuer Software, das noch Tests durchläuft". Es würde Deutschland guttun, "einfach mehr Neues zu testen. Mehr auszuprobieren, ohne immer gleich perfekt sein zu müssen". Verstanden?

Die FDP will keine Steuervereinfachungspartei sein

Was die FDP mit Beta eigentlich sagen will: Sie will das Gegenteil von "keine Experimente" sein, was von Adenauer bis zum Wahlkampf in Sachsen-Anhalt 2016 immer mal wieder Wahlslogan der CDU war. Sie will aber auch die alten FDP-Themen nicht mehr spielen. Von Steuersenkung und Steuervereinfachung ist hier keine Rede mehr. Das Thema, mit dem die FDP unter dem kürzlich verstorbenen Guido Westerwelle 2009 noch 14,6 Prozent holte, ist für die FPD unter Lindner politisch tot.

So gesehen ist die FDP jetzt auch nur die Beta-Version einer Partei. Eine Partei, die im Moment noch nicht "aus einer Position der Stärke heraus" argumentieren kann, wie Lindner sagt. Weil sie in der jetzigen Phase trotz einiger Erfolge immer noch um ihre politische Zukunft kämpfe.

Die FDP ist noch auf der Suche nach dem entscheidenden Update, um zur Bundestagewahl 2017 endlich einen "Release Candidate" präsentieren zu können. Eine verkaufsfähige Version ihrer selbst.

FDP hat "zeitweise die politische Orientierung verloren"

Lindner hält in seiner Rede nicht hinterm Berg damit, was die Partei hinter sich hat. Der Rauswurf aus dem Bundestag 2013 sitzt tief. Die FDP sei damals eine Partei gewesen, die "zeitweise die politische Orientierung verloren" hatte. In der das "Teamwork zeitweise nicht mehr funktioniert" hat. Wer noch glaubt, die Medien seien schuld dran, für den hat Lindner eine klare Botschaft: "2013 hat uns niemand anderes besiegt außer wir uns selbst", sagt Lindner.

Heute steht die FDP besser da. In fünf Landtagwahlen hat sie seitdem zugelegt, hat ihre Zugehörigkeit zu Landtagen verteidigen können oder - wie jetzt in Rheinland-Pfalz - zurückerobert. In den Umfragen wird sie auf bis zu acht Prozent taxiert. Alles auf einem guten Weg also für die FDP.

Sogar der auf offensive Bescheidenheit setzende Lindner ist jetzt soweit, das auch offen auszusprechen. Er sagt "leise aber mit Überzeugung: Jetzt haben wie die Trendwende erreicht". Es ist genau die richtige Tonlage. Optimistisch. Aber nicht übermütig oder gar überheblich. So will Lindner die FDP positionieren.

Das Gegenteil der AfD

Er hält sich zu Gute, dass die FDP "auch in der bittersten Stunde" der Versuchung widerstanden habe, dem Rechtspopulismus nachzueilen oder den Euro in Frage zu stellen. "Wir haben vielleicht Prozente verloren", sagt Lindner. "Aber diese Partei hat niemals ihre Würde verloren."

Weswegen sich die FDP auch so deutlich von der AfD abgrenzen kann. Parteivize Wolfgang Kubicki rammt da Pflöcke ein: "Wir sind das genaue Gegenteil der AfD. Wir wollen keine Angst verbreiten, wir wollen Europa, wir wollen Toleranz, keine Fremdenfeindlichkeit."

Womit wohl so schnell keiner gerechnet hat: In Rheinland-Pfalz hat die FDP gerade die erste Regierungsbeteiligung nach der Bundestagswahl 2013 geschmiedet - ausgerechnet mit der SPD und den Grünen. Das ist auch eine Ansage an die CDU.

"Sicher steht uns die CDU am nächsten - im Vergleich zu den andere sozialdemokratischen Parteien", frotzelt Lindner. "Aber mit Verlaub, wir haben doch unser Erfahrungen mit der Union gemacht." Künftig gelte: eine rechnerisch mögliche schwarz-gelbe Mehrheit bedeute "nicht automatisch, dass es zu einer schwarz-gelben Regierung kommt".

Wer die FDP einseitig auf die Union festlegen wolle, der müsse erklären wo der substanzielle Unterschied zwischen CDU, SPD und Grünen liege. "Das ist im Prinzip doch eine Soße", ruft Lindner. "Den Unterschied müssen wir machen!"

Die jedenfalls werde sich "niemals wieder" zu einer reinen Funktionspartei machen, verspricht Lindner. Dieses Versprechen hat schon einmal ein FDP-Vorsitzender gegeben, Philipp Rösler in seiner Antrittsrede 2011. Zwei Jahre später führte die FDP im Wahlkampfendspurt eine Leihstimmenkampagne. Die ihr am Ende das Genick gebrochen hat.

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