FDP-Chef Rösler und "Bild"-Boss Diekmann:Eine Umarmung und viele, viele Fragen

Rösler Diekmann

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler, eingequetscht in die Umarmung des Bild-Chefs.

(Foto: dpa)

Sie herzen sich, als hätte sie zusammen die härtesten Schlachten geschlagen: "Bild"-Chef Kai Diekmann und Vizekanzler Philipp Rösler. Haben sie aber nicht. Und genau deshalb ist das Foto mit ihrer Umarmung so furchtbar absurd.

Von Thorsten Denkler

Es gibt Bilder, die einem auf den ersten Blick sagen: Huch, das geht jetzt aber wirklich nicht. Und dann die entscheidende Frage aufwerfen: Was in Herrgottsnamen ist da eigentlich schiefgelaufen? Ein solches Bild wird derzeit in den sozialen Netzwerken herumgereicht, als hätte die Welt nichts Aufregenderes zu bieten als die kernige Umarmung zweier Männer.

Das Dumme ist jetzt, dass die beiden Männer zwei nicht völlig zu vernachlässigende Personen der Gegenwart sind. Der eine, Philipp Rösler, ist FDP-Chef, Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, Bundeswirtschaftsminister und damit Vertreter einer der mächtigsten Wirtschaftsnationen der Welt. Der andere, Kai Diekmann, ist Chefredakteur der größten Boulevardzeitung Europas, der Bild, und steht kurz vor dem Ende seines digitalen Sabbatjahres in den USA.

Das sind eigentlich zwei Positionen, die innige Umarmungen zumindest in der Öffentlichkeit ausschließen sollten, wenn beide nicht irgendwann einmal zusammen in irgendeinem Krieg gekämpft und sich gegenseitig mehrfach das Leben gerettet haben. Das würde fürwahr eine solche Umarmung anlässlich Röslers Besuch im Silicon Valley durchaus rechtfertigen. Doch derartige Harte-Kerls-Geschichten sind von beiden nicht überliefert.

Die Nähe zwischen Politik und Medien ist ja oft schon groß genug. Und was den speziellen Fall der Bild-Zeitung angeht, gilt weiterhin der Satz vom Fahrstuhl: Wer mit dem und der Bild hochfährt, der fährt mit ihr auch wieder herunter. Christian Wulff dürfte da ein mahnendes Beispiel sein. Der gestürzte Ex-Bundespräsident soll ja durchaus eine am Ende dann doch eher ungesunde Nähe zu Springers auflagen- und klickstarken Schmuddel-Titel gepflegt haben.

Anlasslos zum Mr. Cool

Auch Rösler darf sich von der Bild noch als hofiert betrachten, wie die Stern-Kollegin Laura Himmelreich prägnant aufgeschrieben hat. Kaum eine Zeitung berichtete so positiv über Rösler wie die Bild, schreibt sie. "Das Foto der beiden Männer ist so befremdlich, weil es belegt, dass die Bild jeden Anspruch aufgegeben hat, kritisch und distanziert über Politiker zu berichten und weil es zeigt, wie sich der Vizekanzler mit ein paar hübschen Schlagzeilen instrumentalisieren lässt."

Im Februar noch, Rösler war gerade auf einem neuerlichen Tiefpunkt seiner Popularität angelangt, rief ihn die Bild völlig anlasslos zum "Mr. Cool" aus. "So souverän hat in der Politik schon lange keiner mehr auf fiese Attacken reagiert ... Cool, cooler, Rösler!", stand da zu lesen. Rösler selbst glaubt ja durchaus, er lebe im "coolsten Land der Welt".

Himmelreich merkt aber auf stern.de zutreffend an: "Philipp Rösler hört gerne Udo Jürgens und mag Filme mit Meg Ryan. Auf die Idee, dass er für 'Coolness' steht, kam bisher nur die Bild-Zeitung." Geradezu als "Triumph für Rösler" wertete das Springer-Medium später seine Wiederwahl im März. Dabei waren die 85,7 Prozent ein ordentliches, aber längst kein überragendes Ergebnis.

Bild hat Rösler wohlwollend durch seine schwerste Zeit begleitet. Darin dürfte ein Grund gelegen haben für die überaus freundliche Umarmung des Chefredakteurs. Umgekehrt aber gibt es ebenfalls reichlich Anlass zur Dankbarkeit. Rösler hat sich vehement und zum Teil gegen die eigenen Leute für ein Leistungsschutzrecht der Verlage eingesetzt. Eine Idee aus dem Hause Springer, die von Springer-Chef Mathias Döpfner mit Macht der Politik aufgedrückt wurde und inzwischen Gesetz ist.

Und es ist ja nicht nur Diekmann. So präsentierte sich ein anderer Springer-Mann mit Rösler im hautengen Lauf-Dress vor der Golden Gate Bridge: Dietrich von Klaeden, Bruder des CDU-Politikers Eckart von Klaeden. Der ist zuständig für die politischen Beziehungen des Springer-Verlages. Lässig liegt sein Arm um Röslers Schulter, eher so, als wenn ein Chef seinen Abteilungsleiter vorführen will. Die Beziehungen scheinen jedenfalls bestens zu sein.

So herzlich, so unreflektiert

Fast wie ein Nestbeschmutzer wirkt da Ulf Poschardt, Ex-SZ-Magazin-Mann und jetzt einer der gefühlt 329 Chefs der Welt-Gruppe im Springer-Verlag, der Röslers Professionalität in Frage stellt. Wobei er ein wenig differenziert. Seltsam ist laut Poschardt natürlich nur, wie Rösler Diekmann umarmt. Nicht, dass Diekmann Rösler umarmt. Es sei schließlich "nichts Verwerfliches, einem so angenehmen Kollegen wie Kai Diekmann derart nahe zu kommen und ihn zu herzen." Eine Behauptung, die ein Bilder-Blog treffend karikiert hat.

Doch, und die Frage darf ja mal gestellt werden: "Was heißt so eine Umarmung, wie viel Nähe sollte ein Vizekanzler zu einem mächtigen Medium wie der Bild zeigen dürfen, wie viel Privatheit kann vor Kameras ausgelebt werden?" Und: "Wer berät Philipp Rösler in Medienfragen, wer coacht im Umgang mit der Öffentlichkeit, wer ist sein Stilratgeber?", fragt Poschardt.

Die Fragen, die aber auch gestellt werden sollten, lauten: Was heißt so eine Umarmung, wie viel Nähe sollte der Chefredakteur eines mächtigen Mediums wie der Bild zu einem Vizekanzler zeigen dürfen, wie viel Privatheit kann vor Kameras ausgelebt werden? Und: Wer berät Kai Diekmann in Medienfragen, wer coacht im Umgang mit der Öffentlichkeit, wer ist sein Stilratgeber?

Wir bitten um Antworten.

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