Fazit zum FDP-Parteitag:Letzte Chance statt letztem Geleit

FDP Bundesparteitag

Sie applaudieren Rainer Brüderle: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, Generalsekretär Patrick Döring, Birgit Homburger, Parteichef Philipp Rösler und Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel - manches spricht dafür, dass die FDP aus dem gröbsten Schlamassel heraus ist.

(Foto: dpa)

Die Notgemeinschaft Rösler und Brüderle ist das wichtigste Produkt des Parteitags. Rösler war besser als sonst, Brüderle schwächer - das sorgte für Harmonie in der neuen Doppelspitze. Mit Lindner und Kubicki wurden zwei Individualisten befördert und der größte Verlierer der Veranstaltung hat sich seine Watschen hart erarbeitet.

Ein Kommentar von Nico Fried, Berlin

Am Rande des FDP-Parteitags in Berlin hat der Spitzenkandidat der Liberalen, Rainer Brüderle, ein altes Bonmot der deutschen Politik reanimiert: Zwischen ihn und Parteichef Philipp Rösler passe kein Blatt Papier, sagte Brüderle. Der Satz stammt aus der Zeit der politischen Intimbeziehung der Sozialdemokraten Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder vor der Bundestagswahl 1998 und er steht für zwei Dinge: Erstens stimmte er schon in dem Moment nicht mehr, in dem er gesagt wurde, zweitens aber hat die Beziehung seinerzeit trotzdem gehalten, bis für die SPD die Wahl gewonnen war.

Brüderle und Rösler sind ein ähnlich ungleiches Duo. Dass der Satz auch bei ihnen nicht stimmt, ist kein Geheimnis, trotzdem muss er nun gelten bis zur Bundestagswahl. Die Notgemeinschaft Rösler/Brüderle ist jedenfalls das wichtigste Produkt der personellen Neuaufstellung der Liberalen, deren Bestätigung der wichtigste Zweck des Parteitages war. Und die neue Doppelspitze hat dabei gar nicht so schlecht harmoniert, was daran lag, dass Rösler besser war als sonst und Brüderle schwächer.

Manches spricht dafür, dass die FDP aus dem Gröbsten raus ist. Sie hat aus drei überraschend erfolgreichen Landtagswahlen die Zuversicht geschöpft, dass es immer, wenn es darauf ankommt, mehr als genug Wähler gibt, die Liberale im Parlament sehen wollen. Das Ausmaß des Absturzes in den Jahren nach dem Triumph von 1998 hatte paradoxerweise sogar sein Gutes: Der endgültige Niedergang der Partei war irgendwann eine so realistische Option geworden, dass er sich inzwischen in einer Kernklientel aller Unzufriedenheit zum Trotz noch einmal mobilisierend auszuwirken scheint. Statt letztem Geleit gibt's die letzte Chance.

Rösler und Brüderle fehlt die Unterschiedlichkeit

Die leidgeprüfte FDP-Basis hat daraus auf diesem Parteitag eindeutige und zugleich widersprüchliche Konsequenzen gezogen: Einerseits haben die Delegierten den Parteichef mit einem erstaunlich guten Resultat bestätigt und damit vermieden, dass gleich wieder ein Anlass für neuen Streit geliefert wurde. Andererseits hat die Basis zwar Teamgeist eingefordert, aber nicht danach gewählt.

Im undurchsichtigen Christian Lindner und im unberechenbaren Wolfgang Kubicki wurden zwei Individualisten zwar als Dank für erfolgreiche Wahlkämpfe befördert, dafür jedoch zwei Teamspieler heftig abgewatscht: Daniel Bahr und Birgit Homburger. Nur Dirk Niebel bekam als größter Verlierer von allen, was er sich in den Wochen zuvor mit seinem illoyalen Gebaren hart erarbeitet hatte.

Schröder und Lafontaine waren erfolgreich, weil sie eine unterschiedliche Klientel bedienten, Lafontaine die Partei, Schröder die Wähler. Eine solche Unterschiedlichkeit fehlt Rösler und Brüderle, beide richten sich vor allem an die wirtschaftsliberalen Anhänger. Für das Überleben bei der Bundestagswahl mag das reichen. Für einen Liberalismus, der mehr schaffen will als eine Mitleidsmobilisierung, steht bei beiden noch zu wenig auf dem Papier.

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