Faruk Sen:Möbel aus Westfalen für die Wohnung in Izmir

Ermittlungen gegen Faruk Sen: Dem früheren Direktor des Zentrums für Türkeistudien wird Betrug vorgeworfen.

Dirk Graalmann, Düsseldorf

Das Schlafzimmer trägt den himmlischen Namen Scala. "Das frische Erwachen", wirbt die Möbelfirma für das hübsche Interieur. Gemeinsam mit den Möbeln der Serie Texas und Malmö könnte diese edle Einrichtung zum "Sonderpreis" von 10.750 Euro ein böses Erwachen geben für Faruk Sen, in dessen Wohnung im türkischen Izmir-Güzelbahce die Möbel geliefert worden waren.

Faruk Sen: In Erklärungsnot: Faruk Sen

In Erklärungsnot: Faruk Sen

(Foto: Foto: ddp)

Gegen den 61-jährigen früheren Direktor des Essener Zentrums für Türkeistudien (ZfT) führt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf seit Mai ein Strafermittlungsverfahren. Unter dem Aktenzeichen 110JS 3115/09 gehen die Ermittler aufgrund der Strafanzeige eines Unternehmensberaters dem Verdacht des Betrugs nach.

Außer Sen ist auch der ZfT-Geschäftsführer Andreas Goldberg beschuldigt. Denn die Möbel wurden nie bezahlt, und die Ermittler interessiert offenkundig, ob es je anders geplant war.

Wortgewaltiger Strippenzieher

Es ist eine skurrile Geschichte, deren Ausläufer bis weit in die NRW-Landespolitik reichen. Der Deutsch-Türke Sen war Gründungsdirektor der landeseigenen ZfT-Stiftung, die sich seit 1985 wissenschaftlich mit der Situation der Migranten beschäftigt.

Der wortgewaltige Strippenzieher Sen wurde bundesweit so etwas wie ein akademischer Obertürke, bis er sich im Juni 2008 durch einen Gastbeitrag im türkischen Magazin Referans disqualifizierte.

Sen hatte in einem verqueren Vergleich die Türken als "die neuen Juden Europas" bezeichnet. Die Empörung war derart groß, dass Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet (CDU) - zugleich Vorsitzender des ZfT-Kuratoriums - den Sozialdemokraten Sen, dem er lange loyal zur Seite stand, nicht mehr halten konnte.

Zumindest verschaffte ihm Laschet einen Abgang ohne Gesichtsverlust; Sen - weiter in Landesdiensten - treibt nun den Aufbau der ersten deutsch-türkischen Stiftungsuniversität in Izmir voran.

Türkei als neuer Absatzmarkt

Der merkwürdige Möbel-Deal begann offenkundig Ende 2007, als ein Möbelhersteller aus Westfalen die Türkei als neuen Absatzmarkt erschließen wollte. Um dort Fuß zu fassen, schaltete die Firma einen Unternehmensberater ein. Eben jenen Mann, der nun Strafanzeige erstattete gegen das Duo, das damals die Türen öffnen sollte: Sen und Goldberg, der eine damals noch ZfT-Direktor, der andere Geschäftsführer.

Am 29.Februar 2008 wurde eine "Kooperations- und Provisionvereinbarung" geschlossen. 2000 Euro monatlich kassierte Sen und Goldberg, um der Möbelfirma Kontakte und mögliche Kooperationspartner in der Türkei zu vermitteln. Das Geld gab es netto, Goldberg quittierte handschriftlich.

Vermischte Sen Privates mit Beruflichem?

Die Zusammenarbeit lief gut an. Sen und Goldberg empfingen den Exportmanager der Möbelfirma zum Kennenlernen - in den Räumen des ZfT, wie sich der Manager erinnert. Sen zog den Werbeprospekt eines befreundeten türkischen Bauunternehmers aus der Tasche. Faruk Sen hat viele Freunde. "Im Zweifel waren die alle mit ihm in einer Klasse", erzählt einer, der mit Sen beruflich zu tun hatte, amüsiert.

"In der Klasse müssen ungefähr 400 Schüler gewesen sein." Der Geschäftsführer der von Sen ins Spiel gebrachten Baufirma Ege-Koop heißt Hüseyin Aslan; er ist tatsächlich mit Sen verbandelt, sitzt auch im Vorstand der Tavak-Stiftung, mit der Sen die Uni-Gründung betreibt.

Gemeinsam fuhr man in die Türkei, schaute sich mehrere im Bau befindliche Häusersiedlungen an. Eine Wohnung, so wurde vereinbart, solle zu Präsentationszwecken als Musterhaus eingerichtet werden.

Doch statt des Haustyps B1, für die im fernen Westfalen die ersten Möbel bereits hergestellt worden waren, sollte plötzlich - so ist es handschriftlich notiert - ausgerechnet das Haus A1 852/17 ausgestattet werden. Die Wohnung gehörte, wie die Baufirma Ege-Koop auf SZ-Anfrage bestätigte, Faruk Sen.

Eine große Sause, angekündigt per E-Mail

Für die Einweihung der Siedlung im Juni 2008 versprach Sen dem Berater per E-Mail die große Sause: 400 Familien, der Gouverneur von Izmir, der Oberbürgermeister - alle kämen, natürlich würden sowohl "Print- als auch elektronische Medien stark vertreten sein". Doch die Einweihung wurde kurzfristig abgesagt, zurück blieben die Möbel zum Brutto-Einkaufspreis von 16.940 Euro.

Eine weitere Kooperation kam nie zustande. War sie überhaupt ernsthaft geplant? Auf SZ-Anfrage teilte Ege-Koop mit, dass man "nur die Brücke" zwischen Berater und Sen gewesen sei. "Es war nicht unser Business." Eine reine Privatsache.

Faruk Sen dagegen hatte seine Rollen offenbar nicht immer so scharf getrennt. Auf die Einführung der Möbelfirma, schrieb Sen am 18. Juni 2008 dem Berater, werde "das ZfT in jedem Falle auch die Medien ansprechen". Vermischte Sen da Privates mit Beruflichem? NRW-Integrationsminister Armin Laschet sagte der SZ, er fordere "lückenlose Aufklärung".

Sollte der Eindruck erweckt worden sein, "dass diese Privatsache irgendetwas mit dem ZfT zu tun haben könnte, muss dies zu Konsequenzen für die Beteiligten führen."

Sen, der sich aufgrund fehlender Akteneinsicht nicht zur Sache äußert, teilte der SZ am Donnerstag mit, dass er seinerseits nun eine Strafanzeige gegen den Unternehmsberater wegen Verleumdung gestellt habe. Sen: "Meine Unschuld wird in Kürze bewiesen sein."

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