FAQ zu den italienischen Wahlergebnissen:Warum schon wieder Berlusconi?

Wieso geben so viele Italiener immer noch Silvio Berlusconi ihre Stimme? Was bedeutet das Patt in der Praxis? Welche Folgen hat das Ergebnis für den Verlauf der Euro-Krise?

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Wahl. Von Kai Thomas

Das Ergebnis der italienischen Parlamentswahl wirft viele Fragen auf. Wie konnte Silvio Berlusconi nach seinem wenig ruhmreichen Abgang erneut zum Machtfaktor werden? Wieso ist von einer Blockade die Rede? Und was bedeutet der Wahlausgang für die Krise in der Euro-Zone? Ein FAQ.

Warum wählen die Italiener noch Berlusconi?

Der Sparkurs von Mario Monti hat die Krise spürbar verschärft. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit und Armut haben viele Italiener deshalb offenbar nach einfachen Antworten auf schwierige Fragen gesucht. Auf dieses - aus der Angst geborene - Bedürfnis haben die Wahlversprechen von Berlusconis PDL gezielt. Den Politikwissenschaftler Professor Alexander Grasse überrascht Berlusconis Mehrheit im Senat dennoch: "Sein Erfolg ist beachtlich, da er nachweislich stark zur Krise in Italien beigetragen hat." Dennoch solle die Rückkehr des Cavaliere nicht überbewertet werden. Berlusconis Partei habe im Vergleich zur vergangenen Wahl etwa 16 Prozentpunkte an Stimmen eingebüßt, sagte der Leiter des Zentrums für Politische Italienforschung in Gießen zu Süddeutsche.de.

Warum ist das Wahlergebnis ein Patt?

In Italien sind beide Kammern des Parlaments gleichberechtigt. Die Machtbalance zwischen der Camera dei deputati (Abgeordnetenhaus) und dem Senato della Repubblica (Senat) dient eigentlich der Sicherung der Demokratie. Seit einer Reform unter Berlusconi aus dem Jahr 2005 kann es aber zu einer Blockade im Parlament kommen, wenn keine der Parteien eine Mehrheit im Senat bilden kann. Das damalige Rechtsbündnis schaffte das geltende Mehrheitswahlrecht im Alleingang ab.

Durch das neue Verhältniswahlrecht sind seitdem auch gegenläufige Mehrheiten in beiden Kammern möglich. Gesetze können leicht blockiert werden, weil sie von beiden Häusern verabschiedet werden müssen. "Es wird schon lange öffentlich kritisiert, dass das Wahlsystem ein großes Risiko der Unregierbarkeit birgt", erläutert Alexander Grasse. Die Schwäche des Wahlrechts habe sich nun erstmals durch das Patt gezeigt. Ein Mehrheitswahlrecht mit zwei Wahlgängen wie in Frankreich würde eine Regierungsbildung vereinfachen.

Wie könnte jetzt doch noch eine Regierung zustande kommen?

Ist Italien jetzt unregierbar?

Drei Szenarien könnten eine Regierungsbildung in Italien noch möglich machen, seien aber unwahrscheinlich, erklärt Grasse. Nahezu ausgeschlossen sei eine große Koalition zwischen der sozialdemokratischen Partei Pier Luigi Bersanis (PD) und Berlusconis PDL. Zwar flirtet Berlusconi bereits mit Bersani, doch die Positionen der Parteien sind Grasse zufolge zu gegensätzlich. Zumindest vorstellbar wäre eine sachbezogene Koalition zwischen den Sozialdemokraten unter Bersani und der 'Fünf-Sterne'-Bewegung unter Beppe Grillo. Beide Lager könnten beispielsweise in der Arbeits- und Sozialpolitik sowie bei der Reform des Wahlrechts zu einem Kompromiss finden. Allerdings setzte Grillo im Wahlkampf auf eine Verweigerungshaltung zu den etablierten Parteien.

Die dritte Option wäre eine erneute Übergangsregierung aus Fachleuten und Politikern. Für eine solche Notlösung komme Mario Monti als Ministerpräsident aber nicht mehr in Frage, sagt Grasse. Nach den vorliegenden Wahlergebnissen sei er als Kandidat delegitimiert. Der Gießener Politologe hält Italien aber weiterhin für geschäftsfähig und auch vorübergehend regierbar: "Auch wenn ein Spitzenpolitiker die Vertrauensabstimmungen in beiden Kammern nicht gewinnen sollte, käme immerhin eine Minderheitsregierung zustande."

Ist das Wahlergebnis ein Nein zum Sparkurs der EU?

"Mit dem Ergebnis wird aus meiner Sicht ein Signal an Europa gesendet", sagt Grasse. "Die EU kann die Situation der südlichen Krisenländer nicht weiter ignorieren." Der starke Zuspruch für Beppe Grillo zeige, dass sich die Italiener ausdrücklich für ein sozialeres Italien und gegen die EU in ihrer jetzigen, marktzentrierten Form aussprechen. Vor allem eine Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit und mehr demokratische Mitbestimmungsrechte ständen bei vielen Wählern oben auf der Agenda.

Was bedeutet der Wahlausgang für die Euro-Zone?

Das Wahlergebnis wird weiterhin für Turbulenzen an den internationalen Finanzmärkten sorgen. Sollten die Märkte Italien fallenlassen und dem Land keine neuen Kredite geben, hat die Euro-Zone ein Problem. Denn das große Italien passt nicht unter den Rettungsschirm. Dann könnte eigentlich nur noch die Europäische Zentralbank eingreifen, die versprochen hat, unbegrenzt Staatsanleihen aufzukaufen, wenn ein Land sich einem Reformpakt unterwirft.

Mitarbeit: Bastian Brinkmann

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